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NAHOST/1132: Israel erhöht den Druck auf Obama in der Iran-Frage (SB)


Israel erhöht den Druck auf Obama in der Iran-Frage

Netanjahu wettert weiterhin gegen die iranische Bedrohung


Im sogenannten Atomstreit begründen die USA und die EU die jüngst von ihnen verhängten Finanz- und Handelssanktionen gegen den Iran vor allem mit dem Argument, die Regierung in Teheran durch den erhöhten Druck zu einer Verhandlungslösung zwingen und auf diese Weise einen Krieg vermeiden zu können. Eine Kriegsgefahr am Persischen Golf besteht schon deswegen, weil Israel, dessen Streitkräfte über Hunderte von einsatzfähigen Nuklearwaffen verfügen, seit Jahren ohne Unterlaß das iranische Kernenergieprogramm zu einer "existentiellen Bedrohung" aufbauscht. Das Ölembargo der Europäer und die Boykottmaßnahmen der Amerikaner gegen die Iranische Zentralbank scheinen jedoch nicht die gewünschte Wirkung zu erzielen. Tel Aviv drängt daher auf noch drastischere Maßnahmen und droht weiterhin mit einem israelischen Überraschungsangriff auf die iranischen Atomanlagen.

Bekanntlich stimmt die Chemie zwischen US-Präsident Barack Obama und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu ganz und gar nicht. Die Bemühungen Washingtons um den sogenannten Nahost-Friedensprozeß hat Netanjahu durch seine uneingeschränkte Solidarität mit der jüdischen Siedlerbewegung in den besetzten palästinensischen Gebieten immer wieder torpediert und so Obama und seinen Vizepräsidenten Joseph Biden ein ums andere Mal vorgeführt. In seiner uneinsichtigen Haltung wird der israelische Regierungschef in den USA von den oppositionellen Republikanern unterstützt, die derzeit die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen und deren führende Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney und Newt Gingrich in den vergangenen Monaten die Trommeln für eine militärische "Lösung" des Iran-Problems rühren.

Jüngster Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Obama und Netanjahu soll ein Telefongespräch zwischen beiden am 12. Januar gewesen sein, also am Tag nach der Ermordung des 32jährigen iranischen Atomwissenschaftlers Mostafa Ahmadi-Roshan in Teheran durch einen Bombenanschlag, hinter dem der israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad vermutet wird. Bei dem Telefonat wollte Obama angeblich von Netanjahu die Zusicherung, daß Israel ohne vorherige Absprache mit Washington keinen Angriff auf den Iran starte. Als er sie nicht erhielt, soll er daraufhin das für März geplante Manöver "Austere Challenge 2012", bei dem die Streitkräfte Israels und der USA gemeinsam ihre Raketenabwehrsysteme testen wollten, abgeblasen haben. Bei der Bekanntgabe der Verschiebung des großangelegten Kriegsspieles am 14. Januar wurden offiziellerseits nicht näher erläuterte "logistische Probleme" ins Feld geführt.

Am 19. und 20. Januar besuchte General Martin Dempsey in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs der USA erstmals Israel. Dort führte er Gespräche mit seinem israelischen Pendant General Benny Gantz, Verteidigungsminister Ehud Barak, Premierminister Netanjahu und Präsident Shimon Peres und besuchte demonstrativ das Holocaust-Denkmal Yad Vashem, wo er nach Angaben der New York Times in der Ausgabe vom 21. Januar den Satz - "Wir sind entschlossen, dafür zu sorgen, daß es niemals wieder zu einer solchen Tragödie kommt" - ins Gästebuch geschrieben haben soll (was natürlich als verbaler Schulterschluß der USA mit Israel gegenüber dem Iran gedeutet werden kann).

Doch so harmonisch, wie die New York Times es darstellte, scheint der Besuch Dempseys in Israel nicht verlaufen zu sein. Am 22. Januar berichtete die Londoner Sunday Times unter Verweis auf eigene Quellen, die israelische Militär- und Politelite hätte sich gegenüber Amerikas oberstem Soldaten geweigert, im Fall eines Überraschungsangriffs gegen die Islamische Republik Iran mit den USA zusammenzuarbeiten. Doch nicht nur das. Angeblich hätten die Israelis erklärt, Washington höchstens zwölf Stunden Vorwarnung zu geben. In der Londoner Times hieß es dazu, Netanjahu würde Obama so wenig Warnzeit einräumen, um im Fall der Fälle zu verhindern, daß Washington sein Veto einlegt und Tel Aviv zum Abbruch der Operation nötigt.

Einen Tag nach der Abreise Dempseys aus Israel kam es in Iran zu einem erneuten mysteriösen "Terroranschlag". Ein 43jähriger iranischer Offizier wurde getötet und ein weiterer verletzt, als zwei unbekannte Personen auf einem Motorrad das Feuer auf eine Gruppe Soldaten vor einem Luftwaffenstützpunkt in der Stadt Khorramabad in der südwestiranischen Provinz Lorestan eröffneten und anschließend davonfuhren. Hinter solchen Aktionen vermuten einige Beobachter den Versuch der Israelis, die Iraner zu einer Vergeltungsmaßnahme zu provozieren, die Tel Aviv und Washington dann als Kriegsvorwand benutzen könnten.

Jedenfalls scheint sich die Verhängung eines Ölembargos durch die EU in keiner Weise mildernd auf die Forderungen Israels nach einem militärischen Vorgehen gegen das "Mullah-Regime" in Teheran ausgewirkt zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Nun, da die USA und EU dem Iran praktisch den Wirtschaftskrieg erklärt haben, legen die Israelis erst recht nach. Wie der Londoner Guardian am 25. Januar berichtete, hatte Verteidigungsminister Barak am Tag davor - und damit am Tag nach der Entscheidung der EU-Außenmininister - im Interview erklärt, die jüngsten Sanktionen der Amerikaner und Europäer würden die Iraner wahrscheinlich nicht zu einem Einlenken bewegen. Bereits am Vorabend des Treffens im Brüssel hatte sich Netanjahu ähnlich geäußert. Bei der Kabinettssitzung am 22. Januar soll der israelische Regierungschef gesagt haben, daß man die Sanktionen "anhand von Ergebnissen" beurteilen müßte, um gleich hinzuzufügen: "Schon heute setzt der Iran ohne Unterbrechung die Produktion von Atomwaffen fort." Woher Netanjahu seine Erkenntnisse zum Stand des iranischen Atomprogramms nimmt, bleibt indes sein Geheimnis. Vermutlich bedient er sich derselben Informationsquellen, die 2002, 2003 von den Massenvernichtungswaffen des Iraks und den Al-Kaida-Verbindungen Saddam Husseins fabulierten.

25. Januar 2012