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FORSCHUNG/725: Durstiges Europa (Umwelt Perspektiven)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ

Umwelt Perspektiven
Der UFZ-Newsletter - August 2018

Smarte Modelle und Monitoring
Durstiges Europa

Von Benjamin Haerdle


Dürren, Niedrigwasser, Hochwasser - Extremereignisse wie diese werden durch die Klimaerwärmung zunehmen. Das galt bislang als gesichert. Unbekannt war aber, wie diese Extreme bei unterschiedlichen Erwärmungsgraden ausfallen und welche Regionen in Europa davon wie stark betroffen sein werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des UFZ haben deshalb Extremereignisse bei 1,5 Grad, 2 Grad und 3 Grad Celsius globaler Erwärmung modelliert. Ihre Bilanz fällt unterschiedlich aus: Entlang des Mittelmeers wird der Wassermangel noch extremer ausfallen als bislang. Regionen wie Skandinavien werden dagegen eher profitieren.


Dürren in Europa: Sie werden länger dauern, großflächiger auftreten und mehr Menschen betreffen.

Räumliche Verteilung der Dürrefläche und der Dürredauer bei Erderwärmungen von 1,5 Grad, 2 Grad und 3 Grad Celsius sowie für den historischen Referenzzeitraum der Jahre 1971 bis 2000. Dürrefläche und Dürredauer werden für sechs vom Weltklimarat IPCC ausgewählte Regionen bestimmt. Die Dürrefläche wird als Prozentsatz der Gesamtfläche jeder Region quantifiziert, die Dürredauer in Monaten. Die Ergebnisse zeigen, dass die längste Dürreperiode im Mittelmeerraum bei drei Grad Erwärmung neun Jahre (108 Monate) dauert und fast die Hälfte der Fläche betrifft. Alle Ergebnisse sind unter der Annahme berechnet, dass keine Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel erfolgen.

(Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)

Quelle siehe Samaniego et al. (2018): Anthropogenic warming exacerbates European soil moisture droughts, Nature Climate Change,
www.nature.com/articles/s41558-018-0138-5

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Ausgetrocknete Flüsse, verdorrte Felder, gedrosselte Kohle- und Kernkraftwerke - der Hitzesommer des Jahres 2003 ging als eine der schwersten Naturkatastrophen Europas in die Annalen der Wetterhistorie ein. Rund 70.000 Menschen starben zusätzlich europaweit aufgrund der Hitzewelle, berechneten Wissenschaftler des französischen Nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung (Inserm). Die mit der Hitze einhergehende Dürre führte zu Schäden in Höhe von 15 Milliarden Euro.

An solche Extremereignisse werden sich die Menschen in Europa wohl gewöhnen müssen. Die globale Erwärmung wird die derzeitige Situation verstärken: "Dürren werden länger dauern, großflächiger auftreten und damit mehr Menschen betreffen", sagt Dr. Luis Samaniego, der sich als Hydrologe seit mehr als zehn Jahren am UFZ damit befasst, die klimabedingte Veränderung des Wasserhaushalts zu modellieren. Gemeinsam mit dem Mathematiker Dr. Stephan Thober führte Samaniego ein internationales Forscherkonsortium an, dem es gelang, ein sogenanntes Klima-Hydrologie-Modellensemble in bislang nie dagewesener Präzision für ganz Europa aufzubauen. Es ist in der Lage, verlässlich zu beschreiben, wie sich die globale Erderwärmung auf die Dauer und die Ausdehnung von Dürren im Boden sowie Niedrigwasser und Hochwasser in Flüssen auswirkt. Samaniego und sein Team beziehen sich dabei auf konkrete Erwärmungsgrade der Erde von einem bis drei Grad Celsius. Dieser Denkansatz ist neu und unterscheidet sich von dem anderer Wissenschaftler, die eher die Veränderungen unter verschiedenen CO2-Emissionsszenarien im Blick haben. Nach Meinung der UFZ-Forscher hat das jedoch den großen Nachteil, dass innerhalb dieser Emissionsszenarien der globale Temperaturanstieg eine zu große Spannweite aufweisen kann. "Mit unserer Vorgehensweise und der Orientierung an konkreten Erwärmungsgraden minimieren wir die Unsicherheiten und erleichtern Entscheidern in Politik und Zivilgesellschaft, Anpassungsmaßnahmen zu definieren", betont Samaniego die Vorteile.

