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TOURISMUS/097: Fahrtziel Natur (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Sommer 2020
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

BAHN-URLAUB
"Fahrtziel Natur"

von Nicole Flöper


Nachhaltig und klimaschonend reisen: Wer Deutschland ohne Pkw bereisen will, hat mit den 23 zielen von "Fahrtziel Natur" die chance, Nationalparke und Biosphärenreservate noch einmal neu zu entdecken. so kommt jede*r zu den schönsten Ecken unseres Landes.


Wer in diesem Jahr eine Auslandsreise geplant hat, muss sie aufgrund der Corona-Pandemie vermutlich absagen oder verschieben. Dass es sich auch lohnt, in Deutschland Urlaub zu machen, zeigen die 23 Gebiete, die sich in der Kooperation Fahrtziel Natur engagieren. Zur Grasbergfrau in den Kellerwald in Hessen oder mit einem Naturwächter im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe unterwegs - am Bahnhof einsteigen und am Zielort Natur aussteigen, das ist die Devise von Fahrtziel Natur, einer Kooperation der drei Umweltverbände BUND, NABU und VCD mit der Deutschen Bahn.

Seit 2001 engagieren sie sich in der Kooperation Fahrtziel Natur mit der Absicht, den touristischen Verkehr in sensiblen Naturräumen vom privaten Pkw auf öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern. Damit werden CO2-Emissionen eingespart und ein Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der biologischen Vielfalt geleistet. Und durch die Menschen und Geschichten vor Ort lernen die Besucher*innen ihre Heimat noch mal ganz anders wertzuschätzen.

Ausbau des ÖPNV durch Engagement der Menschen vor Ort
Nach 19 Jahren hat sich die Kooperation etabliert und wurde mehrfach als Beitrag zur UN-Dekade für Biologische Vielfalt ausgezeichnet. "Viel zu selten wird in der öffentlichen Wahrnehmung hervorgehoben, dass vor Ort Trägerkreise sehr gut zusammenarbeiten und Menschen seit Jahren darum kämpfen, in ihrer Region den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel voranzutreiben, aber auch für den Tourismus zu verbessern. Daher zeichnen wir seit 2009 Fahrtziel-Natur-Gebiete aus, die sich besonders engagiert haben, um nachhaltigen Tourismus und umweltfreundliche Mobilität voranzutreiben", sagt Kathrin Bürglen, Projektleiterin von Fahrtziel Natur. Dieses Jahr sind der Naturpark Ammergauer Alpen, der Nationalpark Harz und das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe nominiert.

Angefangen hat die Kooperation mit sechs Reisezielen: drei Nationalparke, ein Naturpark und zwei Biosphärenreservate. 2018 kam zuletzt der Nationalpark Kellerwald-Edersee dazu. Neben den Zielen in Deutschland sind auch Gebiete aus der Schweiz und Österreich mit dabei: der Schweizerische Nationalpark und der Nationalpark Hohe Tauern (Kärnten). Die Idee kam sogar in der Schweiz so gut an, dass das Projekt und die Marke dorthin übertragen wurden.

Reisereportagen laden zum Schmökern ein
"Es ist nicht so leicht, aufgenommen zu werden, denn die Kriterien sehen eine sehr gute Bahnanbindung und Mobilität vor Ort für Touristen vor und seit 2017 auch die kostenlose Mobilität auf Gästekarte", so Bürglen. "Wenn es einen Parkplatz gibt, aber keine Bushaltestelle bei einem Wanderstartpunkt, dann ist das aus der Sicht der Gäste schon mal nicht optimal, und eine nachhaltige Mobilität ist nicht möglich. Das wird daher vorher genau von den Trägergruppen vor Ort evaluiert, und es müssen entsprechende Ziele erreicht werden."

Sich einlesen und stöbern kann man auch im neuen Buch "Nah dran. 22 Menschen. 22 Reisereportagen" von Fotograf Paul Meixner und Autor Bernd Pieper. Darin werden Menschen vorgestellt, die sich in den Fahrtziel Natur-Gebieten besonders engagieren. "Mir hat vor allem imponiert, dass die Protagonist*innen so für ihre Themen und ihre Naturschutzgebiete brennen", erzählt Bernd Pieper, der neun Jahre für den NABU gearbeitet hat. "Ein solcher Job, der zudem hauptsächlich draußen stattfindet, scheint wohl jung und fit zu halten. Selbst bei den 60+-Gesprächspartner*innen hatte ich das Gefühl, ich unterhalte mich mit Jugendlichen."

Traum erfüllt
Am Beispiel von Michael Reinboth zeigt sich, wie sehr der Einsatz von Menschen vor Ort dazu beiträgt, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Für ihn ist mit der Einführung des Harzer Urlaubs-Tickets HATIX im Westharz ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. So hatten viele Kommunalpolitiker sich nicht sonderlich für den ÖPNV interessiert und lieber Vorurteile gepflegt: "'Wer fährt denn damit? Man kommt doch nirgendwo hin' - wie oft habe ich das gehört", wird der 67-Jährige im Buch zitiert.

Mittlerweile bieten 13 Fahrtziel NaturGebiete eine kostenlose Mobilität mit der Gästekarte an: Dabei erhalten Urlauber automatisch bei der Ankunft in ausgewählten Hotels und Pensionen vom Gastgeber eine Kur- oder Gästekarte, die gleichzeitig für die gesamte Aufenthaltsdauer als Fahrschein für den ÖPNV gilt, ganz ohne Extrakosten.

Pieper, der sich sehr gut in Deutschland auskennt, wenn es ums Reisen geht, hat noch mal andere Facetten der Regionen kennengelernt. Die Größe der Gebiete würden für ein ganzes Leben reichen. Seine persönlichen Favoriten sind die malerischen Ammergauer Alpen, das Biosphärenreservat Südost-Rügen und das nicht so bekannte Biosphärenreservat Bliesgau.


Info

Regelmäßig finden Fachtagungen zum thema Nachhaltige Reisemobilität statt. Eine Dokumentation aus dem Jahr 2018, die sich damit beschäftigt, warum nachhaltige Mobilitätsangebote im Tourismus bundesweit immer noch ein Nischendasein fristen, gibt es zum Download www.NABU.de/Reisemobilitaet.


Buchtipp

Bernd Pieper mit Fotografien von Paul Meixner:
Fahrtziel Natur. 22 Menschen. 22 Reisereportagen.
- 240 Seiten. 19,95 Euro. J.P. Bachem Editionen 2020.
ISBN 978-3-7616-3417-2.

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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2020, Seite 46 - 47
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
E-Mail: Naturschutz.heute@NABU.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
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Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2020

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