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NAHOST/1159: Syriens Präsident Assad bietet dem Westen die Stirn (SB)


Syriens Präsident bietet dem Westen die Stirn

Wehrhaftigkeit des syrischen "Regimes" sorgt im Westen für Hysterie



Die Einseitigkeit des Medienechos in Deutschland auf das Interview, das der Publizist Jürgen Todenhöfer am 6. Juli in Damaskus mit Syriens Präsident Bashar Al Assad führte und das am Abend des 8. Juli "exklusiv" in der ARD-Sendung Weltspiegel ausgestrahlt wurde, war voraussagbar. Als hätten die verantwortlichen Redakteure dem Gespräch Todenhöfers mit Assad gar nicht erst zugehört, sondern sich lediglich nach dem Urteil gerichtet, das zu fällen die ARD Bernhard Zand, den Leiter der Auslandsredaktion des Spiegel-Magazins, der Bild-Zeitung für die gehobene Mittelschicht, extra ins Studio für die Sondersendung geholt hatte, lasteten sie dem syrischen Präsidenten an, den Blick für die Realität verloren zu haben und die eigene Schuld am Blutvergießen in seinem Land nicht einsehen zu wollen. Zand hatte die publizistische Marschroute vorgegeben, als er bei der Auswertung des Interviews gleich im ersten Atemzug Assad einen dreisten Lügner nannte. Mit jenem Bannspruch enthob der Spiegelmacher seinen Kollegen von der Pflicht, sich mit den Argumenten von Syriens Präsident überhaupt auseinandersetzen zu müssen.

Folglich herrschte in der deutschen Medienlandschaft am Tag nach dem Interview eine allgemeine Verwunderung vor, wie Assad überhaupt auf die Idee kommen konnte, den NATO-Staaten und deren arabische Verbündete die Schuld für die schreckliche Lage in Syrien zu geben. Auf diese Frage wurden zwei mögliche Antworten präsentiert: entweder glaube Assad seinen Worten wirklich und belege damit, daß er den Kontakt zur Wirklichkeit verloren habe, oder er setze einfach zynische Behauptungen in die Welt, weil sich hinter seiner gemäßigten Fassade ein blutrünstiger Diktator verberge, der aus reiner Bösartigkeit unschuldige Männer, Frauen und Kinder gnadenlos umbringen lasse. Beide Erklärungsmuster laufen auf eine einzige Lösung zur Beendigung des Konfliktes in Syrien hinaus: "Assad muß weg", wie es US-Präsident Barack Obamas Außenministerin Hillary Clinton seit Monaten fordert.

Tatsächlich sieht sich die Regierung in Syrien mit einem gut organisierten Aufstand konfrontiert, der vom Ausland finanziell und militärisch gefördert wird. Als Präsident versucht Assad das Gewaltmonopol des Staates mit allen Mitteln wiederherzustellen. Das hat auch Abraham Lincoln getan, als er Mitte des 19. Jahrhunderts die südliche Konföderation am Austritt aus den Vereinigten Staaten von Amerika hinderte. Daß in einer solchen Situation, wo um das nackte Überleben eines Staates erbittert gekämpft wird, auch unschuldige Zivilisten ums Leben kommen, versteht sich von selbst. Heute gilt Lincoln allgemein als größter Präsident in der Geschichte der USA. Der blutige Feldzug seines Generals William Tecumseh Sherman, als dessen Armee bei ihrem berühmt-berüchtigten "Marsch ans Meer" im Winter 1864/1865 die Stadt Atlanta niederbrannte und weite Teile Georgias sowie North und South Carolinas verwüstete, wird von allen Historikern - sogenannte Ewiggestrige aus den Südstaaten ausgenommen - als der Preis für den Erhalt der Einheit der "außerwählten" Nation Amerika und für die Beendigung der Sklaverei achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Zurecht hat Assad daraufhin hingewiesen, daß sich unter den Getöteten im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien viele Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte und Nicht-Oppositionelle befinden. Als diejenigen, welche die "Terroristen" in seinem Land unterstützen, bezeichnete er Saudi-Arabien und Katar unter Verweis auf entsprechende Äußerungen deren eigener Außenminister. Er warf der Türkei vor, beim Waffenschmuggel und der Einschleusung ausländischer Kämpfer nach Syrien "logistische Hilfe" zu leisten. Die USA bezichtigte er, regierungsfeindliche "Banden" in Syrien "politisch" zu unterstützen, damit sie sein Land "destabilisieren". Damit seien die USA, indem sie "Terroristen Unterstützung gewähren", für den Tod unschuldiger Zivilisten mitverantwortlich, so Assad.

