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NAHOST/947: US-Friedenspläne und deren Bruch durch Israel gehen Hand in Hand (SB)


Zweistaateninitiative Obamas folgt dem sattsam bekannten Muster


Die israelische Regierung will einen Staat der Palästinenser verhindern. Das hat Premierminister Benjamin Netanjahu mit seinem Katalog von Forderungen deutlich gemacht, die kein Palästinenser, Araber oder Muslime akzeptieren kann. Um so weniger will die Führung Israels in einem gemeinsamen Staatswesen mit den Palästinensern leben, da die demographische Entwicklung zwangsläufig in ein Apartheidregime münden würde. Übrig bleibt unter diesen Voraussetzungen nur die strategische Option einer Gefangenschaft, Vertreibung und Vernichtung der Palästinenser. Angesichts des Überfalls der israelischen Streitkräfte auf den Gazastreifen zur Jahreswende sind die Regierungen der USA und EU jeden Beweis schuldig geblieben, daß sie diesen langfristigen Entwurf der israelischen Führung nicht unterstützen.

Wenn daher die Obama-Administration die Zweistaatenlösung unter dem Beifall der Europäer anmahnt, wäre es mehr als blauäugig, einen aufkeimenden Interessengegensatz zur israelischen Regierung zu konstatieren. Wie die Geschichte lehrt, gingen amerikanische Friedenspläne und deren Bruch durch Israel bei der Drangsalierung der Palästinenser Hand in Hand. Warum sollte es diesmal anders sein? In aller Nüchternheit muß man daher bis zum unwahrscheinlichen Beweis des Gegenteils von einer neuerlichen Scharade ausgehen, deren monströse Ausmaße nur um so Schlimmeres für die Palästinenser befürchten lassen.

Daß dieser Verdacht nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen die Verheerungen im Gazastreifen. Auf das Massaker unter der Bevölkerung und die systematischen Zerstörungen folgte eine Fortsetzung der Blockade, die das vielgebrauchte Wort vom Freiluftgefängnis längst als zu harmlos für die unmittelbaren und langfristigen Vernichtungsfolgen der repressiven israelischen Politik erscheinen läßt. Wollte man Obamas Nahostschub ernstnehmen, sollte man nicht nur seinen blumigen Reden lauschen, sondern sofortige Schritte zur Rettung palästinensischer Leben anmahnen. In einem geradezu schizophrenen Manöver ereifert man sich über einen Staat der Palästinenser, während die israelische Regierung ungehindert damit fortfährt, nicht nur dessen Voraussetzungen zu torpedieren, sondern auch seine potentiellen Bewohner zu dezimieren.

Wie Israels früherer Botschafter in Deutschland, Avi Primor, jüngst in einem ORF-Gespräch zutreffend konstatiert hat, sei sein Land von den USA "in jedem Bereich so abhängig wie nie zuvor". Die Frage sei nun, wie "hart und beharrlich" Barack Obama gegenüber Benjamin Netanyahu hinsichtlich der von der ganzen Welt geforderten Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt auftreten werde. Bisherige amerikanische Präsidenten hätten letztlich "immer nachgegeben und Israel bedingungslos unterstützt, auch in der Siedlungspolitik." [1]

Dies wollte Israels neuer Botschafter in den USA, Michael Oren, so nicht stehenlassen, der keine echte Krise in den Beziehungen zu dem mächtigen Verbündeten sieht. "Es gibt Meinungsverschiedenheiten über sehr bestimmte Themen", sagte er dem israelischen Rundfunk. Das Spektrum der Kontakte und Zusammenarbeit mit den USA sei jedoch "riesig und sehr tief". In all diesen Bereichen der Zusammenarbeit seien keinerlei Spannungen spürbar. "Es gibt keine Krise in den Beziehungen zwischen Israel und den USA. Es gibt Themen, um deren Lösung wir uns bemühen. Wir haben keinen besseren Freund auf der Welt als die USA." [2]

Während Oren zum Auftakt seiner Mission natürlich die Unverbrüchlichkeit der Freundschaft beschwört, darf Primor als ehemaliger Botschafter das Verhältnis seines Landes zum Seniorpartner etwas nüchterner und mit einer Prise Skepsis beschreiben, ohne daß man daraus ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen den Diplomaten ableiten könnte. Beide bringen zum Ausdruck, daß niemand über wirkmächtigere Mittel verfügt, auf Israel Einfluß zu nehmen, als die USA, die zugleich das geringste Interesse haben, davon Gebrauch zu machen.