Die UFZ-Forscher fanden beispielsweise heraus, dass Extremereignisse wie die 2003er Dürre bei einer globalen Erwärmung von drei Grad Celsius in weiten Teilen Europas nicht mehr als Dürren eingestuft würden. Sie wären künftig vielmehr der Normalfall: Sollte die Erderwärmung um drei Grad Celsius steigen, werden sich Dürregebiete in Europa im Vergleich zum Referenzzeitraum 1971 bis 2000 von 13 auf 26 Prozent der Fläche verdoppeln.

Mit Ausnahme von Skandinavien werden die größten Dürreereignisse zudem etwa drei Mal länger dauern als bisher. Bis zu 400 Millionen Menschen könnten dann davon betroffen sein. Das entspricht dem Fünffachen der Bevölkerung im Vergleich zum Dürre-Jahr 2003. Negative Folgen sind vor allem für die Region rund um das Mittelmeer zu erwarten, wo sich Dürregebiete im extremsten Fall von 28 Prozent der Fläche im Referenzzeitraum auf 49 Prozent - also fast auf die Hälfte der Fläche - ausbreiten könnten. Auch die Anzahl der Dürremonate pro Jahr würde deutlich zunehmen: Dürren werden dann im Schnitt 5,6 statt wie bislang 2,1 Monate pro Jahr dauern, in einzelnen Gebieten der iberischen Halbinsel gar bis zu sieben Monaten.

Gelingt es dagegen, wie im Pariser Klimaschutzabkommen festgehalten, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sieht die Bilanz weit weniger dramatisch aus: Flächen, die unter Dürre leiden, würden in Europa um sechs Prozentpunkte auf 19 Prozent anwachsen. Die Dürredauer würde sich verdoppeln. Im Mittelmeerraum würde ein Dürremonat pro Jahr mehr erwartet als im Referenzzeitraum 1971 bis 2000.

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Sommerliches Niedrigwasser in Europa:
Gewinner in Skandinavien, Verlierer am Mittelmeer

Relative Veränderungen der Niedrigwasser in europäischen Flüssen während der Sommermonate zwischen Mai und Oktober bei Erwärmungsgraden von 1,5 Grad, 2 Grad und 3 Grad Celsius im Vergleich zum historischen Referenzzeitraum der Jahre 1971 bis 2000. Rot eingefärbt ist die Abnahme der Wassermenge und damit eine Verschärfung der Niedrigwasser. Es wird jeweils der Median des Multimodellensembles für Gitterzellen mit einem Fluss-Einzugsgebiet von mehr als 1.000 km² gezeigt.

Bei 1,5°C Erwärmung = Durchschnittlich 1,54 Prozent weniger Wasser in den Flüssen Europas
Bei 2,0°C Erwärmung = Durchschnittlich 9,15 Prozent weniger Wasser in den Flüssen Europas
Bei 3,0°C Erwärmung = Durchschnittlich 19,30 Prozent weniger Wasser in den Flüssen Europas

(Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)

Datenquelle Marx et al. (2018): Climate change alters low flows in Europe under global warming of 1.5, 2, and 3 C, Hydrol. Earth Syst.,
www.hydrol-earth-syst-sci.net/22/1017/2018/hess-22-1017-2018.pdf

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Dürre bedroht Tourismus und Landwirtschaft rund um das Mittelmeer

Doch mit der Ausbreitung der Dürren drohen nicht nur die gesundheitlichen Schäden für den Menschen deutlich zuzunehmen, auch gesamtgesellschaftlich sind negative Auswirkungen zu befürchten. In Spanien beispielsweise gingen die Niederschläge seit der Jahrtausendwende um rund 20 Prozent zurück. Der iberische Staat ist jedoch dringend auf das feuchte Nass angewiesen, setzt er doch auf Tourismus und exportorientierte Landwirtschaft. Beide Sektoren benötigen viel Wasser: Touristen verbrauchen durchschnittlich drei- bis viermal mehr Wasser als Einheimische. Über 82 Millionen Touristen kamen 2017 nach Spanien - so viele wie nie zuvor. Dies hat den Wasserverbrauch steigen lassen. Die Landwirtschaft, Grundlage für den Nahrungsmittelsektor, verantwortet 8,5 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts und bietet 2,5 Millionen Arbeitsplätze. Allein im vorigen Jahr exportierten Spaniens Bauern Tomaten, Salat, Gurken, Zitronen und Co. im Wert von elf Milliarden Euro. Das alles macht die Agrarwirtschaft zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes.

