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NAHOST/999: US-Militär baut seine Präsenz am Persischen Golf aus (SB)


US-Militär baut seine Präsenz am Persischen Golf aus

Petraeus-Papier läßt Kriegsgefahr wahrscheinlicher erscheinen


Die Tatsache, daß die USA in der Person von Außenministerin Hillary Clinton weniger als 24 Stunden brauchten, um die am 17. Mai von Brasilien und der Türkei mit der Regierung in Teheran erzielte Einigung über einen Ausweg aus dem Atomstreit mit dem Iran öffentlich als "Trick" abzutun, hat vielen Beobachtern die letzte Bestätigung geliefert, daß es Washington hier weniger um Nuklearwaffen als um Hegemonie geht. Die USA verlangen unter dem Vorwand der Unterstellung, die Iraner bauten heimlich an der Atombombe, von Teheran den kompletten Verzicht auf die Urananreicherung. Die Forderung ist für die Iraner inakzeptabel, weil ihre Erfüllung die Islamische Republik zu einem Staat minderen Ranges degradierte. Für Amerika dagegen, dessen Hardliner bis heute nach Tilgung der Schmach wegen des Sturzes des Schahs 1979 und der anschließenden 444tägigen Geiselnahme der US-Botschaftsangehörigen trachten, muß die Führung in Teheran gegenüber der Imperialmacht USA den Kotau bringen, sonst steht Regimewechsel auf der Tagesordnung.

Die fortgesetzte Widerspenstigkeit der Iraner ist den USA ein Dorn im Auge, was man auf Dauer nicht hinzunehmen gedenkt. Durch den Einmarsch 2001 in Afghanistan und 2003 in den Irak haben die US-Streitkräfte den Iran praktisch umzingelt. Hinzu kommen weitere Basen in den zentralasiatischen Republiken sowie am Persischen Golf. In Bahrain befindet sich zum Beispiel seit 1995 das Hauptquartier der 5. US-Flotte, die dem für die Region zwischen Kenia im Westen und Indien im Osten und Kasachstan im Norden bis zu den Seychellen im Süden zuständigen Zentralkommando (CENTCOM) unter seinem derzeitigen Oberbefehlshaber General David Petraeus untersteht. Pressemeldungen zufolge hat man am 26. Mai mit der Verdoppelung der Größe des US-Marinestützpunktes in Bahrain begonnen. Der Ausbau, der 500 Millionen Dollar kosten und bis 2015 dauern soll, sieht eine deutliche Vergrößerung der Hafenkapazitäten und der Unterbringungsmöglichkeiten für Personal vor. Die Bautätigkeit der Amerikaner in Bahrain hat zwar nicht unmittelbar mit der Rivalität zwischen den USA und dem Iran zu tun, stellt jedoch sehr wohl Washingtons Anspruch auf die Führungsrolle, was "Frieden" und "Stabilität" am Persischen Golf betrifft, unter Beweis. Dabei stellt sich die Frage, ob noch in fünf Jahren die Konfrontation zwischen USA und dem Iran weiter bestehen oder ob es in der Zwischenzeit zum großen Showdown gekommen sein wird. Letzteres ist leider zu befürchten.

Für diesen Verdacht spricht die jüngste Enthüllung einer vertraulichen, von Petraeus am 30. September 2009 unterzeichneten Anordnung, die geheime Operationen der US-Spezialstreitkräfte im CENTCOM-Verantwortungsbereich genehmigt, um militante Gruppierungen zu stören und heraufziehenden Bedrohungen entgegenzuwirken. Über die Existenz der siebenseitigen Anordnung mit Namen "Joint Unconventional Warfare Task Force Execute Order" berichtete als erstes Presseorgan die regierungsnahe New York Times am 25. Mai unter der Überschrift "U.S. Is Said to Expand Secret Military Acts in Mideast Region". Autor des Artikels war Mark Mazzetti. Demzufolge hat Petraeus die Anordnung in Zusammenarbeit mit Admiral Eric T. Olson, Oberbefehlshaber des Special Operations Command (SOCOM), das zuletzt von General Stanley McChrystal, dem derzeitigen Leiter der NATO-Militäroperationen in Afghanistan, befehligt wurde, verfaßt. Als eine Folge des Befehls werden die seit dem Ende letzten Jahres erhöhten militärischen Aktivitäten der USA im Jemen, wo man gemeinsam mit der Regierung in Sanaa gegen Al-Kaida-Extremisten vorgeht, gedeutet.

Im Unterschied zur CIA müssen Geheimoperationen des SOCOM nicht von irgendwelchen Ausschüssen im Kongreß abgesegnet werden. Deswegen fragen sich seit Bekanntwerden der Anordung von Petraeus, die sich angeblich in erster Linie auf Aufklärungsmissionen beschränkt, alle, darunter auch Mazzetti selbst, ob man in ihr auch eine Art Startschuß für kriegerische Handlungen gegen den Iran sehen muß. Bekanntlich waren US-Spezialstreitkräfte schon Monate vor der eigentlichen Irak-Invasion am 19. März 2003 im Zweistromland unterwegs, um "das Schlachtfeld zu präparieren", wie es im amerikanischen Militärjargon heißt. Laut Mazzetti autorisiert der noch strenggeheime Befehl ausdrücklich "spezifische Operationen im Iran" wie "die Gewinnung von Erkenntnissen über das Atomprogramm des Landes oder die Identifizierung von Dissidentengruppen, die bei einer künftigen Militäroffensive von Nutzen sein könnten".

In diesem Zusammenhang erinnere man sich an die sunnitische Gruppe Jundullah, die mit Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" verbündet sowie in den Opiumschmuggel verwickelt sein soll und die seit einigen Jahren von Pakistan aus Anschläge und Überfälle in der ostiranischen Provinz Sistan-Belutschistan durchführt. Nach eigenen Angaben haben Jundullah-Kämpfer am 18. Oktober in Pishin jenen Bombenanschlag durchgeführt, der 49 Menschen, darunter zahlreichen lokalen Würdenträgern aus Sistan-Belutschistan und mehreren ranghohen Offizieren der Revolutionsgarde des Irans das Leben kostete. Der schwere Anschlag erfolgte etwas mehr als zwei Wochen, nachdem sich am 1. Oktober die USA, Frankreich, Rußland und die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) mit dem Iran über einen Ausweg aus dem Atomstreit prinzipiell geeinigt hatten, und machte es der Teheraner Führung sehr schwer, die in Genf getroffene Kompromißlösung zu Hause zu verkaufen.

Einige Beobachter deuten den damaligen Anschlag deshalb als gelungenen Versuch bestimmter Kräfte im US-Sicherheitsapparat, den ursprünglichen Versöhnungskurs von Präsident Barack Obama gegenüber dem Iran zu torpedieren. Schließlich gilt Jundullah neben der kurdischen PEJAK und den aus dem Irak heraus operierenden Volksmudschaheddin MEK als eine der Gruppen, die im Auftrag von CIA und Pentagon den Iran destabilisieren sollen, während Petraeus, Liebling des neokonservativen Klüngels in Washington, inzwischen als eventueller republikanischer Kandidat für die US-Präsidentenwahl 2012 gehandelt wird. Vor diesem Hintergrund dürften Giles Whittell und Michael Evans mit der Überschrift für ihren am 26. Mai in der Times of London erschienen Artikel über das brisante Geheimpapier, "Petraeus orders US spies to prepare for anti-nuclear strike on Iran", zu deutsch "Petraeus befehlt US-Spionen, einen Anti-Atomschlag auf den Iran vorzubereiten", nicht so ganz falsch gelegen haben.

27. Mai 2010