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NAHOST/1576: Jemen - die Masken fallen ... (SB)


Jemen - die Masken fallen ...


Im Jemen wird nach wie vor erbittert gekämpft. An der Westküste versuchen die Truppen von Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi, unterstützt von südlichen Separatisten und den Streitkräften der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), zur Hafenstadt Hodeida vorzurücken, um die wichtigste Verbindung des von den schiitischen Huthis kontrollierten Nordjemen zur Außenwelt zu kappen. Um die Stadt Taiz, die zwischen der von den Huthis nach wie vor besetzten Hauptstadt Sanaa im Norden und der von den Emiratern und ihren einheimischen Verbündeten beherrschten Hafenmetropole Aden liegt, dauert seit Monaten ein Stellungskrieg an. Im südöstlichen, ölreichen Gouvernement Hadraumaut führen die VAE-Streitkräfte aktuell eine blutige Großoffensive namens "Al Faisal" gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel durch.

Die bedeutendeste Entwicklung im Jemenkrieg ist der Entschluß Pakistans zur Entsendung von 1000 Militärs nach Saudi-Arabien. Die Entscheidung hat im pakistanischen Parlament für Furore gesorgt. Schließlich haben die Politiker in Islamabad im Frühjahr 2015 mit großer Mehrheit die Bitte Saudi-Arabiens nach Beteiligung der pakistanischen Streitkräfte an der Anti-Huthi-Intervention mehrerer mehrheitlich sunnitischer Staaten im Jemen aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten der eigenen schiitischen Minderheit sowie des großen Nachbarn Iran ausgeschlagen. Die umstrittene Truppenverlegung wurde bei einem Treffen am 15. Februar im pakistanischen Armeehauptquartier in Rawalpindi zwischen Generalstabschef Qamar Javed Bajwa und dem saudischen Botschafter Nawaf Said Al Maliki beschlossen.

Pakistans Parlamentarier, die von diesem Schritt aus einer kurzen PR-Mitteilung des mächtigen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) erfuhren, fühlen sich übergangen und sind mächtig verärgert. Die nebulösen Erklärungsversuche von Verteidigungsminister Khurram Dastigir vor dem Senat am 20. Februar haben die Gemüter in der Legislative nicht beruhigen können. Dastigir behauptete, es handele sich lediglich um eine Ausbildungs- und Beratungsmission; Pakistans Soldaten würden keinen Fuß in den Jemen setzen. Verdächtig war dennoch die Angabe Dastigirs, die pakistanischen Militärs, die nach Saudi-Arabien entsandt werden, würden ihre Gastgeber unter anderem in Gebirgs- und Antiterrorkampf unterweisen.

Beim Auftritt Dastigirs erfuhren die Senatoren und die breite Öffentlichkeit Pakistans offiziell, daß ihr Land bereits 1600 Soldaten in Saudi-Arabien stationiert hat. Diese sind hauptsächlich mit der Sicherheit in den heiligen Städten Mekka und Medina sowie der königlichen Familie befaßt. Alle Beobachter gehen davon aus, daß die Entsendung weiterer 1000 Mann dem Schutz von König Salman und Kronprinz Mohammed dient. Der 32jährige Lieblingssohn Salmans hat sich im vergangenen Jahr durch den raschen Aufstieg zum designierten Thronfolger, die Demontage mehrerer potentieller Rivalen und die vorübergehende Inhaftierung der reichsten Männer des Landes unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung eine Menge Feinde gemacht. Mohammed ist auch Verteidigungsminister. In dieser Funktion hatte er im März 2015 den Jemenkrieg vom Zaun gebrochen.

Den Gerüchten aus Riad zufolge wollen Salman und Mohammed Saudi-Arabien aus dem Krieg im Armenhaus wieder abziehen, denn mit Luftangriffen allein können die saudischen Streitkräfte die Huthis nicht in die Knie zwingen und sind gleichzeitig entweder nicht in der Lage oder gewillt, sich auf einen größeren Bodenkrieg einzulassen. Daher die Vermutung, daß die pakistanischen Militärs neben der Bewachung von Mohammed und seinem Klüngel den saudischen Streitkräften bei der Sicherung der Südwestgrenze zu Nordjemen behilflich sein sollen. Dort kommt es immer wieder zu Scharmützeln. Gelegentlich feuern die Huthis von dort aus Raketen auf Ziele in Saudi-Arabien. In Riad macht man sich wegen der Gefahr eines Vorstoßes der Huthis in die südsaudische Provinz Nadschran Sorgen. Mohammed hat Anfang Februar General Bajwa in der saudischen Hauptstadt empfangen. Vermutlich bei dieser Gelegenheit sind die Würfel für die verstärkte Militärpräsenz Pakistans in Saudi-Arabien gefallen.

Doch während die Saudis dabei sind, den Kriegseinsatz im Jemen zu reduzieren, sieht es bei den Emiratern ganz anders aus. Noch im Januar haben südliche Separatisten mit der demonstrativen Unterstützung von VAE-Kampfjets alle wichtigen Militärinstallationen im Jemen aus den Händen von Hadis Präsidialgarde gerissen. Bei den Kämpfen unter den Verbündeten kamen mehr als 36 Menschen ums Leben. Hadi, der sich seit längerem auf Betreiben Abu Dhabis in Riad quasi unter Hausarrest befindet, hat nur noch auf dem Papier etwas im Jemen zu melden. In Aden und Umgebung sind in den zweieinhalb Jahren Dutzende von Politikern oder Geistlichen, die sich für Hadi und gegen die emiratischen Besatzer aussprachen, von unbekannten Scharfschützen ermordet worden. Das jüngste Opfer, Schauki Kamadi, ein Prediger und führendes Mitglied der Islah-Partei - des jemenitischen Ablegers der Moslembruderschaft - wurde am 13. Februar vor dem Eingang der Al-Thwar-Moschee durch aus der Entfernung abgegebene Schüsse eines unbekannten Attentäters tödlich getroffen. Auf Facebook hat die Bürgerrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin von 2011 Tawakkol Karman, die in Aden lebt, die VAE bezichtigt, mit der Mordserie Kritiker ausschalten und den Süden Jemens zu einem "Vasallenstaat" machen zu wollen.

Spätestens seit vergangenem Jahr bauen die Emirater mit Militärstützpunkten und Hotels die zu Jemen gehörende Insel Sokotra, die am Horn von Afrika vor der Einfahrt zum Roten Meer liegt, zu einer eigenen Kolonie aus. Gleichzeitig pflegen die VAE zu Eritrea enge Beziehungen. Gegen größere Geldsummen aus Abu Dhabi an die Militärdiktatur in Asmara kämpft eine unbekannte Anzahl eritreischer Soldaten im Jemenkrieg gegen die Huthis. Wie Jakob Reimann am 18. Februar in einem ausführlichen Beitrag über die strategischen Pläne der VAE schilderte, ist das Sparta der arabischen Welt über den Jemen-Konflikt, den Streit mit Katar sowie die Einmischung in das Chaos Libyens der Post-Gaddhafi-Ära auf dem besten Weg, sich zu einer "globalen Energiesupermacht" aufzuschwingen. Die Kosten dieses Aufstiegs tragen Millionen einfacher Jemeniten, die wegen der Machtallüren des Al-Nayhan-Klans hungern und miterleben müssen, wie ihr Land von einem Armen- in ein Schlachthaus verwandelt wird.

22. Februar 2018


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