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NAHOST/941: Gefährliche Drohgebärden Israels gegenüber dem Iran (SB)


Gefährliche Drohgebärden Israels gegenüber dem Iran

Tel Aviv bringt Riad und Kairo in Erklärungsnot


Kaum, daß die Massenproteste der Anhänger des Oppositionsführers, Ex-Premierministers und unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mousavi gegen die Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad am 12. Juni nachgelassen und sich die von den westlichen Massenmedien geschürten Hoffnungen auf eine "grüne Revolution" in Teheran zerschlagen haben, kommt es zu massiven indirekten Drohungen Israels gegenüber dem Iran. In der Presse werden sehr ungewöhnliche und bedrohliche Bewegungen derjenigen U-Boote des Typs Delphin, welche die Israelis aus Deutschland erhalten haben und die angeblich mit atomarbestückten Raketen ausgerüstet werden können, und heimliche Absprachen, denen zufolge die Regierung in Riad den Kollegen in Tel Aviv grünes Licht für die Nutzung des saudischen Luftraums zum Zwecke eines Überraschungsangriffs auf die Nuklearanlagen des Irans gegeben hat, gemeldet. Hinzu kommt die bemerkenswerte Äußerung des US-Vizepräsidenten Joseph Biden, wonach Amerika den Israelis nicht im Wege stehen würde, sollten sich diese entscheiden, einen solchen kriegerischen Akt durchzuführen.

Dies erklärte am 5. Juli der frühere Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats in einem Exklusivinterview mit Bill Clintons früherem Kommunikationsdirektor George Stephanopoulos für dessen allsonntägliche Polittalkshow beim Fernsehsender ABC. Interessant war der Ort des Interviews: Bagdad. Obamas Stellvertreter weilte in der irakischen Hauptstadt, um die US-Truppen am amerikanischen Nationalfeiertag, dem 4. Juli, zu besuchen und Gespräche mit der Regierung von Premierminister Nuri Al Maliki zu führen. Auf die Frage von Stephanopoulos, ob die USA, sollte sich die Führung in Tel Aviv um Premierminister Benjamin Netanjahu für einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen entscheiden, versuchen würden, ihrem Verbündeten an der Realisierung eines solchen Vorhabens zu hindern, antwortete Biden, Israel sei ein "souveräner Staat", der in außenpolitischen Belangen tun und lassen könne, was er für richtig halte; dazu sei Israel "berechtigt"; Washington könne "einer anderen souveränen Nation nicht diktieren, was sie zu tun oder zu lassen habe".

Die Antworten Bidens sind nicht nur unsinnig, sondern auch eine gezielte Provokation Teherans. Tagein, tagaus versuchen die USA anderen Ländern vorzuschreiben, was sie tun sollen - aktuellstes Beispiel ist Nordkorea, dem Washington das Recht auf Selbstverteidigung, einschließlich des ganz legalen Testens von Raketen und Atomwaffen, streitig macht. Würde Israel den Iran auf den bloßen Verdacht hin, daß dessen Atomanlagen militärischen Zwecken dienen - was die Führung in Teheran bestreitet und wofür die zuständigen Inspekteure der internationalen Atomenergieagentur (IAEA) keinerlei Belege gefunden haben - angreifen, wäre dies kein Akt der Selbstverteidigung, sondern ein illegaler Angriffskrieg zur Aufrechterhaltung der militärischen Führungsposition Israels im Nahen Osten und per se illegal. Eine US-Regierung, die der Regierung in Tel Aviv von einem solchen Schritt nicht abriete, machte sich der Beihilfe zum schlimmsten aller Verbrechen schuldig.

Es darf auch nicht vergessen werden, daß ein solcher israelischer Luftangriff, sollt es dazu kommen, weitestgehend mit Flugzeugen, Raketen, Bomben und sonstiger Militärtechnik Made in the USA durchgeführt würde. Interessant war in diesem Zusammenhang Bidens Antwort auf Stephanopoulos' anschließende Frage, ob in einem solchen Szenario das US-Militär im Irak den Luftraum über dem Zweistromland für die israelischen Angreifer freigeben würde. Darüber wolle er nicht spekulieren, erklärte der Ex-Senator aus Delaware. Damit hat Biden in aller Öffentlichkeit die Möglichkeit eingeräumt, daß die USA Israel tatsächlich grünes Licht für einen Angriff einschließlich der Nutzung des von ihnen vollständig kontrollierten, irakischen Luftraums geben könnten.