Voraussetzung für den ganzjährigen Obst- und Gemüseanbau, wie er in einigen Regionen Spaniens intensiv betrieben wird, ist jedoch die künstliche Bewässerung. Deren Anteil beläuft sich gegenwärtig mit rund 3,7 Millionen Hektar auf zirka 25 Prozent der gesamten Agrarfläche von mehr als 12 Millionen Hektar, Tendenz steigend. Doch schon jetzt beansprucht die spanische Landwirtschaft 85 Prozent des verfügbaren Trinkwassers. "In stark landwirtschaftlich geprägten Regionen wird sich der Wettbewerb um die Ressource Wasser weiter verschärfen", prognostiziert Stephan Thober. Einst mächtige Flüsse wie der Tajo haben sich stellenweise zu Rinnsalen verwandelt, Stauseen führen immer weniger Wasser. Erwärmt sich der Globus wirklich um drei Grad Celsius, geht den UFZ-Modellierungen zufolge im Mittelmeerraum der Wassergehalt im Verlauf von Dürren bis zu einer Bodentiefe von zwei Metern um 35 Millimeter zurück. Dies bedeutet: Rund 35.000 Kubikmeter Wasser fehlen in einer extremen Dürresituation auf jedem Quadratkilometer Boden - und damit sowohl der Landwirtschaft als auch dem Tourismus.


Niedrigwasser in Flüssen verschärft Wassermangel

Eine weitere Folge zunehmender Erwärmung im Mittelmeerraum ist die Abnahme der Wasserstände in Flüssen. Niedrigwasser sind genau wie Dürren langsam entstehende und lang anhaltende Extremereignisse, die mehrere Monate, sogar Jahre andauern können und große Schäden verursachen. Die UFZ-Modellierer kamen zum Ergebnis, dass bei einem Temperaturplus von drei Grad Celsius der Oberflächenabfluss bei Niedrigwasser in den Flüssen des Mittelmeers um mehr als ein Drittel abnehmen wird - so stark wie nirgendwo sonst in Europa. "90 Prozent der mediterranen Fließgewässer werden im Extremfall von niedrigeren Wasserständen betroffen sein", sagt der UFZ-Klimawissenschaftler Dr. Andreas Marx.

Doch fehlt das Wasser, schädigt das nicht nur die Fließgewässer als Ökosystem. Infolge des geringeren Wasserdurchflusses erhöhen sich auch die Schadstoffkonzentrationen. Welche wirtschaftlichen Konsequenzen mit niedrigen Wasserständen verbunden sind, zeigte sich während des Jahrhundertsommers 2003, als auf Deutschlands großen Strömen wie Rhein, Elbe und Donau über mehrere Wochen der Schiffsverkehr eingeschränkt wurde und die Energieversorgung ins Stocken geriet. In Frankreich, Portugal und Spanien mussten Betreiber thermischer Kraftwerke damals die Stromproduktion reduzieren. Die EU-Kommission verkündete später, dass infolge des heißen Sommers die Stromerzeugung aus Wasserkraft um 6,6 Prozent und aus der Thermoelektrik um 4,7 Prozent zurückgegangen sei.


