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RECHT/295: Recht bleibt Recht - Kritik an Sondergesetz für Großprojekte (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 2/2020
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

KLAGEN FÜR NATUR UND UMWELT
Recht bleibt recht

von Laura von Vittorelli


Unter dem Vorwand, bestimmte Großprojekte zu beschleunigen, höhlt die Bundesregierung ein Kernelement unseres Rechtsstaates aus.

Im Jahre 2011 klagt der BUND gegen die Weservertiefung und gewinnt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht schwere Mängel in der Planung - europäisches wie auch nationales Umweltrecht wurden nicht richtig angewandt. 2020 erlässt der Bundestag auf Initiative von Verkehrsminister Scheuer ein Gesetz, das erlaubt, bestimmte Großprojekte zukünftig per Sondergesetz zu erlassen. Es soll Bauvorhaben vor allem dadurch beschleunigen, dass es Klagen dagegen ausschließt. Darunter auch: die Weservertiefung.

BETEILIGUNG AUSGEHÖHLT
Dass politische Entscheidungen gerichtlich überprüft werden können, ist ein Kernelement des Rechtsstaates. Der BUND klagt selten, doch sind unsere Klagen überdurchschnittlich erfolgreich. Umweltrecht wird - leider - oft erst eingehalten, wenn dies kontrolliert wird. Deshalb gibt es ein Klagerecht für Umweltverbände, erweitert und abgesichert in der europäischen Aarhus-Konvention.

Das neue »Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz« ist nicht der einzige Vorstoß, um die Rechte der Zivilgesellschaft einzuschränken. Unter dem Vorwand der Beschleunigung werden die Beteiligungsrechte von Bürger*innen und Verbänden seit Jahren immer stärker ausgehöhlt. Und kürzlich beschloss das Kabinett, bis Juli ein »Investitionsbeschleunigungsgesetz« vorzulegen. Einige der darin vorgesehenen Maßnahmen sind sehr sinnvoll: etwa die Stellen für Richter*innen aufzustocken, die Öffentlichkeit besser zu beteiligen oder das Raumordnungsverfahren aufzuwerten. Anderes ist kritisch, zum Beispiel wenn die Artenschutzprüfungen standardisiert werden sollen; oder gar hochriskant, wie die Absicht, Klagefristen zu verkürzen oder den einstweiligen Rechtsschutz zu erschweren.

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Verhelfen wir der Natur zu ihrem Recht!

Wir alle wissen: Vor Gericht zu ziehen ist teuer. Doch es lohnt sich. Unsere Klagen stoppten 2018 die Rodung des Hambacher Waldes. Und dank unserem Gang vor Gericht wurde die geplante Riesenschweinemast in Haßleben nie Wirklichkeit. Jahre, oft Jahrzehnte dauern diese Verfahren. Damit uns zwischendurch nicht finanziell der Atem ausgeht, haben wir einen Rechtshilfefonds geschaffen. Mit einer Spende können Sie uns den Rücken stärken, damit wir (falls nötig) bis zur letzten Instanz streiten können. Vielen Dank! Online spenden unter:
www.spenden.bund.net/rechtshilfefonds
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RECHTSSCHUTZ GARANTIERT
Wie gute Planung und zügige Verfahren gelingen, wies der BUND in einem FünfPunkte-Plan nach. Ein Teil unserer Forderungen findet sich in den neuen Plänen des Kabinetts wieder. Jede Einschränkung des Rechtsschutzes aber bewerten wir kritisch. Klagen betreffen ja nur einen Bruchteil der Projekte. Wer den Rechtsschutz einschränkt, will wohl nicht vorrangig effektiver und schneller planen können, sondern sich offenbar die als lästig empfundenen Umweltverbände vom Hals schaffen.

Doch Grundgesetz, Europarecht und auch Völkerrecht garantieren den Rechtsschutz. Wir sind darum zuversichtlich: Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz wird nicht Bestand haben, Verkehrsminister Scheuer wird sich dafür die nächste Ohrfeige aus Karlsruhe und/oder Brüssel holen. Höchst bedenklich aber ist, wie sich der Ton von Teilen unserer Bundesregierung gegen die Zivilgesellschaft verschärft.


Juristin Laura von Vittorelli leitet die Gewässerpolitik des BUND.

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Quelle:
BUND MAGAZIN 2/2020, Seite 28
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net/bundmagazin
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2020

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