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NAHOST/1070: USA und Iraks Muktada Al Sadr auf Kollisionskurs (SB)


USA und Iraks Muktada Al Sadr auf Kollisionskurs

Mahdi-Armee zur Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Amerikaner bereit


Wie erwartet, hat Robert Gates bei seinem voraussichtlich letzten Besuch im Irak vor dem Ausscheiden als US-Verteidigungsminister - mit dem man in Washington vor Ende des Jahres rechnet - bei mehreren Gelegenheiten das heikle Thema der Einrichtung einer dauerhaften amerikanischen Militärpräsenz im Zweistromland öffentlich erörtert. Mit Verlegenheit reagierte die Regierung von Nuri Al Maliki auf den Vorstoß des Nachfolgers Donald Rumsfelds. Schließlich hat der irakische Premierminister nach langen und zähen Verhandlungen George W. Bush im November 2008 dazu gebracht, ein State of Forces Agreement (SOFA) zu unterzeichnen, demzufolge der letzte US-Soldat bis zum 31. Dezember 2011 null Uhr irakisches Staatsterritorium verlassen haben muß. Die Reaktion des schiitischen Predigers Muktada Al Sadr auf die Anregungen von Gates fiel eindeutiger aus. Er drohte offen damit, seine gefürchtete Mahdi-Armee zu reaktivieren und wieder gegen die US-Streitkräfte in den Krieg zu ziehen, sollten sie am 1. Januar 2012 noch im Irak anwesend sein.

Daß die Amerikaner niemals die Absicht hatten, alle Bedingungen des SOFA zu erfüllen, steht außer Frage. Seit dem Machtwechsel Anfang 2009 in Washington, als Barack Obama Gates als einziges Kabinettsmitglied der Bush-Regierung übernahm und als Pentagonchef im Amt beließ, ist immer wieder davon die Rede, daß die USA eine unbekannte Anzahl von Militärs langfristig im Irak stationieren müßten, um den irakischen Kameraden unter die Arme zu greifen und sie am modernen Kriegsgerät, das Bagdad für wahre Unsummen von der US-Rüstungsindustrie kauft, auszubilden. Gerade in den letzten Wochen haben Kongreßpolitiker und US-Generäle die anhaltende Instabilität im Irak immer wieder als Grund hervorgehoben, warum die US-Streitkräfte das Land "nicht in Stich lassen" dürfen und dort bis auf weiteres bleiben sollen.

In einem Bericht der New York Times, der am 8. April über die Gespräche zwischen Gates, Maliki und ihren Stäben am Tag davor in Bagdad erschienen ist, hieß es, der ehemalige CIA-Chef und die US-Militärkommandeure hätten in der Vergangenheit von ihrer Überzeugung, daß ein Teil der derzeit 47.000 amerikanischen Soldaten im Irak nach Ende dieses Jahres dort als "Stabilisierungsstreitmacht" bleiben sollten, "kein Geheimnis" gemacht und würden nun langsam ungeduldig werden, weil die irakische Regierung ihnen bislang keine entsprechende Bitte unterbreite. Das US-Militär mit seinen zahlreichen Verpflichtungen rund um den Globus brauche Planungssicherheit, so der von NYT-Reporterin Elisabeth Bumiller wiedergegebene Tenor der Beschwerde. Am selben Tag erklärte Gates vor amerikanischen Truppen im nordirakischen Mossul, er könne sich gut vorstellen, daß es noch lange nach Ablauf der im SOFA enthaltenen Frist eine US-Militärpräsenz im Irak geben werde - sei es in Form einer Stabilisierungstreitmacht oder von Beratern, Ausbildern und Technikern.

Die Antwort Muktada Al Sadrs auf die provozierende Äußerung Gates' ließ nicht lange auf sich warten. In Bagdad kam es am 9. April zu einer Großdemonstration mehrerer 10.000 Shiiten gegen einen Verbleib der Amerikaner im Irak. Auf der Demonstration las ein Vertreter des derzeit im iranischen Qom Theologie studierenden Al Sadr eine Erklärung vor, in der es hieß, daß die Mahdi-Armee, die 2008 nach heftigen Kämpfen mit den Amerikanern in Bagdad und den Truppen Malikis in Basra in den Waffenstillstand getreten war, wieder aktiv und in den bewaffneten Widerstand treten werde, sollte die "Invasionstruppen" und die zahlreichen fremdländische Söldner den Irak bis Ende des Jahres nicht verlassen.

In einem aufschlußreichen Artikel, der am 13. April bei der Zeitung The National aus Dubai erschienen ist, wurde Abu Ali, ein ehemaliger Kommandeur der Mahdi-Armee in Basra, dahingehend zitiert, daß die Anhänger Al Sadrs Quellen bei der Regierung in Bagdad hätten und daher wüßten, daß die Amerikaner mindestens 10.000 Soldaten im Irak dauerhaft zu stationieren beabsichtigten. Und weil die Sadristen nicht bereit seien, einen solchen Umstand zu akzeptieren, bereite man sich jetzt auf den unvermeidlich erscheinenden militärischen Konflikt vor. Die Aussagen Alis wurde im Bericht von The National von einem nicht namentlich genannten Mitglied des irakischen Sicherheitsapparats bestätigt, demzufolge Al Sadrs Männer sich seit einiger Zeit in verschiedenen Städten des Iraks neue Waffenlager anlegten und die militärische Ausbildung wieder aufgenommen hätten.

Sollte der Konflikt zwischen den Amerikanern und Sadrs Mahdi-Armee tatsächlich wieder aufflammen, könnte er angesichts der aktuellen Spannungen im Nahen Osten zwischen Schiiten und dem Iran auf der einen Seite und den Sunniten und Saudi-Arabien auf der anderen auf die ganze Region übergreifen. Wegen der Kritik der Maliki-Regierung an der blutigen Niederschlagung der hauptsächlich von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit getragenen Demokratiebewegung gegen die autoritäre Monarchie der sunnitischen Al-Khalifa-Familie in Bahrain drohen bereits jetzt die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates den für Mai geplanten Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Bagdad zu boykottieren.

16. April 2011