Quelle: http://www.ufz.de/export/data/2/207531_HOKLIM_Brosch%C3%BCre_final.pdf

Dürren in Deutschland: Im Extremfall steigen die Dürremonate bundesweit um mehr als 50 Prozent.
Die Karten zeigen die durchschnittliche prozentuale Zunahme der Dürredauer in Deutschland bei Erwärmungsgraden von 1,5 Grad, 2 Grad und 3 Grad Celsius. Im historischen Referenzzeitraum 1971 bis 2000 lag sie statistisch bei zwei Monaten pro Jahr. Grün eingefärbte Flächen entsprechen einer durchschnittlichen Zunahme von weniger als 30 Prozent. Rot eingefärbte Flächen entsprechen einer durchschnittlichen Zunahme von mehr als 70 Prozent.
Quelle: http://www.ufz.de/export/data/2/207531_HOKLIM_Brosch%C3%BCre_final.pdf


Quelle.ufz.de/export/data/2/207531_HOKLIM_Brosch%C3%BCre_final.pdf

Relative Zunahmen der Dürrezeiten (in Prozent) in den Bundesländern verglichen mit dem Referenzzeitraum 1971-2000
Quelle.ufz.de/export/data/2/207531_HOKLIM_Brosch%C3%BCre_final.pdf


Nordeuropa profitiert eher, deutliche Folgen für Deutschland

Doch nicht überall in Europa fallen die Folgen der Erderwärmung so gravierend aus wie am Mittelmeer. Obwohl die Wasserverfügbarkeit im Sommer auch anderswo in Europa zurückgeht, sind Skandinavien und das Baltikum beispielsweise eher Nutznießer der Entwicklung: Zum einen breiten sich dort die Dürren längst nicht so flächig aus wie im Mittelmeerraum, ganz im Gegenteil. Da der Klimawandel zu höheren Niederschlagsmengen führt, wird sich die von Dürren betroffene Fläche bei einem Temperaturplus von drei Grad sogar um drei Prozentpunkte verkleinern. "Steigen die Temperaturen an, wird es in Nordeuropa übers Jahr gesehen generell nasser. Die Abflussmengen in den Flüssen insbesondere während des winterlichen Niedrigwassers nehmen deutlich zu", sagt Stephan Thober. Das ist zu dieser Zeit besonders wichtig, da zum Beispiel in Norwegen die Wasserkraft für die Stromproduktion eine entscheidende Rolle spielt. Auch die Gefahr von Hochwasser nimmt laut UFZ-Modellierungen nicht zu, da sich in den Wintern nicht mehr so viel Schnee sammelt, der im Frühjahr abtauen kann.

Grund zur Entwarnung gibt es nicht. Auch in Deutschland macht es einen Unterschied, wie stark sich die Erde erwärmt.

Und hierzulande? Generell gilt auch Deutschland als privilegiert, da die Jahresniederschläge leicht zunehmen, Klimafolgen somit verglichen mit südlicheren Regionen moderat ausfallen und Strategien zur Anpassung vielfach bereits vorliegen. Grund zur Entwarnung gebe es deswegen jedoch nicht. "Auch in Deutschland macht es einen Unterschied, ob sich die Erde um mehr oder weniger als zwei Grad erwärmt", sagt Andreas Marx. So würden sich sommerliche Niedrigwassersituationen in deutschen Flüssen bei 1,5 Grad Celsius Erderwärmung noch leicht entspannen. Bei einer Erwärmung von drei Grad Celsius dagegen wäre flächendeckend für ganz Deutschland eine Abnahme der Wasserstände zu erwarten. Im Einzugsgebiet des Rheins oder an Elbezuflüssen wie der Saale fällt sie mit mehr als zehn Prozent am stärksten aus. Auch Dürren nehmen mit dem globalen Temperaturanstieg in Deutschland zu. Während die durchschnittliche Anzahl der Dürremonate im historischen Zeitraum 1971-2000 bei ungefähr zwei Monaten pro Jahr lag, verdoppelt sich diese Zahl bei einer Erwärmung um drei Grad in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Teilen von Baden-Württemberg. In nördlichen Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder dem nördlichen Niedersachsen sind es dagegen nur rund 25 Prozent Zuwachs an Dürrezeiten in jedoch schon trockenen Regionen. Welche Folgen Trockenheit im Boden haben kann, zeigt sich aktuell in diesem Jahr unter anderem in der Landwirtschaft. Wegen des extrem trockenen Sommers mit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad Celsius rechnen Landwirte in Teilen Nord- und Ostdeutschlands derzeit mit Ertragsrückgängen beim Winterweizen von bis zu 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Massive Ernteverluste werden auch bei Mais und Raps erwartet.


