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NAHOST/1447: Saudi-Arabiens Krieg im Jemen geht ins zweite Jahr (SB)


Saudi-Arabiens Krieg im Jemen geht ins zweite Jahr

Feuerpause und Friedensverhandlungen sollen die Krise beenden


Am 26. März jährte sich die Militärintervention Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten im Jemen. Aus Operation Entscheidender Sturm, mit der der neue saudische König Salman der Welt seine Macht demonstrieren und die Position seines Sohns, des 30jährigen Verteidigungsministers und Kronprinzen Mohammed, als designiertem Nachfolger sichern wollte, ist ein verlustreicher Zermürbungskrieg geworden, der im Armenhaus der arabischen Halbinsel eine humanitäre Katastrophe ausgelöst hat. In weiten Teilen des Jemens herrscht aufgrund der Seeblockade der von Saudi-Arabien angeführten Allianz eine schwere Hungersnot. Nach Angaben von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, sind 80 Prozent der 21 Millionen Jemeniten auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Offizieller Zweck der Militärintervention Riads ist die Wiedereinsetzung des jemenitischen Interimspräsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi, der letztes Jahr von schiitischen Huthi-Rebellen abgesetzt worden war und sich daraufhin an Riad um Hilfe gewandt hatte. Die Huthis, die Hadi vorwerfen, dringende politische Reformen blockiert zu haben, haben sich ihrerseits mit jenen Teilen der jemenitischen Streitkräfte, allen voran der Republikanischen Garde, verbündet, die nach wie vor dem 2012 zurückgetretenen, langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh und seinem Klan die Treue halten. Seit der erfolgreichen Einnahme der am Indischen Ozean liegenden Hafenstadt Aden im letzten Frühsommer kontrollieren die Anhänger Hadis, die Interventionstruppen und südlichen Separatisten den Süden des Jemens, während die Huthis und die Saleh-Anhänger im Norden einschließlich der Hauptstadt Sanaa herrschen. Seit Monaten wird erbittert um die Stadt Taiz, die etwa auf halber Strecke zwischen Aden und Sanaa liegt, gekämpft.

Wegen der militärischen Pattsituation haben sich beide Seiten nach getrennten Gesprächen mit dem mauretanischen UN-Sondergesandten Ismail Ould Cheikh Ahmed am 23. März zu Friedensverhandlungen bereit erklärt. Diese sollten am 18. April in Kuwait beginnen. Zuvor soll bereits am 10. April eine Feuerpause in Kraft treten. Nichtsdestotrotz geben sich die Gegner Hadis weiterhin kampfbereit und selbstbewußt. Zum Jahrestag des Beginns von Operation Entscheidender Sturm am 26. März haben im Zentrum von Sanaa fast eine Million Menschen gegen den Einmarsch ausländischer Truppen und die Dauerangriffe der Luftwaffe Saudi-Arabiens und der anderen sunnitischen Autokratien am Persischen Golf demonstriert.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit langem hielt Ex-Präsident Saleh vor der jubelnden Menge eine kurze Rede, in der er für direkte Verhandlungen mit Saudi-Arabien eintrat, weil Hadi angeblich unabhängig von Riad keine Entscheidungen treffen kann. Am Abend zuvor hatte der Chef der schiitischen Ansurullah-Bewegung, Abdel Malik Al Huthi, in einer Fernsehrede die Familie Saud als "Tyrannei" bezeichnet, die Völkermord im Jemen begehe und weite Teile der Infrastruktur des Landes zerstöre. Al Huthi äußerte die Hoffnung, daß es demnächst in Kuwait zu einer Beilegung des Konflikts kommen wird, ermahnte seine Anhänger gleichzeitig, darauf vorbereitet zu sein, weiterhin gegen die ausländischen Aggressoren kämpfen zu müssen. Am 29. März ist es im Zuge der geplanten Deeskalation zu einem ersten größeren Austausch von Gefangenen gekommen. Die Huthis und die Hadi-Anhänger haben neun saudische Kriegsgefangene respektive 109 Rebellen freigelassen.

Dessen ungeachtet reißen die Kämpfe im Jemen nicht ab. Am 30. März meldeten die Sicherheitskräfte aus Aden, man habe mit Waffengewalt jene "Terroristen" von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP), die sich vor Monaten in dem Stadtviertel Al Mansura festgesetzt hätten, vertrieben. Mit stillem Einverständnis der Saudis hatte die AQAP bereits im letzten Sommer die Kontrolle über die Hafenstadt Al Mukallah und weitere Landstriche entlang der Südküste des Jemens übernommen. Wegen dieser Entwicklung sehen sich die USA nach eigenen Angaben immer wieder genötigt, Raketenangriffe auf AQAP-Stellungen in der Region durchzuführen. Bei einer solchen Operation in Zinsibar, Hauptstadt der Provinz Abyan, wurden am 27. März mindestens 14 Menschen getötet. Eine Woche zuvor waren mehr als 50 Menschen bei einem Raketenangriff der USA auf ein Lager der AQAP in den Bergen nördlich von Al Mukallah ums Leben gekommen.

Währenddessen ist ein Versuch der Saudis, noch vor dem Inkrafttreten der Feuerpause wichtige Geländegewinne zu erzielen, gescheitert. Ein Vorstoß der saudischen Armee vom Norden her entlang der Küste des Roten Meeres, um die jemenitische Hafenstadt Midi einzunehmen, ist auf erbitterten Widerstand der Huthis und der salehtreuen Truppen gestoßen. Bei den zweitägigen Kämpfen am 29. und am 30. März im äußersten Nordwesten des Jemens sind mindestens 45 Soldaten aus Saudi-Arabien und den anderen arabischen Golfstaaten gefallen. Die Huthi-Saleh-Allianz hatte lediglich 15 Getötete zu verzeichnen. Bedenkt man den gewaltigen Vorteil, den die Saudis im Vergleich zu den Huthis in Sachen Kriegsgerät vorweisen können, ist das keine militärische Glanzleistung, was Salmans königliche Truppen im Jemen hinlegen.

2. April 2016


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