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ZOOLOGIE/1534: Wie aus fleischfressenden Wespen vegetarische Bienen wurden (idw)


Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung - 24.05.2018

Wie aus fleischfressenden Wespen vegetarische Bienen wurden


Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter Entomologe und Evolutionsbiologe Michael Ohl vom Museum für Naturkunde Berlin, stellt eine Hypothese über den evolutiven Ursprung der Bienen und ihre nächsten Verwandten im renommierten Wissenschaftsmagazin Journal BMC Evolutionary Biology auf. Danach zählen die nächsten Verwandten der Bienen zu einer Wespengruppe, die zu den Grabwespen gehört. Damit wurde eines der faszinierendsten Rätsel in der Evolutionsforschung der Wespen und Bienen gelöst, nämlich wie aus den ursprünglich fleischfressenden Grabwespen vegetarische Bienen wurden.

Bienen sind mit mehr als 20.000 bekannten Arten weltweit eine enorm vielfältige Insektengruppe. Besonders den Wildbienen kommt eine große Bedeutung bei der Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen zu. Die Entwicklung ihrer rein vegetarischen Ernährung war eine der wichtigsten Innovationen der Bienen und Ausgangspunkt für ihren enormen evolutiven Erfolg. Einem Team aus elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter Entomologe und Evolutionsbiologe Michael Ohl vom Museum für Naturkunde Berlin ist es nun gelungen, eine plausible Hypothese über den evolutiven Ursprung der Bienen und zu der Frage nach ihren nächsten Wespenverwandten zu entwickeln.

In einer umfangreichen genetischen Studie, in der 195 Gene von mehr als 180 Wespen- und Bienenarten untersucht wurden, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen detaillierten Stammbaum rekonstruieren. Dieser zeigt, dass die nächsten Verwandten der Bienen zu einer Wespengruppe zählen, die zu den Grabwespen gehört und den wissenschaftlichen Namen Ammoplanidae trägt. Diese nur wenige Millimeter großen Wespen jagen als Nahrung für ihre Larven blütenbesuchende, pollenfressende Thripsen (Gewittertierchen) und tragen sie in ihre Nester ein.

Es ist wahrscheinlich, dass durch den Transport von Thripsen, die Pollen gefressen hatten sowie von Pollen bedeckt waren, der Pollen zufällig von den Wespenlarven mitgefressen wurde. Dies war der erste Schritt auf dem Weg zur obligatorischen Pollenernährung und damit zur Entstehung der Bienen. Das Auftreten von Blütenpflanzen in der frühen Kreidezeit (vor etwa 100 Millionen Jahren) führte zu einer vielfältigen evolutiven Entwicklung und Koevolution von Blütenpflanzen und Bestäubern. Die Umstellung auf eine rein vegetarische, pollen- und nektarfressende Lebensweise eröffnete den frühen Bienen nicht nur neue Lebensräume, sondern auch eine einfachere Strategie zum Eintragen von Nahrung für ihre Larven im Vergleich zur Jagd nach lebendigen und wehrhaften Beutetieren.

Die Hypothese, dass die ältesten Vorfahren der Bienen nur wenige Millimeter große Wespen sein könnten, wird zudem durch den Fossilbefund unterstützt, nach dem die ältesten bekannten Bienen aus kreidezeitlichem Bernstein ebenfalls Arten mit sehr geringer Körpergröße waren. Michael Ohl vom Museum für Naturkunde Berlin, und Manuela Sann, die jetzt an der Universität Freiburg tätig ist, sind Initiatoren des Projekts. Sie betonen, dass mit ihrer Untersuchung eines der faszinierendsten Rätsel in der Evolutionsforschung der Wespen und Bienen gelöst wurde, nämlich wie aus den ursprünglich fleischfressenden Grabwespen vegetarische Bienen wurden. Aufbauend auf ihren Befunden schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun eine gravierend überarbeitete Klassifikation der Grabwespen vor. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in dem international renommierten wissenschaftlichen Journal BMC Evolutionary Biology veröffentlicht.


Link zum Artikel:
https://bmcevolbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12862-018-1155-8.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1323

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions-
und Biodiversitätsforschung - 24.05.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2018

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