www.ufz.de/duerremonitor

Dürremonitor Deutschland am 6. August 2018: Mehr als 90 Prozent der Fläche Deutschlands leiden unter extremer Dürre.
Aktuelle Informationen zur Bodenfeuchte liefert der UFZ-Dürremonitor. Die Berechnungen des Bodenfeuchteindex (SMI) erfolgen auf Basis der hydrologischen Modellierung mit mHM. Die Bodenfeuchte wird in Abhängigkeit von der Bodenart über den gesamten Bodenhorizont (im Mittel 1,80 m) und für die obersten 25 cm (siehe Karte) berechnet. Der SMI basiert auf der Bodenfeuchteverteilung über einen 65-jährigen Zeitraum seit 1951. Ein Wert von 0,3 (ungewöhnliche Trockenheit) bedeutet, dass die aktuelle Bodenfeuchte so niedrig wie in 30 Prozent der Fälle von 1951-2015 ist. Genauso bedeutet ein SMI von 0,02 (außergewöhnliche Dürre), dass der Wert nur in 2 Prozent der langjährigen Simulationswerte unterschritten wird.
www.ufz.de/duerremonitor


Modelle zum Ensemble verknüpfen

Dass es den UFZ-Forscherinnen und -Forschern gelungen ist, erstmals die Folgen des globalen Temperaturanstiegs gestaffelt nach Erwärmungsgraden und Regionen für die Fläche von 28 EU-Staaten sowie den assoziierten Staaten zu beschreiben, ist ihrem besonderen Modellansatz zu verdanken, einem sogenannten Multi-Modell-Ensemble. Es besteht aus drei Säulen: Erstens einer hochaufgelösten Simulation der hydrologischen Verhältnisse in Europa, für die die Forscher vier hydrologische Modelle (HM) verwendet haben, zweitens meteorologischen Daten aus fünf globalen Klimamodellen (GKM) für den Zeitraum 1950 bis 2099 und drittens Daten aus drei Emissionsszenarien (RCPs), die eine weite Spanne möglicher zukünftiger CO2-Reduktionen abbilden. Insgesamt ergibt sich damit ein Multi-Modell-Ensemble mit 60 Simulationen (4 HMs x 5 GKMs x 3 RCPs). "Wir haben also nicht nur ein hydrologisches Modell eingesetzt, sondern gleich vier. Das hat uns in die Lage versetzt, die statistischen Unsicherheiten zu minimieren, die jedes der eingesetzten Modelle für sich in der Regel mit sich bringt", erläutert Luis Samaniego.

Eins der vier hydrologischen Modelle, das "mesoscale hydrologic model" (mHM), wurde in Samaniegos Team am UFZ entwickelt. Das mHM basiert auf der Erkenntnis, dass großskalige Phänomene wie beispielsweise der Wasserabfluss im Einzugsgebiet eines Flusses nicht von allen kleinskaligen Eigenschaften dieses Einzugsgebietes abhängen, sondern durch Skalierungsansätze adäquat beschrieben werden können. Das mHM ist damit viel einfacher formuliert als andere Modelle und verliert trotzdem kaum an Aussagekraft. Der Quantensprung liegt darin, dass das mHM mit einer extrem guten räumlichen Auflösung von 5x5 km und hoher Präzision arbeitet, es Prognoseunsicherheiten in seine Berechnungen integriert und es praktisch auf jedes Flusseinzugsgebiet der Erde übertragbar ist. "Wir können damit die hydrologischen Verhältnisse der 430 Flusseinzugsgebiete Europas gleichzeitig simulieren, ohne das Modell für jedes Einzugsgebiet neu anpassen zu müssen, was viel Zeit kosten würde", erklärt Stephan Thober stolz.

Zehn Jahre haben die UFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler am mHM gebastelt. Sie erhielten dafür nicht nur im vergangenen Jahr den Forschungspreis des UFZ, sondern auch viele positive Rückmeldungen und Kooperationsangebote von Fachkollegen. So baut das US-amerikanische National Center for Atmospheric Research (NCAR) mHM-Mehrskalenparametrisierungen in seine Erdsystemmodelle ein, und am UFZ fließen die Simulationen in den "Dürremonitor Deutschland" ein, der tagesaktuell für Deutschland den Zustand der Bodenfeuchte anzeigt und für jeden Tag online verfügbar ist. Gemeinsam mit Kollegen der kanadischen University of Waterloo arbeitet das UFZ-Team auf der Basis von mHM derzeit an Simulationen, die sich nicht mehr nur mit der Quantität des Wassers befassen, sondern auch mit dessen Qualität.


