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NAHOST/1010: Hilft Saudi-Arabien Israel im Kriegsfall gegen Iran? (SB)


Hilft Saudi-Arabien Israel im Kriegsfall gegen Iran?

Bericht über saudischen Luftkorridor sorgt für Kriegsängste


Nicht nur im Nahen Osten hat ein Bericht der Times of London, der in der Ausgabe des britischen Flagschiffs des Medienimperiums des konservativen australo-amerikanischen Verlegers Rupert Murdoch vom 12. Juni erschienen ist und in dem es hieß, Riad hätte Tel Aviv für die Nutzung des Luftraums Saudi-Arabiens zum Zweck eines israelischen Überraschungsangriffs auf die Atomanlagen des Irans grünes Licht gegeben, Aufsehen erregt. Seit der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 9. Juni eine Resolution zur Verhängung einer vierten Runde von Sanktionen gegen den Iran wegen dessen angeblich unkooperativer Haltung im sogenannten Atomstreit verhängt hat, geht die Angst um, die Suche nach einer diplomatischen Lösung sei vorbei, es laufe alles nur noch auf eine militärische Auseinandersetzung am Persischen Golf hinaus. Unabhängig davon, ob der Bericht der Times über geheime Absprachen zwischen Riad und Tel Aviv der Wahrheit entspricht oder nicht, auf jedem Fall hat er die Furcht vor einem Krieg zwischen Israel - mit oder ohne die USA - und dem Iran - mit oder ohne Syrien und die libanesische Hisb-Allah-Miliz - ansteigen lassen.

In dem Bericht, der von Hugh Tomlinson geschrieben war und den Titel "Saudi Arabia gives Israel clear skies to attack Iranian nuclear sites" trug, hieß es, die Saudis hätten den Israelis einen Luftkorridor durch den Norden des Königreiches eingeräumt, welche letztere für einen Luftangriff gegen Ziele im Iran benutzen könnten. Ein solcher Luftkorridor würde der israelischen Luftwaffe erlauben, den Iran anzugreifen, ohne den jordanischen und irakischen Luftraum benutzen zu müssen. Obwohl der Weg über Jordanien und den Irak direkter wäre, brächte sein Nehmen erhebliche politische Komplikationen mit sich. Die Überquerung des Iraks wäre nur mit Zustimmung der US-Streitkräfte, die im Zweistromland nach wie vor den militärischen Luftverkehr vollkommen kontrollieren, möglich. Eine solche Zusammenarbeit der Amerikaner mit den Iraelis könnte die mächtige Madhi-Armee des schiitischen Predigers Muktada Al Sadr, der derzeit in der iranischen Stadt Qom studiert, um Großajatollah zu werden, dazu veranlassen, erneut in den Aufstand zu treten; der Irakkrieg könnte sich für die Amerikaner dadurch voll wieder aufflammen.

Tomlinson zitiert in seinem Artikel eine nicht namentlich genannte Quelle im US-Verteidigungsapparat wie folgt: "Die Saudis haben den Israelis die Genehmigung für den Überflug erteilt. Sie haben bereits Tests durchgeführt, um sicher zu gehen, daß ihre eigenen Jets [in dem Moment] nicht zum Soforteinsatz hochgeschickt werden. Dies ist alles mit der Zustimmung des State Department [das Außenministerium in Washington] gemacht worden." Nach dem Hin- und Rückflug der Israelis würde die saudische Luftverteidigung den Normalbetrieb wieder aufnehmen, so Tomlinson. Dazu zitiert er eine anonyme Quelle in der saudische Regierung mit den Worten: "Wir alle wissen davon. Wir werden sie [die Israelis] durchlassen und nichts sehen". Nach Angaben Tomlinsons stellen die Urananreicherungsanlagen bei Natans und Qom, die Gasanlage bei Isfahan und der Schwerwasserreaktor bei Arak die vier Hauptziele des geplanten Angriffs dar; zu den Sekundärzielen gehört das von den Russen gebaute Leichtwasserreaktor in Buschehr.

Gleich am Tag der Veröffentlichung des Times-Artikels hat Saudi-Arabiens Botschafter in Großbritannien, Prinz Mohammed Bin Nawaf, die Angaben Tomlinsons energisch bestritten. Dies berichtete die in London erscheinende, arabischsprachige Zeitung Alsharq Al Aswat. Am 13. Juni hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad nach einem Treffen mit den neuen saudischen Botschafter in Teheran unter Verweis auf die Behauptungen Tomlinsons erklärt: "Zweifelsohne sind die USA und das zionistische Regime [Israel] die Feinde des Irans und Saudi-Arabiens. Deshalb versuchen sie einen Keil zwischen Teheran und Riad zu treiben. Solange der Iran und Saudi-Arabien zusammen stehen, werden unsere Feinde es nicht wagen, ihr aggressives Benehmen - Besatzung und Druck auf die muslimischen Welt - fortzusetzen.

In einem Bericht, der ebenfalls am 13. Juni bei Gulf News erschienen ist, haben sich mehrere Militärexperten aus der Golfregion hinsichtlich des Inhalts des Times-Artikels skeptisch geäußert. Zu ihnen gehörte Riad Kahwaji, Generaldirector des in Dubai ansässigen Institute for Near East and Gulf Military Analysis. Kahwaji tat den Artikel Tomlinsons als "Teil der psychologischen Führung zwischen dem Iran und den USA" ab und erklärte, warum seines Erachtens die Israelis nicht auf einen Luftkorridor durch Saudi-Arabien angewiesen wären: "Israels Delphin-U-Boote sind mit Marschflugkörpern ausgestattet, mit denen man die Atomanlagen treffen kann. Drei israelische U-Boote, die bei einer solchen Konfrontation wahrscheinlich zum Einsatz kämen, befinden sich bereits in den Gewässern des Persischen Golfs".

14. Juni 2010