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INTERVIEW/063: Mit Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei Die Linke (SB)


Interview mit Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei Die Linke, am 8. Januar 2011 auf dem Hamburger Landesparteitag in Vorbereitung der Bürgerschaftswahlen

Gesine Lötzsch - © 2011 by Schattenblick

Gesine Lötzsch
© 2011 by Schattenblick

Schattenblick: Frau Lötzsch, ist Ihnen aufgefallen, daß der Begriff des Kommunismus, der eben bei der Aussprache noch einmal erörtert wurde, in der Presse inhaltlich so gut wie gar nicht hinterfragt, sondern von vorne herein negativ bewertet wurde?

Gesine Lötzsch: Ich habe natürlich nicht alles gelesen, was die Presse geschrieben hat. Mir ist aber aufgefallen, daß es zunehmend differenzierte Kommentare und Auseinandersetzungen gibt, wo auch gerade das, was Sie angesprochen haben, thematisiert wurde. So wurde zum Beispiel geschrieben, daß man doch nicht so völlig undifferenziert und ohne zu hinterfragen einfach ein Wort ablegen könne, daß man damit meinem Beitrag unrecht tue und daß man den Beitrag zuende hätte lesen können, müssen und sollen, bevor man ihn bewertet.

SB: Sind Sie der Ansicht, daß man den Kommunismus als gänzlich diskreditiert ansehen kann, nur weil realsozialistische Systeme gescheitert sind?

GL: Seit vielen Jahrhunderten gibt es die Vorstellung von gerechten klassenlosen Gesellschaften. Ich glaube, daß eine gerechte klassenlose Gesellschaft etwas ist, das sich viele erhoffen. So führen auch viele Wege, die wir beschreiben, zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. Natürlich ist der Begriff durch Mißbrauch diskreditiert, das heißt aber nicht, daß die Frage 'Wie soll sich die Gesellschaft entwickeln?' damit erledigt ist.

SB: Wie ist es dazu gekommen, daß Sie der jungen Welt als Stimme der marxistischen Linken, der radikaleren Linken, einen Beitrag geliefert haben?

GL: Die junge Welt ist eine Tageszeitung, die auch von vielen Abgeordneten der Linken Interviews abdruckt, die auch viele Beiträge von Abgeordneten der Linken oder auch ehemaligen Abgeordneten und ehemaligen Parteivorsitzenden abdruckt. Warum sollte ich nicht mit einer Zeitung Kontakt pflegen, in der sich viele meiner Kolleginnen und Kollegen äußern? Das wäre doch, glaube ich, ein bißchen absurd.

SB: Wie würden sie das Verhältnis innerhalb der Partei Die Linke zu den marxistischen und radikaleren Mitgliedern beurteilen?

GL: Wir befinden uns gerade in der Programmdiskussion. Da haben wir natürlich die Möglichkeit, viele unserer Positionen genauer zu beschreiben und zu klären. Die entscheidende Aufgabe für eine Partei ist natürlich, die Gesellschaft zu verändern, so wie wir das ja auch beschrieben haben, sowohl im Detail in den Wahlprogrammen vor Ort, als wie wir auch versuchen, das im entsprechenden Grundsatzprogramm darzulegen. Ich kann es ja vielleicht einmal ganz zugespitzt sagen: unser Ziel ist eine Gemeinschaft der Freien und Gleichen, die in Würde und Solidarität zusammenleben. Ich glaube, das ist ein Ziel, dem sich die meisten Menschen verpflichten könnten.

SB: Wäre es für Die Linke nicht zweckmäßig, die Programmdiskussion noch etwas zu strecken, weil natürlich die Gefahr besteht, daß mit einer Festlegung auch bestimmte Wählerkreise verloren gehen?

GL: Wir haben uns jetzt zwei Jahre Zeit genommen für die Programmdiskussion, davon ist ein Jahr um. Die Menschen haben ein Recht darauf zu wissen, was wir uns jenseits von konkreten kommunal- und landespolitischen Programmen als grundsätzliche Ziele stellen. Aber richtig ist, und das ist auch ganz wichtig für mich - wir sind ja keine Partei ohne Programm, wir haben auf unserem Gründungsparteitag die programmatischen Eckwerte, die den Status eine Programms haben, beschlossen. Nun liegt der Entwurf vor und nun wird diskutiert, und ich glaube, daß es viele inhaltlich sehr gute Beiträge geben wird, die auch das Programm noch weiter bereichern werden.

SB: Frau Lötzsch, vielen Dank.

Gesine Lötzsch auf der Pressekonferenz - © 2011 by Schattenblick

Hat hier jemand "Kommunismus" gerufen?
© 2011 by Schattenblick

11. Januar 2011