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NAHOST/1395: Im Jemen dient Al Kaida Saudi-Arabien als Infanterie (SB)


Im Jemen dient Al Kaida Saudi-Arabien als Infanterie

Al-Kaida-Hochburg Al Mukalla von der Hafenblockade Riads ausgenommen


Im Jemen halten die Luftangriffe einer von Saudi-Arabien angeführten Koalition sunnitischer Staaten gegen die schiitischen Huthi-Rebellen mehr als fünf Wochen an. Einem Bericht der jemenitischen Nicht-Regierungsorganisation Freedom House Foundation zufolge waren zwischen dem 26. März, dem Beginn von Operation Entscheidender Sturm, und dem 25. April 3512 Menschen, darunter 492 Kinder und 209 Frauen, gewaltsam ums Leben gekommen. Freedom House gab die Zahl der Verletzten mit 6189, darunter 978 Kinder und 713 Frauen, an. Darüber hinaus sollen bei den Luftangriffen 4898 Wohnhäuser und 857 öffentliche Gebäude, darunter auch militärische Einrichtungen, entweder zerstört oder schwer beschädigt worden sein.

Am 30. April hat UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon den Konfliktparteien vorgeworfen, durch Angriffe auf zivile Ziele gegen das internationale humanitäre Völkerrecht zu verstoßen. Nach Angaben Bans sind wegen der anhaltenden Kämpfe mehr als 300.000 Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden. Laut Ban stehen die Gesundheits-, Wasser-, Abwasser- und Telekommunikationssysteme des Jemens vor dem Kollaps, während extreme Knappheit an Medikamenten, Lebensmitteln und Treibstoff herrscht. Für letzteren Umstand sind hauptsächlich die Saudis und ihre Verbündeten verantwortlich, deren Kriegsschiffe die Häfen des Jemens blockieren und deren Kampfjets am 28. April mit Bomben und Raketen die Start- und Landebahn am Flughafen der Hauptstadt Sanaa unbenutzbar - auch für internationale Hilfslieferungen - machten.

Doch in einer Stadt im Jemen herrscht keine humanitäre Krise. Bezeichnenderweise handelt es dabei um die Hafenstadt Mukalla im Osten des Jemens, die Mitte April von Kämpfern der Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) samt Flughafen, Waffendepot und Ölverladeterminal erobert wurde. Am 1. Mai berichtete der Korrespondent Kareem Fahim aus Al Mukalla, Hauptstadt der Provinz Hadramaut, für die New York Times folgendes:

Obwohl Treibstoff knapp ist, hat es keine Schlangen bei den Bäckereien gegeben und die Läden sind mit Lebensmitteln gut gefüllt, sagte Faris bin Hilabi, ein örtlicher Geschäftsmann. Milchprodukte treffen auf dem Landweg aus Oman ein, während andere Grundnahrungsmittel aus Saudi-Arabien kommen, erklärte Hilabi. Die Koalitionsbehörden haben mindestens ein Schiff mit einer Ladung Zucker im Hafen anlegen lassen, während ein Schiff voller Weizen aus der Ukraine auf dem Weg sein soll.

Der Seehandel in Al Kaidas neuem Mini-Emirat in Al Mukalla scheint die US-Kriegsmarine offenbar nicht zu stören. Deren umfangreiche, vom Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt angeführte Flotte vor der Küste des Jemens ist Medienberichten zufolge ganz damit beschäftigt, die Kriegsschiffe des Irans unter Beobachtung zu halten und für den freien Verkehr durch die Meerenge Bab Al-Mandab zwischen Indischem Ozean und Rotem Meer zu sorgen. Währenddessen haben die Saudis bereits begonnen, sunnitische Stammeskrieger für den Dschihad gegen die Huthis ausbilden und auszurüsten. Um an diesem Programm teilnehmen zu können, haben sich die Al-Kaida-Anhänger in Mukalla und anderswo in "Volkskomitees" umbenannt. Am 29. April berichtete die russische Nachrichtenagentur Sputnik, 300 in Saudi-Arabien militärisch ausgebildete Jemeniten seien in den letzten Tagen in ihr Heimatland zurückgekehrt, um gegen die Huthis zu kämpfen. Gegenüber Sputnik meinte der US-Menschenrechtler Ajamu Baraka, von der Destabilisierung des Jemens würden hauptsächlich reaktionäre, salafistische Kräfte, allen voran Al Kaida, profitieren.

Den Saudis, deren autoritäre Monarchie als reaktionär und salafistisch gilt, dürfte das recht sein. Seit mehr als 30 Jahren, zuerst in Afghanistan, später in Bosnien, Tschetschenien, Irak und Syrien, hat Saudi-Arabien die eigenen politisch Unzufriedenen wie Osama Bin Laden ins Ausland exportiert, um die Herrschaft der Königsfamilie in Riad zu sichern. Das jetzige Militärabenteuer im Jemen, das nur ein weiteres Beispiel dieses Phänomens ist, steht im Zeichen einer Neuregelung der Thronfolge im Hause Saud. Am 23. Januar war Kronprinz Salman nach dem Tod seines Bruders Abdullah König geworden. Am 29. April hat der 79jährige Salman den bisherigen Kronprinzen, den 69jährigen ehemaligen Geheimdienstchef Prinz Mukrin, entlassen und durch seinen 55jährigen Neffen, Innenminister Prinz Mohammed bin Nayef, ersetzt. Der neue saudische König hat gleichzeitig seinen gerade einmal 30 Jahre alten Sohn Prinz Mohammad Bin Salman zum Stellvertretenden Kronprinzen und damit zum zweiten und eigentlichen Nachfolger ernannt. Als amtierender Verteidigungsminister Saudi-Arabiens verdient Prinz Mohammed mit der Zerstörung des Jemens gerade seine Sporen.

2. Mai 2015


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