Es stellt den Gipfel der Verlogenheit dar, wenn sich nun die Kommentatoren in den deutschen und anderen westlichen Medien gerade über den letzten Vorwurf empören und meinen, Clinton und Amerikas UN-Botschafterin Susan Rice, welche auf Seiten der NATO in der Syrien-Frage von Anfang an die Scharfmacherinnen spielen, rhetorisch in Schutz nehmen zu müssen. Man tut so, als hätte es zum Beispiel den Bericht der New York Times vom 21. Juni mit der Überschrift "C.I.A. Said to Aid in Steering Arms to Syrian Opposition" gar nicht gegeben. Dort hieß es unter Verweis auf nicht namentlich genannte Mitglieder der US-Regierung sowie Quellen des arabischen Geheimdienstes schwarz auf weiß: "seit einigen Wochen" befände sich "eine kleine Anzahl von CIA-Offizieren in der Südtürkei", wo sie mitentschieden, "welche syrischen Oppositionskämpfer Waffen" erhalten sollen.

Im besagten NYT-Bericht schrieb Journalist Eric Schmitt folgendes: "Die Waffen, darunter automatische Gewehre, raketenbetriebene Granaten, Munition und einige Anti-Panzer-Waffen, werden von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar bezahlt und mittels eines schattenhaften Netzwerkes aus Mittelsmännern, darunter die syrische Moslembruderschaft, über die türkische Grenze geschleust." Laut Schmitt besteht das Ziel der CIA-Operation "zum Teil" darin, "die Waffen aus den Händen von Kämpfern, die mit Al Kaida oder anderen terroristischen Gruppen alliiert sind, fernzuhalten". Bezeichnenderweise wurde im NYT-Artikel der andere Teil des Motivs für die völkerrechtlich illegale Einmischung der NATO-Führungsmacht USA in die Angelegenheiten des souveränen Staates Syrien nicht näher ausgeführt - was ihre Offensichtlichkeit lediglich unterstreicht. Nichtsdestotrotz beleidigen Schmitt und Amerikas "Paper of Record" die Intelligenz ihrer Leser mit dem Hinweis: "Die Obama-Administration erklärte, sie stelle den Rebellen keine Waffen zur Verfügung, räumte aber ein, daß Syriens Nachbarn es tun würden". Schließlich dürfte ein Gutteil jener Waffen, mit denen die "Türkei, Saudi-Arabien und Katar" das Inferno in Syrien anheizen, den Stempel "Made in the USA" tragen.

Die Schrillheit der Reaktion der deutschen Medien auf das Assad-Interview Todenhöfers deckt sich mit dem hysterischen Ausfall Clintons auf dem jüngsten Treffen der "Freunde Syriens" am 6. Juli in Paris, als die ehemalige First Lady meinte, in erster Linie seien China und Rußland für die Gewaltorgie in Syrien verantwortlich, weil sie seit Monaten im UN-Sicherheitsrat entsprechende Resolutionen der USA, Frankreichs und Großbritanniens blockiert hätten, wofür Peking und Moskau "einen Preis bezahlen" müßten. Nicht umsonst hat die Regierung der Volksrepublik die Clinton-Äußerung, deren einzige Funktion ähnlich der westlichen Berichterstattung zum Syrien-Konflikt darin bestand, die Schuld für die absehbare Zerstörung Syriens einseitig zu verteilen, als "völlig inakzeptabel" bezeichnet.

9. Juli 2012