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NAHOST/1556: Im Jemen läßt der Krieg den Organhandel blühen (SB)


Im Jemen läßt der Krieg den Organhandel blühen

Lage im Armenhaus Arabiens treibt die Menschen in die Verzweiflung


Im Jemen ist kein Ende der humanitären Katastrophe in Sicht. Am Rande der UN-Generalversammlung in New York erklärte am 24. September der gestürzte Interimspräsident Abd Rabbu Mansur Hadi, für das Scheitern der bisherigen Friedensgespräche sei die "Unnachgiebigkeit" der pro-iranischen schiitischen Huthi-Rebellen und deren Verbündeten, Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, dem weite Teile der jemenitischen Streitkräfte bis heute treu geblieben sind, verantwortlich. Nur eine "militärische Lösung" könne die politische Krise beseitigen, so Hadi, der über wenig Rückhalt in der jemenitischen Bevölkerung verfügt und dessen Streben nach der Rückkehr an die Macht in Sanaa deshalb hauptsächlich von den Streitkräften Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate unterstützt wird.

Am 29. September warnte Alexandre Faite, Leiterin der Hilfsoperation des Internationalen Roten Kreuzes im Jemen, daß die Anzahl der Cholera-Erkrankten, die inzwischen bei mehr als 750.000 liegt, bis zum Ende des Jahres mehr als eine Million betragen könnte. Wesentliche Ursachen der schlimmsten Cholera-Epidemie seit Beginn der statistischen Erfassung sind die Blockade der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz des Flughafens von Sanaa und der wichtigsten Seehäfen am Roten Meer sowie die Luftangriffe, mittels derer die Piloten Riads und Abu Dhabis in den vergangenen zweieinhalb Jahren weite Teile der zivilen Infrastruktur, darunter Wasserwerke und Kläranlagen, zerbombt und zerstört haben.

Der Vorwurf des Kriegsverbrechens bis hin zum Völkermord schwebt schon länger über der gesamten ausländischen Militärintervention im Jemen. Darum sah sich letzte Woche der UN-Menschenrechtsrat gezwungen, eine dreiköpfige Erkundungsdelegation in das kriegsgeplagte Land zu schicken. In Großbritannien verlangt inzwischen eine Künstlerinitiative, zu der der Schauspieler Ian McEwan und die Popgruppe Coldplay gehören, wegen der Lage im Jemen ein Waffenexportverbot für Saudi-Arabien. Im US-Kongreß hat die Tötung von 16 Zivilisten, darunter elf Kinder, durch eine amerikanische Bombe, die am 25. August auf einen Wohnblock in Sanaa von einer saudischen Maschine abgeworfen wurde, eine ähnliche Debatte ausgelöst.

Noch im Juni hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) eine aufsehenerregende Studie veröffentlicht, in der es hieß, die VAE-Truppen betrieben in den von ihnen kontrollierten Gebieten im Süden und Osten des Jemens ein Netzwerk an geheimen Gefängnissen, wo Menschen gefoltert und ermordet würden. Die öffentliche Bloßstellung durch HRW scheint den grausamen Umtrieben keinerlei Einhalt geboten zu haben. Am 29. September hat das arabische Nachrichtenportal Thenewkhalij.org Bilder der geschundenen Leiche eines Mannes namens Ahmed Dubba veröffentlicht, von dem es hieß, er sei im Gefängnis Khanfar im Südwesten des Jemens von VAE-Militärangehörigen zu Tode malträtiert worden.

Die VAE, die sich als Sparta Arabiens verstehen, stützen sich ihrerseits im Jemen auf die Hilfe Sudans. Wie The Intercept am 25. September berichtete, kämpfen im Jemen bereits 1000 sudanische Soldaten für das Anliegen Riads und Abu Dhabis. Weitere 6000 sollen demnächst entsandt werden. Dafür bekommt die Regierung in Khartum milliardenschwere Kredite von den Saudis und den Emiratern zur Verfügung gestellt. Den Preis bezahlen die einfachen Soldaten. Nach Angaben des arabisch-sprachigen Portals der russischen Nachrichtenagentur Sputnik sind seit März 2015 421 sudanische Militärangehörige im Jemen gefallen.

Nach Berichten des Kinderhilfwerks der Vereinten Nationen sind inzwischen rund 80 Prozent der 28 Millionen Jemeniten dringend auf humanitäre Hilfslieferungen angewiesen. Die Wirtschaft ist wegen fehlenden Stroms quasi zum Erliegen gekommen. Das Gesundheitssystem liegt unter anderem wegen fehlender Medikamente am Boden. Aus purer Verzweiflung sowie um sich selbst und ihre Familien kurz- bis mittelfristig über die Runden zu bringen, entscheiden sich immer mehr junge Männer im Jemen, ihre Organe zu verkaufen. Über das Phänomen berichtete bereits am 15. September der arabische Nachrichtensender Al Jazeera unter der Überschrift "Desperate Yemenis sell organs to survive". Eine genaue Zahl über die nicht ganz freiwilligen Organspenden ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge könnten es 5000 Fälle sein.

Nach Angaben der Yemen Organisation for Combating Human Trafficking finden 90 Prozent der Transplantationen in Krankenhäusern in Ägypten statt. Dort bekommen die Spender zwischen 5000 und 10.000 US-Dollar zum Ausgleich. Ihre Nieren werden wiederum an Empfänger aus den reichen arabischen Golfstaaten bzw. aus Europa für bis zu 100.000 Dollar weiterverkauft. In einem Bericht über den regen Organhandel im Jemen hieß es am 30. September in der Onlinezeitung Middle East Eye, die meisten Spender hätten das erhaltene Geld spätestens nach fünf Monaten ausgeben; 73 Prozent von ihnen könnten infolge des medizinischen Eingriffs keine Arbeit mehr verrichten, die einen halbwegs schweren körperlichen Einsatz erfordere.

2. Oktober 2017


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