Goethe-Universität Frankfurt am Main - 25.02.2016
Filter im Ohr sorgt für bessere Kommunikation
Bei Heuschrecken wird die Wahrnehmung und Verarbeitung von akustischer Information schon im Ohr beeinflusst. So können sie z.B. gezielter auf den Lockgesang von Artgenossen reagieren. Das berichtet ein Forscherteam unter Federführung der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe des Journal of Neuroscience.
FRANKFURT. Gut zu hören ist für die meisten Tiere eine Frage des Überlebens. Damit Signale schnell und effizient registriert und bewertet werden können, filtert bereits das Ohr die relevanten Ereignisse heraus. Das fand ein Forscherteam der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Cambridge (UK) und dem Max-Planck-Institut für Biophysik anhand einer Studie an Laubheuschrecken heraus, die in der aktuellen Ausgabe des Journal of Neuroscience veröffentlicht ist.
Die Laubheuschrecke hat ihre Ohren auf den Vorderbeinen.
Foto: © Markus Schäfer
"Das Ohr von Heuschrecken ist zwar nicht nahe mit dem Säugetierohr
verwandt, aber in seiner Arbeitsweise ist es verblüffend ähnlich", so Dr.
Manuela Nowotny vom Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft der
Goethe-Universität. Seit Jahren erforscht ihre Arbeitsgruppe die
Signalverarbeitung bei Laubheuschrecken, deren Ohren sich anatomisch
einfach zugänglich in den Vorderbeinen befinden. Mit ihren nur 45
Sinneszellen sind sie ausserdem überschaubarer aufgebaut als das
menschliche Ohr, das über 3600 Sinneszellen besitzt.
Die Ohren verarbeiten akustische Signale in zwei Schritten. Der erste besteht darin, Schallwellen in eine Bewegung des Hörorgans umzuwandeln. Bereits 2014 konnte die Arbeitsgruppe von Nowotny zeigen, dass die zum Gehirn weitergeleiteten Signale nicht alle Schallsignale in der Umgebung exakt abbilden. Vielmehr werden einige Frequenzbereiche im Lockgesang der Männchen, die für die Fortpflanzung der Tiere relevant sind, überbetont. Sie erzeugen im Ohr stärkere Schwingungen als andere Schallsignale. Insofern bewertet das Ohr Signale schon beim ersten Schritt der Wahrnehmung, was einer Filterung entspricht.
In der aktuellen Studie hat Dr. Jennifer Hummel zusammen mit dem Forscherteam den zweiten Schritt der Schallverarbeitung untersucht, bei der die mechanische Schwingung der Sinneszellen in ein elektrisches Nervensignal für das Gehirn übersetzt wird. Das geschieht, indem sich bewegungssensitive Ionenkanäle öffnen, so dass Ionen in die Sinneszelle einströmen können. Dies löst eine Signalkaskade aus, wodurch elektrische Potentiale für das Gehirn erzeugt werden. Bisher war jedoch nicht klar, wie die physikalischen Änderungen in dem Schallfeld genau im Ohr wahrgenommen und verarbeitet werden.
Nun konnte das Forscherteam nachweisen: nicht alle Bewegungen der Sinneszelle führen dazu, dass sich die Ionenkanäle öffnen. Vielmehr ist das richtige Timing entscheidend und - damit verbunden - die Richtung, in welcher die Sinneszellen ausgelenkt werden. Der Frequenzbereich, den eine einzelne Sinneszelle wahrnehmen kann, ist durch diesen zweiten biomechanischen Filter im Ohr zusätzlich eingeschränkt. "Ohren wandeln also nicht einfach alle Schallwellen in neuronale Aktivität um, sondern sie filtern die Informationen, die durch Schallwellen erzeugt werden, um präzisere neuronale Signale zu erhalten und damit eine bessere Kommunikation zu ermöglichen", erklärt Manuela Nowotny.
Publikation:
Jennifer Hummel, Stefan Schöneich, Manfred Kössl, Jan Scherberich,
Berthold Hedwig, Simone Prinz, Manuela Nowotny:
Gating of Acoustic Transducer Channels Is Shaped by Biomechanical Filter
Processes, in:
The Journal of Neuroscience, February 24, 2016 - 36(8):23 77-2382 - 2377.
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der
europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten
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fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto "Wissenschaft für
die Gesellschaft" in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen
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Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den
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sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als
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Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften
sowie Geisteswissenschaften."
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 25.02.2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2016
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