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NAHOST/1646: Syrien - US-Stiefel in der Tür ... (SB)


Syrien - US-Stiefel in der Tür ...


Lediglich zwei Monate hat die Empire-Fraktion in Washington, die Barack Obama noch während seiner Zeit im Weißen Haus mit Hinweis auf die B-Movie-Bezeichnung "Blob" als übermächtiges Monstrum kritisierte, dafür gebraucht, US-Präsident Donald Trump zum Revidieren seines am 18. Dezember erteilten Befehls zu zwingen, alle amerikanischen Streitkräfte aus Syrien abzuziehen. "Zur Friedenssicherung wird eine kleine Einheit von etwa 200 Mann in Syrien für einige Zeit bleiben" - so lautete die knappe Stellungnahme von Trumps Pressesprecherin Sara Huckabee Sanders am 21. Februar. Was die peinliche Kehrtwende bedeutet? Jedenfalls bleiben die US-Streitkräfte in Syrien. Zum Umfang und zur Dauer der illegalen Militärpräsenz läßt sich nichts Eindeutiges sagen. Das liegt nun alles im Ermessensspielraum des Pentagons und seiner Wasserträger in Medien und Politik.

Trump hatte damals den Abzug aus Syrien mit der Feststellung begründet, die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) sei besiegt und die Kampfmission der GIs damit beendet. Offenbar hatte der New Yorker Baulöwe nicht verstanden, daß die Umtriebe von Abu Bakr Al Baghdadi und seinen Kalifatsanhängern in Syrien und im Irak seit 2014 lediglich den Vorwand für eine direkte Militärintervention jener NATO-Staaten boten, die bereits seit 2011 mit Hilfe diverser dschihadistischen Gruppen wie der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front das "Regime" Bashar Al Assads vergeblich zu stürzen versuchten und lediglich wegen der Waffenhilfe Rußlands und des Irans für die Syrische Arabische Armee (SAA) gescheitert waren. Nicht nur Trumps Generäle reagierten mit erbittertem Widerstand auf den Abzugsbefehl - Verteidigungsminister James Mattis hat deshalb seinen Hut genommen -, sondern auch die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie die Türkei.

Entsprechend groß war die Kritik am Vorhaben Trumps Mitte Februar auf der Sicherheitskonferenz in München. Die USA dürften ihre Truppen nicht aus dem syrischen Osten abziehen, sonst kämen die bösen Terroristen wieder; Washington dürfe nicht seine kurdischen Verbündeten von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sowie London und Paris, die mit einer unbekannten Anzahl von Spezialstreitkräften in der Region vertreten seien, im Stich lassen. So ungefähr lauteten die wichtigsten Argumente des versammelten außenpolitischen "Expertentums" des Westens im Bayrischen Hof. Die darauffolgenden Tagen waren bezüglich der Syrienfrage von hektischen Verhandlungen zwischen der Türkei und den USA, den USA und den SDF sowie letzteren mit der Regierung in Damaskus beherrscht worden. Assad beharrte auf die staatliche Einheit Syriens, lehnte die Forderung der Kurden nach Autonomie ab und machte diesen lediglich Minimalzugeständnisse. Die USA drohten ihrerseits den SDF mit der Kappung jeglicher Militärhilfe, sollten sie sich mit der syrischen Zentralregierung verständigen.

Vor diesem Hintergrund ist die jetzige Lösung für die USA ideal. Sie können im Osten Syriens weiterhin auf die SDF als inoffizielle Infanterie setzen, gleichzeitig die Rolle ihrer Schutzmacht gegenüber der Türkei spielen. Interessanterweise erfolgte die Bekanntmachung des Verbleibs der US-Streitkräfte in Syrien unmittelbar nach einem Telefonat zwischen Präsident Trump und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan. Die Staats- und Regierungschefs der beiden NATO-Staaten mit den von der Personalstärke her größten Armeen sollen sich auf die Einrichtung einer "humanitären Schutzzone" im syrischen Nordosten verständigt haben. Damit soll die Türkei vor möglichen Grenzverletzungen durch die SDF-nahe PKK geschützt werden. Gleichzeitig taucht mit diesem Vorschlag die alte Idee Hillary Clintons, einst Obamas Außenministerin, einen Teil des syrischen Staatsterritoriums mittels einer "Flugverbotszone" dauerhaft zu besetzen, um den Krieg am Leben zu halten und das "Regime" in Damaskus bis zur endgültigen Aufgabe zu zermürben, wieder aus der Versenkung auf. Bereits jetzt machen die amerikanischen und europäischen Wirtschaftssanktionen den Wiederaufbau in der befriedeten Westhälfte Syriens schwer bis unmöglich.

Lindsey Graham, der republikanische Senator aus South Carolina, der seit dem Tod John McCains die Funktion als Sprachrohr der Kriegsfalken im Washingtoner Kongreß übernommen und sich äußerst geschickt als politischer Vertrauensmann und Sachkundiger in militärischen Belangen bei Trump eingeschmeichelt hat, reagierte erfreut auf die Entscheidung des Präsidenten, doch noch amerikanische Soldaten im Rahmen einer "internationalen Stabilisierungstruppe" in Syrien zu belassen. "Die Einrichtung einer Schutzzone mit einer internationalen Streitmacht ist der beste Weg, unsere nationalen Sicherheitsziele der Eindämmung des Irans, der Gewährleistung der Niederlage von IS, des Schutzes unserer kurdischen Verbündeten sowie der Sicherung der türkischen Grenze zu realisieren", so Graham.

Zur Frage, wo genau in Syrien die US-Streitkräfte "bleiben" werden, gibt es bisher keine Antworten. Nach den Verlautbarungen, die durchgesickert sind, will das Pentagon sowohl einige seiner rund 30 Stützpunkte im syrischen Nordosten als auch die südlicher gelegene Basis bei Al Tanf, die strategisch optimal am Länderdreieck Syrien-Irak-Jordanien sowie an der wichtigsten Straßenverbindung zwischen Damaskus und Bagdad liegt, weiterhin in Betrieb halten. Ein solch ambitioniertes Vorhaben dürfte mit "200 Mann" kaum zu realisieren sein. Hinzu kommt, daß die Anwesenheit westlicher Streitkräfte in Syrien mit Sicherheit den "terroristischen" Nährboden fruchtbar halten wird, statt ihn auszutrocknen. Bis auf einen Teil der Kurden wollen die allermeisten Syrer - übrigens auch die allermeisten Iraker -, daß die Amerikaner ihre Zelte abbrechen und endlich nach Hause gehen. Doch der fromme Wunsch der einfachen Menschen im Nahen Osten nach Frieden und Sicherheit im eigenen Land muß aus der Sicht Washingtons offenbar an zweite Stelle hinter dem Drang der USA nach regionaler und globaler Hegemonie zurücktreten.

22. Februar 2019


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