Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REPORT

INTERVIEW/129: Wolfgang Gehrcke zur Position der Linken gegen Krieg- und Rüstungspolitik (SB)


Interview am 31. August 2012 in Kassel



Am Rande einer Demonstration gegen den Export deutscher Panzer in alle Welt [1], die im Rahmen der Kasseler Aktionstagen gegen Rüstungsindustrie und Militarismus stattfand, beantwortete Wolfgang Gehrcke, Mitglied der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, dem Schattenblick einige Fragen.

Auf der Demonstration - Foto: © 2012 by Schattenblick

Wolfgang Gehrcke (zweiter von links hinter dem Transparent)
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Gehrcke, wie ist der Stand der Antikriegspolitik in der Partei Die Linke? Der Anlaß meiner Frage ist das ZDF-Sommerinterview mit Katja Kipping [2], in der sie bei der Frage nach einer möglichen Koalition für eine Regierungsbildung meiner Ansicht nach einer klaren Stellungnahme für eine kompromißlose Antikriegspolitik ausgewichen ist. Haben Sie das Interview gesehen?

Wolfgang Gehrcke: Ich habe das Interview gesehen. Also, ich kann Ihnen sagen, wie der Stand der Debatte ist und wie meine eigene Position, die sehr verbindlich ist, dazu aussieht. Die Linke wird sich an keiner Regierung beteiligen, die deutsche Soldaten ins Ausland schickt und weiterhin Rüstungsexporte genehmigt. Wir fordern, alle Soldaten zurückzuholen, die Bundeswehr Stück für Stück abzubauen, da uns keiner bedroht, und Rüstungsexporte zu verbieten.

SB: Gilt das auch für die immer wieder aufgeworfene Frage, ob man über UN-mandatierte Bundeswehreinsätze nicht im Einzelfall entscheiden sollte?

WG: Ja, denn die UNO handelt immer mehr gegen ihre eigene Verfassung. Die Charta der UNO sieht ja vor, Krieg als Mittel der Politik auszuschließen. Ein Krieg wird nicht dadurch besser, daß der Weltsicherheitsrat ja dazu gesagt hat. Am Beispiel des Libyenkrieges kann man das deutlich erkennen. Ein UNO-Mandat kann nicht dazu führen, daß Die Linke solche Entscheidungen unterstützt.

SB: Laut Umfragen sollen rund 70 Prozent der Bundesbürger gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr sein. Haben Sie den Eindruck, daß das tatsächlich eine vitale Position in der Bevölkerung ist oder geht es da eher um eine vage Bauchempfindung?

WG: Man kann darüber so oder so argumentieren. Ich bin aber froh, daß es in der deutschen Bevölkerung keine Hurrastimmung für Militäreinsätze gibt. Das war schon einmal anders und daß muß man auch bestärken. Ich weiß, daß die Argumente gegen die Bundeswehr in Afghanistan sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt auch Stimmen in der Bevölkerung, die sich einfach fragen, was sollen wir da überhaupt? Aber erst einmal ist es wichtig, daß sie nein sagen. Da ist Die Linke im Bundestag immer wieder gefordert, Argumente zu geben und deutlich zu machen, daß die Bundeswehr in Afghanistan keine Erholungsreise macht. Sie sichert politische und wirtschaftliche Interessen. Das muß man der Bevölkerung erklären. Dann kann man aus einer gefühlten Mehrheit eine politische Mehrheit machen.

SB: Haben Sie den Eindruck, daß die Linke, wenn sie zu umkämpften Fragen wie der Situation in Syrien ihre eigene Position behauptet, dafür politische Zustimmung erhalten kann? Es wurden schließlich schon Kampagnen gegen Linkspolitiker gestartet, die sich gegen eine Intervention in Syrien ausgesprochen hatten.

WG: Erst einmal ist eine solche Position moralisch gerechtfertigt, weil sie letzten Endes Menschen hilft. Syrerinnen und Syrer haben mich gebeten, nach Damaskus zu gehen, um in dieser Frage zu vermitteln. Ich bin dafür, daß man einen Waffenstillstand ansteuert, den man aber nur über einen Dialog auch mit der Regierung hinbekommt. Es gibt Oppositionelle aus Syrien, vor denen ich große Achtung habe, weil sie Demokraten sind, weil sie Sozialisten sind. Mit ihnen arbeite ich auch sehr eng zusammen. Und dann gibt es eine sogenannte Opposition, die eigentlich nur um die eigenen Pfründe kämpft. Mit denen will ich nichts zu tun haben. Die Linke wird, so weit sie es kann, vermitteln. Vor allen Dingen wollen wir im Bundestag eine bessere Positionierung Deutschlands in diesem Konflikt. Deutschland muß humanitäre Hilfe leisten und darf nicht indirekt mit bestimmten Gruppen herumkungeln, wie die Zeit nach Assad aussehen soll. Das entscheidet man nicht in Berlin, Washington, London oder Paris.

SB: An Sie als Außenpolitiker gefragt: Wie beurteilen Sie den Blockfreien-Gipfel in Teheran? Könnte er tatsächlich dazu führen, daß die Stoßrichtung auf einen Irankrieg noch aufgehalten wird?

WG: Zumindest wird der Kriegsfall dadurch schwerer. Ich war schon immer ein Freund der Blockfreien. Ich teile nicht alles, was sie sagen, aber sie sind eine wichtige politische Kraft, die sich nicht mehr so leicht einsacken läßt. Jedenfalls gibt es nach allem, was ich weiß, keinen überzeugenden Beweis dafür, daß der Iran tatsächlich an einer Atomwaffe arbeitet. Nur ein Land in der Region besitzt Atomwaffen, und das ist Israel mit über 200 Atombomben. Die Bundesregierung hat die Entscheidung getroffen, U-Boote nach Israel zu liefern, die in der Lage sind, möglicherweise auch atomar bestückte Raketen abzuschießen. Ich glaube, daß die Blockfreien in Teheran, wenn sie sich nicht wieder täuschen lassen, eine wichtige Rolle gespielt haben und in der Lage sind, einen möglichen Krieg gegen den Iran aufzuhalten.

SB: Herr Gehrcke, ich bedanke mich für das Gespräch.

Fußnoten:
[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0119.html
[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/prop1453.html

6. September 2012