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NAHOST/1559: Trump-Regierung nimmt Iran und Hisb Allah aufs Korn (SB)


Trump-Regierung nimmt Iran und Hisb Allah aufs Korn

Netanjahu schürt die Konfrontation zwischen Washington und Teheran


Wenn später am heutigen Tag US-Präsident Donald Trump seine Iran-Politik vorstellt, dann ist die Zeit der Entspannung zwischen Washington und Teheran nach nur etwas mehr als 24 Monaten vorbei. In langwierigen Verhandlungen hatten Mitte 2015 die Außenminister Barack Obamas und Hasan Rohanis sowie Chinas, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands jenen Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) unterzeichnet, der dem Iran die friedliche Nutzung der Kernenergie garantieren, gleichzeitig einen Mißbrauch derselben zu militärischen Zwecken ausschließen sollte. Die zionistische Lobby Amerikas, angefeuert vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, hat damals ihre schwerste Niederlage erlitten, als es ihr überraschend nicht gelang, die Ratifizierung des JCPOA durch den Kongreß in Washington zu blockieren. Seitdem haben diese Kräfte Erde und Himmel in Bewegung gesetzt, um die Konfrontation zwischen den USA und dem Iran, wie sie seit dem Sturz des Schahs 1979 bis vor zwei Jahren herrschte, zu reaktivieren. Die Abkehr Trumps vom JCPOA, die das Ergebnis der unermüdlichen Arbeit der rechtskonservativen Regierung in Israel und deren Helfershelfer in den USA ist, stellt nicht nur eine Absage an jede Hoffnung einer Normalisierung der amerikanisch-israelischen Beziehungen dar, sondern läßt die Gefahr eines großen Kriegs am Persischen Golf erheblich ansteigen.

Entgegen vormaliger Befürchtungen wird Trump die iranische Revolutionsgarden nicht zu einer "terroristischen Organisation" deklarieren. Gleichwohl wird der einstige New Yorker Baumagnat behaupten, der Iran hätte durch Raketentests und eine "Destabilisierung" des Nahen Ostens gegen den "Geist" des Atomabkommens verstoßen und damit den Weg für neue Sanktionen, gar eine Aufkündigung des Atomabkommens durch den Kongreß, wo infolge der Wahlen im vergangenen November die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern innehaben, freigemacht. Die "Umtriebe", die Washington dem Iran zur Last legt, sind hauptsächlich die Hilfe, mit der Teheran den gewaltsamen Sturz des "Regimes" Baschar Al Assads in Syrien durch sunnitische Dschihadisten verhindert hat, sowie die fortgesetzte Militärallianz mit der schiitischen Hisb-Allah-Miliz im Libanon. Es kommen dazu angebliche Waffenlieferungen Teherans für die Huthi-Rebellen im Jemen sowie die diplomatische Rückendeckung für Katar im Streit mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, doch sind letztere Vorwürfe von geringerer Bedeutung, tangieren derlei Aktivitäten kaum oder gar nicht die Sicherheit Israels.

Über den sich abzeichnenden Sieg der Syrischen Arabischen Armee (SAA), der russischen Luftwaffe, iranischer Militärberater und der Hisb-Allah-Miliz gegen die "terroristischen" Formationen wie der Al-Nusra-Front und des Islamischen Staats (IS) in Syrien ist die Netanjahu-Regierung alles andere als glücklich. Seit Beginn des Konflikts in Syrien 2011 hat die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben dort mehr als 100 Einsätze geflogen. Offiziell ging es stets um die Verhinderung iranischer Raketenlieferungen an die Hisb-Allah-Miliz, doch dabei soll es auch zu Fällen taktischer Luftunterstützung für die Rebellen gekommen sein. Des weiteren wurden regelmäßig verletzte syrische Rebellen in Feldlazaretten in dem von Israel besetzten Teil der Golanhöhen medizinisch verpflegt. Die UN-Blauhelmtruppe auf dem Golanhöhen hat auch immer wieder Episoden registriert, bei denen die syrischen Aufständischen schwere Kisten - vermutlich voller Waffen und Munition - von der israelischen Armee erhielten

Seit Monaten - zuletzt beim Auftritt vor der UN-Generalversammlung Mitte September - warnt Netanjahu, daß Israel niemals eine dauerhafte Militärpräsenz des Irans in Syrien hinnehmen wird. Um dies zu unterstreichen, haben die israelischen Streitkräfte im vergangenen Monat nahe der Golanhöhen und der Grenze zum Libanon ihr umfangreichstes Militärmanöver seit 20 Jahren durchgeführt. Parallel dazu haben die USA ihren ersten offiziellen Stützpunkt auf israelischen Boden - eine gemeinsame Raketenbasis - in Betrieb genommen. Seit dem Libanonkrieg 2006 bauen die Israelis kontinuierlich ihr mehrfach gestaffeltes Raketenabwehrsystem aus. Ob dieses in der Lage sein wird, den Raketenhagel, den Hisb-Allah-Chef Hasan Nasrallah für den Kriegsfall angekündigt hat, aufzuhalten, ist zweifelhaft.