Oren wurde übrigens wegen eines umstrittenen Neubauprojekts in Ostjerusalem in das US-Außenministerium zitiert, was unvermeidlich war, da sich die Regierung in Washington in der Siedlungsfrage demonstrativ auf die Hinterbeine stellt. Jetzt wird endlich verhandelt, lautet das Motto Obamas, das bekanntlich nicht neu ist, aber unter seinem Vorgänger reichlich vernachlässigt wurde. Da Hoffnung und Vergessen Geschwister sind, könnte es durchaus funktionieren, daß dieser US-Präsident auch im Nahostkonflikt viel verbalen Wirbel macht, worauf die Kolumnisten zur Feder greifen und eifrig das Wort "Bewegung" kopieren, die nach einer langen Durststrecke in die verhärteten Fronten gekommen sei.

Da selbst der eingefleischte Skeptiker nicht ausschließen kann, daß am Ende doch noch Zeichen und Wunder geschehen, sollte man dem US-Nahostbeauftragten Mitchell zumindest solange Kredit einräumen, bis er im dritten Versuch endlich mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu zusammengetroffen ist. Wichtigstes Thema ist dabei die Siedlungspolitik, bei der es unmöglich eine Einigung geben kann, sofern nicht eine der beiden Seiten eine Kehrtwende um 180 Grad macht oder beide gemeinsam den Eindruck erwecken, zweimal 90 Grad täten es auch. Washington beharrt auf einem umfassenden Siedlungsstopp im gesamten Westjordanland und der Räumung aller 23 verbliebenen sogenannten illegalen Siedlungsaußenposten, zu der sich Israel mehrfach verpflichtet hat. Das schließt auch völkerrechtswidrige Baumaßnahmen im annektierten Ostjerusalem ein. Dieser Position haben sich die EU, verschiedene westeuropäische Staaten und - man höre und staune - sogar der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), angeschlossen. [3]

Netanjahu hat jedoch bereits als völlig inakzeptabel verworfen, "daß es Juden nicht erlaubt wäre, überall in Jerusalem zu leben". Das "vereinigte Jerusalem" sei die Hauptstadt des jüdischen Volkes und des Staates Israel, betonte er. Dieser betrachtet Großjerusalem als israelisches Staatsgebiet und schafft vollendete Tatsachen mit bislang 190.000 jüdischen Israelis in Ostjerusalem, die sich keineswegs als Siedler sehen. Bei Einhaltung des vom Nahostquartett aufgestellten Friedensfahrplans hätte Israel auf den Bau und Ausbau von Siedlungen auf besetztem Gebiet vollständig verzichten müssen. Nach Angaben der israelischen Friedensorganisation "Peace now" wurde jedoch der Ausbau bestehender jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland im vergangenen Jahr um 60 Prozent gesteigert. [4]

Der scheidende EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und erklärt, notfalls müßten die Vereinten Nationen eine Zweistaatenlösung gegen den Willen Israels durchsetzen. Ganz ohne Einfluß sind die Europäer selbst ja auch nicht, da sie die wichtigsten Handelspartner Israels sind, das eine privilegierte Partnerschaft mit der EU anstrebt. Man darf gespannt sein, wie sich Mitchell und Netanjahu winden und wenden werden, um den Eindruck zu erwecken, sie seien im Gespräch einen guten Schritt vorangekommen, auch wenn man noch nicht sagen könne, um welchen es sich eigentlich handelt. Es steht zu befürchten, daß dieses Lavieren wie immer zu Lasten der Palästinenser geht, die im Unterschied zu Israelis, Amerikanern und Europäern nicht warten können, ob bei diesen Verhandlungen ausnahmsweise etwas herauskommt, weil sie für jeden weiteren Tag ihrer Gefangenschaft einen allzu hohen Preis bezahlen.

Anmerkungen:

[1] http://derstandard.at/fs/1246542739847/Washington-Israels-neuer- Botshyschafter-um-Beruhigung-bemueht

[2] ebenda

[3] http://www.zeit.de/online/2009/30/mitchell-netanjahu-siedlungsstopp

[4] http://derstandard.at/fs/1246542739847/Washington-Israels-neuer- Botshyschafter-um-Beruhigung-bemueht

22. Juli 2009