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NAHOST/956: Mahmoud Abbas auf ganzer Linie diskreditiert (SB)


Rücktrittsforderungen nach seinem Verhalten zum Goldstone-Bericht


Kritiker haben den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas lange vor den jüngsten Ereignissen als Marionette Israels und der USA eingestuft. Nachdem er hoch und heilig versprochen hatte, ohne einen israelischen Siedlungsstopp werde es keine Verhandlungen geben, nahm er doch am New Yorker Dreiergipfel mit Barack Obama und Benjamin Netanjahu teil und führte Gespräche mit dem US-Sondergesandten George Mitchell. Dem doppelten Bruch seines Versprechens folgte nun ein Umgang mit dem Goldstone-Bericht, der diese größte Chance der Palästinenser seit Jahren, sich endlich Gehör zu verschaffen, de facto zunichte macht.

Die Stellung von Präsident Mahmoud Abbas ist durch sein Verhalten zum Goldstone-Bericht so schwer erschüttert worden, daß inzwischen von verschiedenen Seiten sein Rücktritt gefordert wird. Der Menschenrechtsrat in Genf hatte am letzten Freitag die Abstimmung über eine Resolution zu diesem Bericht zurückgestellt, in dem Israel beschuldigt wird, während des Kriegs im Gazastreifen zur Jahreswende Kriegsverbrechen verübt zu haben. Auch die palästinensische Delegation hatte einem sechsmonatigen Aufschub der Überweisung des Berichts an den Sicherheitsrat ihre Zustimmung gegeben. Zur Begründung dieser überraschenden Haltung erklärte ein Delegierter, der Konsens zum Bericht müsse noch gestärkt werden.

Wie die in London publizierte Zeitung "Al-Kuds al-Arabi" schrieb, habe Abbas entweder seinen Botschafter in Genf angewiesen, die Abstimmung zurückzustellen, oder jemand anders habe diesen Beschluß ohne sein Wissen gefaßt. In beiden Fällen bleibe Abbas nur der Rücktritt. Ein palästinensisches Blatt kolportierte die Mutmaßung, die Amerikaner hätten Abbas Entgegenkommen versprochen. Eine israelische Zeitung berichtete sogar, Israel habe Abbas damit gedroht, keine Sendefrequenzen für ein geplantes palästinensisches Mobilfunknetz freizugeben, was für die palästinensische Behörde hohe Konventionalstrafen zur Folge hätte. [1]

Abbas hielt sich zunächst bedeckt und ordnete erst dann eine Untersuchung an, als Vertreter der PLO und der Fatah das Vorgehen im Menschenrechtsrat kritisierten. Die palästinensische Autonomiebehörde hat ihre Entscheidung inzwischen als Fehler bezeichnet und erklärt, sie habe auf Druck der USA zugestimmt, vorerst nicht auf eine strafrechtliche Verfolgung Israels wegen möglicher Kriegsverbrechen zu bestehen. Ein Minister der palästinensischen Regierung erklärte seinen Rücktritt und palästinensische Menschenrechtsorganisationen veröffentlichten eine Erklärung, in der sie von einer Beleidigung der Opfer des Gaza-Kriegs sprachen. [2]

Führer der Hamas bezichtigten Abbas offen der Kollaboration mit dem Feind. Vorerst gescheitert ist damit die für Ende Oktober geplante Versöhnungskonferenz der zerstrittenen Palästinensergruppen Hamas und Fatah. Die Hamas bat die ägyptische Regierung, die für den 26. Oktober in Kairo vorgesehene Unterzeichnung zu verschieben. Syrien sagte einen Besuch des palästinensischen Präsidenten Abbas in Damaskus ab.

Der libysche UNO-Botschafter Ibrahim Dabbaschi hatte am Dienstag eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats zum Bericht der Goldstone-Kommission gefordert, doch lehnten die westlichen Länder eine Sondersitzung ab. Nun haben sich die Mitglieder des Sicherheitsrats auf den Kompromiß verständigt, die monatliche Debatte zur Lage im Nahen Osten vom 20. auf den 14. Oktober vorzuziehen. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen wollen die arabischen Länder diese Gelegenheit nutzen, um den Goldstone-Bericht zur Sprache zu bringen. [3]

Unterdessen ist der US-amerikanische Nahostvermittler George Mitchell zu einer neuen Mission aufgebrochen, um die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen. Der israelische Regierungschef Netanjahu hat sich mit seiner Drohung, ein Weiterleiten des Goldstone-Berichts würde den Friedensbemühungen einen tödlichen Stoß versetzen, auf ganzer Linie durchgesetzt. Die erfolgreiche Zurückweisung palästinensischer Interessen an dieser markanten Stelle signalisiert, daß mit einem Einlenken der israelischen Regierung künftig weniger denn je zu rechnen ist.

Anmerkungen:

[1] Abbas unter Verdacht. Der palästinensische Präsident verliert seine Glaubwürdigkeit (08.10.09)
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/abbas_unter_verdacht_1.3818774.html

[2] Abbas räumt Fehler ein (08.10.09)
http://www.sueddeutsche.de/F5e38L/3086523/Abbas-raeumt-Fehler-ein.html

[3] UN-Sicherheitsrat soll über Gaza-Bericht beraten (08.10.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5gGurYwiiBYU5WX6n5DvPw__HUKYw

8. Oktober 2009