In den letzten elf Jahren soll sich die Hisb-Allah-Miliz ein umfangreiches Raketenarsenal angelegt haben. Wie Franklin Lamb, der schon länger in Damaskus lebt, am 29. September in einem Artikel für Counterpunch berichtete, bereitet sich die schiitische Untergrundarmee darauf vor, im Krieg mit Israel täglich 2000 Raketen abfeuern zu können. Nach Angaben eines Hisb-Allah-Offiziers, mit der Lamb gesprochen hat, planen Nasrallahs Männer allein in der ersten Stunde nach Kriegsausbruch 4000 Raketen vom Bekaatal und Südlibanon aus Richtung Israel abzufeuern. Das wären mehr als im letzten 34tägigen Libanonkrieg insgesamt. Damals waren es nur 3900 Stück. Laut Lamb besteht das Arsenal der Hisb-Allah-Miliz größtenteils aus Katjuscha-Raketen, deren Reichweite bei 40 Kilometer liegt. Doch die schiitische Milizenarmee verfügt inzwischen angeblich auch über eine unbekannte Anzahl von iranischen Fajr-3- und -5-Raketen mit einer Reichweite von 50 bis 70 Kilometer, syrischen Khaybar-1-Raketen (100 Kilometer), iranischen Zelzal-3 (250 Kilometer) und Scud-B/C/D-Raketen (300-700 Kilometer).

Es steht also zu befürchten, daß Trump durch die Einnahme einer provokante Vorwurfshaltung gegenüber dem Iran die Lunte für einen Krieg zwischen Israel und der Hisb-Allah-Miliz legt, der sich rasch ausweitet und nicht auf diese beiden Kontrahenten beschränkt bleibt. Dies käme unverbesserlichen Militaristen in den USA gelegen. US-Marines, darunter auch der jetzige Verteidigungsminister, General a. D. James "Mad Dog" Mattis, haben mit der Hisb Allah wegen des Lastwagenbombenanschlags, der 1982 in Beirut 241US-Marineinfanteristen tötete, eine Rechnung offen. Darum hat 2002 der Ex-Marine und Vietnamkriegsveteran Richard Armitage, damals Stellvertretender Außenminister der USA an der Seite Colin Powells, ungeachtet der verheerenden, laut offizieller Theorie von Al Kaida durchgeführten Flugzeuganschläge von 11. September 2001 mit mehr als 3000 Toten behauptet, die Hisb-Allah-Miliz sei aus Sicht Washingtons nach wie vor das "A-Team des internationalen Terrorismus".

Es dürfte kein Zufall sein, daß Nicholas Rasmussen, Leiter des National Counterterrorism Center (NCTC) in Washington, auf einer Pressekonferenz am 10. Oktober eine innere Bedrohung der USA durch die Hisb-Allah-Miliz beschworen hat. "Wir kommen zu der Einschätzung, daß Hezbollah entschlossen ist, sich als Teil ihrer terroristischen Planung eine potentielle Option im Homeland [gemeint sind die USA - Anm. d. SB-Red.] zu verschaffen", so Rasmussen, der bei dieser Gelegenheit eine Belohnung in Millionenhöhe für Informationen, die zur Verhaftung zweier ranghohen Hisb-Allah-Mitglieder führen, in Aussicht stellte. Bei den Betroffenen handelt es sich um Talal Hamiyah, einst rechte Hand des Hisb-Allah-Geheimdienstchefs Imad Mughniyah, der 2008 vom Mossad per Bombe getötet wurde, und Fu'ad Shukr, dem eine Verwicklung in den bereits erwähnten Anschlag auf die US-Marines in Beirut vorgeworfen wird.

Bereits am 2. Oktober hatte auf dem Kapitol in Washington die einflußreiche neokonservative Denkfabrik Foundation for the Defense of the Democracies (FDD) eine Anhörung abgehalten, auf der unter anderem Ed Royce, der republikanische Vorsitzende im außenpolitischen Ausschuß des Senats aus Kalifornien, und sein demokratischer Senatskollege Eliot Engel aus New York die von Hisb Allah und dem Iran ausgehende Bedrohung in grellsten Farben ausmalten. Engel behauptete zu wissen, daß der Iran "der führende staatliche Förderer des Terrorismus weltweit" sei. Mit besorgter Miene hörten die beiden Politiker aufmerksam zu, wie Derek Maltz, der frühere Chef der Abteilung für Sonderoperationen bei der Drogenbekämpfungsbehörde DEA, behauptete, die Hisb Allah betreibe im Auftrag des "Mullah-Regimes" in Teheran ein "großes, weltweites Drogenkartell", in dessen Mittelpunkt Venezuela stehe. Die Handlanger Nasrallahs, Rohanis und Ali Khameneis hätten aus dem sozialistischen Karibikstaat ein "Kommando- und Operationszentrum für die weltweite Verschiffung von Kokain" gemacht. Wie anhand derlei hysterischer und abstruser Formulierungen unschwer zu erkennen ist, nimmt die Propagandakampagne gegen Hisb Allah und den Iran allmählich Fahrt auf. Bis zum heißen Krieg dürfte es nicht allzu lange dauern.

13. Oktober 2017


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