Stephanopoulos' Fragen hinsichtlich der Möglichkeit eines israelischen Überraschungsangriffs auf den Iran kamen nicht aus heiterem Himmel. Am 2. Juni hatte John Bolton, der Ex-UN-Botschafter George W. Bushs und Sprachrohr des neokonservativen Militaristenklüngels in den USA, in einem Gastbeitrag für die Washington Post angesichts des Scheiterns der "Demokratiebewegung" im Iran geschrieben, daß "die Zeit für einen israelischen Angriff gekommen" sei, weil diese Option die einzige noch verbliebene Möglichkeit sei, das "Mullah-Regime" in Teheran am Erlangen des Besitzes der Atombombe zu hindern. Am selben Tag, als das Stephanopolous-Interview mit Biden bei ABC ausgestrahlt wurde, veröffentlichte die Londoner Sunday Times einen aufsehenerregenden Artikel, in dem es unter Verweis auf diplomatische Quellen hieß, die Saudis, denen die schiitisch-dominierte Islamische Republik Iran seit ihrer Gründung 1979 ein Dorn im Auge ist, hätten ihrerseits den Israelis grünes Licht für die Nutzung ihres Luftraums bei einem entsprechenden Angriff auf das Nachbarland gegeben. Nach Angaben der Sunday Times hätten die Saudis entsprechende Zusicherungen gegenüber der israelischen Führung unter anderem bei einem geheimen Besuch des Mossad-Chefs Meir Dagan in Riad in diesem Frühjahr gemacht. Die israelische Regierung hat den Sunday-Times-Bericht als "grundlegend falsch und völlig haltlos" abgetan.

Lauter Dementis waren auch aus Ägypten am 3. Juli zu vernehmen, nachdem Vertreter des israelischen Verteidigungsapparats die Nachricht lanciert hatten, daß ein israelisches U-Boot im Juni zweimal den Suezkanal passiert hatte - einmal, um an einem Manöver im Roten Meer teilzunehmen, und einmal, um zurück zum Mittelmeer und zum Heimathafen Haifa zu gelangen. In einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters wurde ein nicht namentlich genannter Angehöriger entweder der israelischen Streitkräfte oder des israelischen Verteidigungsministeriums mit den Worten zitiert, besagte Teilnahme des Delphin-U-Boots am Manöver im Roten Meer zeige, daß man "noch leichter als zuvor den Indischen Ozean und den [Persischen] Golf erreichen" könne. Hierzu gab es eine entsprechende Erklärung eines ägyptischen Regierungsprechers, der bestritt, daß ein israelisches U-Boot den Suezkanal jemals passiert habe, und behauptete, daß Kairo Tel Aviv bei einem Angriff auf den Iran "niemals logistisch helfen" würde. Die Beteuerungen der Ägypter sind mit Vorsicht zu genießen, denn diese sind auf ihre eigene Führungsposition innerhalb der arabischen und islamischen Welt stets sehr bedacht und stehen dem Iran unter anderem wegen dessen Unterstützung für die schiitisch- libanesische Hisb Allah ebenso feindlich gegenüber wie die Saudis.

In einem Artikel über die Bedeutung dieser Episoden meinte Aluf Benn am 7. Juli in der liberalen israelischen Tageszeitung Ha'aretz, die Äußerung Bidens sei eine "Warnung an den Iran, daß er, wenn er sich nicht auf einen ernsthaften Dialog mit Präsident Barack Obamas Administration einlasse, wahrscheinlich angegriffen werde". Da stellt sich die Frage, was in diesem Zusammenhang unter "ernsthaftem Dialog" zu verstehen ist. Bisher fordern die Israelis und Amerikaner, daß die Iraner auf die Anreicherung von Uran verzichten. Die Führung in Teheran lehnt dies ab, weil der Iran als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags das unveräußerliche Recht auf Zugang zu allen Aspekten des nuklearen Kreislaufs genießt, und sieht nicht ein, warum sie darauf verzichten und ihr Land damit zu einer Nation zweiter Klasse degradieren lassen soll. Ein tragfähiger Kompromiß in diesem erbitterten Streit kommt daher der Quadratur des Kreises gleich, weshalb die Bereitschaft zu einem "ernsthaften Dialog" allen Beteiligten, nicht nur den Iranern, gut anstünde und weshalb das gefährliche Säbelrasseln der Israelis dem Frieden in der Region überhaupt nicht dienlich ist.

7. Juli 2009