Suche nach geeigneten Gegenmaßnahmen

Im Jahr 2015 beschloss die Weltgemeinschaft in Paris, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und sich weiter zu bemühen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ob das erreicht werden kann, bleibt angesichts des schleppenden politischen Prozesses und der weltweit weiter steigenden Emissionen fraglich. Das gilt auch für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels. Mit den Folgen einer globalen Drei-Grad-Erwärmung umzugehen, wäre in einigen Regionen Europas äußerst schwierig und würde erhebliche technologische Anpassungen erfordern. "Ausgefeiltere Methoden und mehr landwirtschaftliche Bewässerung, die Entsalzung von Meerwasser oder eine auf Dürrestress optimierte Landwirtschaft mit etwa an Trockenheit angepasstem Saatgut wären deutlich teurer", sagt Andreas Marx. Und die Möglichkeit, Grundwasser hochzupumpen, um so das Wasserdefizit wieder auszugleichen und damit für die Landwirtschaft zu nutzen, wäre zwar technisch umsetzbar, doch nicht nur kostspielig, sondern auch nicht nachhaltig. Denn die Grundwasserentnahme würde die Neubildung übersteigen und damit die Grundwasserstände absenken. Wohin eine unkontrollierte und zu sorglose Wassernutzung führen kann, zeigen warnende Beispiele. In Kalifornien wurde zwischen 2014 und 2017 der Dürre-Notfall ausgerufen, der starke Einschränkungen der Wassernutzung mit sich brachte. Und das südafrikanische Kapstadt ist nur durch plötzlichen Regen an einem extremen Wassernotstand vorbeigeschrammt, der die Stadt zu einer gravierenden Zwangsrationierung gezwungen hätte. "Der sicherste Weg ist, es erst gar nicht zu einer Drei Grad-Erwärmung kommen zu lassen", betonen deswegen Luis Samaniego, Andreas Marx und Stephan Thober.

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HOKLIM
Im BMBF-Projekt HOKLIM (Hochaufgelöste Klimaindikatoren bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad) untersuchen UFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler zwischen 2017 und 2019 biophysikalische Auswirkungen einer Klimaerwärmung von 1,5 Grad, 2 Grad und 3 Grad auf Hochwasser, Niedrigwasser und Bodendürren in Europa. Sie nutzen dafür hydrologische Modelle, Klimamodelle und Emissionsszenarien, die im EDgE-Projekt erarbeitet wurden. Die Ergebnisse fließen in einen Sonderbericht ein, den der Weltklimarat IPCC in diesem Herbst veröffentlichen wird.

www.ufz.de/hoklim

EDgE
EDgE (End Demonstrator for improved decision making in the water sector in Europe) ist ein EU-Projekt, das Klimadaten und gegenwärtige hydrologische Modelle kombiniert, um gesicherte Aussagen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Wassersektors treffen zu können. Forscher, darunter auch UFZ-Modellierer, und Stakeholder erarbeiten unter anderem sektorenspezifische Klimaindikatoren zu Hoch- und Niedrigwasser in Flüssen sowie zu Bodendürren.

edge.climate.copernicus.eu

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In Deutschland fand das Thema Dürre lange Zeit nur wenig Beachtung. Durch die Dürre 2015 und die seit diesem April anhaltende Trockenheit sowie die damit verbundenen Schäden in Land- und Forstwirtschaft ist die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit größer geworden, das zeigen auch die Klicks auf den UFZ-Dürremonitor. Allein im Juli 2018 wurde mehr als 23.000 Mal auf die Webplattform zugegriffen. Als Informationswerkzeug liefert der Dürremonitor damit schon heute einen Baustein für die Anpassung an den Klimawandel.



Dr. Stephan Thober
Dr. Luis Samaniego
Dr. Andreas Marx

Department Hydrosystemmodellierung

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Quelle:
Umwelt Perspektiven / Der UFZ-Newsletter - August 2018, Seite 4 - 11
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-450819
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2018

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