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ZOOLOGIE/823: Wie ein Fisch im Wasser - Schildkrötenart lebt sechs Monate ohne Auftauchen (idw)


Universität Wien - 01.06.2010

Wie ein Fisch im Wasser: Schildkrötenart lebt sechs Monate ohne Auftauchen

Utl.: Biologen der Universität Wien publizieren zur Atmung der Moschusschildkröte

Moschusschildkröte - Bild: Universität Wien

Moschusschildkröte
Bild: Universität Wien

Die Moschusschildkröte kann rund sechs Monate lang unter Wasser verweilen. Wie das Reptil atmet, haben Wissenschafter um Egon Heiss am Department für Theoretische Biologie der Universität Wien untersucht: Im Mund- und Rachenraum der Schildkröte befinden sich Papillen - lappenförmige, von Blutgefäßen durchzogene Oberflächenstrukturen, die den im Wasser enthaltenen Sauerstoff aufnehmen und Kohlendioxid abgeben. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift "The Anatomical Record" veröffentlicht.

Wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser bewegt sich die Moschusschildkröte, denn sie taucht bis zu sechs Monate nicht auf. Ausgangspunkt der Untersuchung war eine Analyse des Fressverhaltens: "Dabei sind wir auf die lappenförmigen Oberflächenstrukturen des Mund- und Rachenraums gestoßen, die bei der Moschusschildkröte besonders ausgeprägt sind", sagt Egon Heiss vom Department für Theoretische Biologie der Universität Wien. Bisher war die Funktion der Papillen ein Rätsel, denn auch andere, nicht unter Wasser atmende Schildkrötenarten verfügen über oberflächenvergrößernde Ausstülpungen.


Keine Atmung über die Haut

Da diese großen, verzweigten Papillen der Moschusschildkröte nicht in Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme stehen, erforschten die Wissenschafter deren Atmung. Bisher wurde angenommen, der Gasaustausch - Sauerstoff aufnehmen, Kohlendioxid abgeben - erfolge über die Haut; Seeschlangen, viele Amphibien und auch Weichschildkröten "atmen" auf diese Weise. Doch die Haut der Moschusschildkröte ist dick, verhornt und es finden sich wenige Gefäße darunter. Atmen kann sie damit nicht.


Papillen unter dem Mikroskop

Anders die Papillen: Sie sind von zahlreichen Blutgefäßen durchzogen. Die Forscher untersuchten dabei sehr dünn geschnittenes Gewebe, das sie aus dem Museum bezogen und von dem sie unter dem Lichtmikroskop digitale Aufnahmen erstellten. Zur Verwendung kam außerdem ein Rasterelektronenmikroskop, das bemerkenswert hohe Vergrößerungen der Oberflächenstrukturen lieferte. Heiss erläutert: "Die Aufnahmen zeigen, wie präsent diese Papillen sind. Sie sind verhältnismäßig groß, verzweigt und in großer Zahl vorzufinden. Und sie werden perfekt durchspült, da die Schildkröten ihren Rachenraum regelmäßig mit frischem Wasser versorgen. Somit steht fest, dass diese Tiere etwas Ähnliches wie Kiemen entwickelt haben."


Eine ungewöhnliche Schildkröte

Die Moschusschildkröte ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich: Mit einer Größe von 7,5 bis 10 cm ist sie eine der kleinsten Schildkrötenarten - Riesenschildkröten auf den Galápagos-Inseln erreichen dagegen eine Panzerlänge von über einem Meter. Ihr Aussehen ähnelt - obwohl Wasserschildkröte - den Landschildkröten; außerdem ist sie in der Lage, unter Wasser zu atmen und schreckt ihre Feinde mit einem stark riechenden Sekret ab, das sie produziert. Ihre Heimat sind die Süßgewässer Nordamerikas, wo sie vor allem Schnecken verzehrt.


Über das Department für Theoretische Biologie

Am Department für Theoretische Biologie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien werden nicht nur Moschusschildkröten erforscht, sondern beispielsweise der spanische Rippenmolch, die junge asiatische Riesenschildkröte und der mexikanische Schwanzlurch. Egon Heiss ist besonders von Schildkröten angetan: "Es gibt sie seit rund 220 Millionen Jahren. Sie sind die ältesten Landwirbeltiere und bestehen immer noch. Das ist einfach faszinierend."



Weitere Informationen finden Sie unter:
http://public.univie.ac.at
- Presseportal der Universität Wien

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution84


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Alexander Dworzak, 01.06.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2010