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ENTWICKLUNG/1553: OP-Roboter - Für eine höhere Genauigkeit im OP (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 6, Juni 2021

Für eine höhere Genauigkeit im OP

von Uwe Groenewold


OP-ROBOTER. Neue Technologie in der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg. Ziele: Kürzere Reha und weniger Revisionen durch größere Präzision.


Die Digitalisierung im Krankenhaus macht sich immer stärker auch im Operationssaal bemerkbar. Zwar ist das Geschick der Chirurgen nach wie vor maßgeblich für den Behandlungserfolg verantwortlich, doch die mit Robotertechnologie ausgestatteten Unterstützungssysteme helfen bei der OP-Planung, übernehmen komplexe Handgriffe und bügeln mögliche Schnitzer des Operateurs aus, indem sie bei Planabweichungen ihre Arbeit einstellen. Die neuesten Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit:

• Die Uniklinik Rostock vermeldete im Februar, dass das Model Rosa (Robotic Surgery Assistent) künftig in der Neurochirurgie eingesetzt werde. Statt mit Röntgenstrahlen misst der Roboter das Gesicht des Patienten per Laser aus und führt den Operateur exakt an die Stelle im Gehirn, an der Implantate eingesetzt oder Proben entnommen werden sollen. Die bildgebende Diagnostik könne gutartige von bösartigen Tumoren unterscheiden, so die Uni; Patienten mit Hirntumoren, Epilepsien, Parkinson oder anderweitigen Bewegungsstörungen würden von dem Roboter profitieren.

• Im Herzzentrum der Uniklinik Freiburg werden seit April Infarktpatienten mit einem Herzkatheter-Roboter behandelt. Das Unterstützungssystem weitet verengte Kranzgefäße oder setzt Stents ein. Der Roboterarm wird mit Hilfe von Sensoren über eine Steuerungskonsole gelenkt, die in beliebiger Entfernung vom Behandlungstisch steht. Ähnlich funktioniert das seit Jahren in der Inneren Medizin sowie in Urologie und Gynäkologie im Einsatz befindliche OP-Robotersystem Da Vinci. Chirurgen müssen künftig also nicht mehr zwingend am Tisch stehen; dank Robotertechnologie ist der Weg für telemedizinische Eingriffe geebnet.

• Die Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg setzt bei der Kniegelenkersatzchirurgie ab sofort auf die Unterstützung durch einen OP-Roboterarm - als erstes Krankenhaus im Großraum Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein, wie die Klinik betont. Die MAKO genannte Technologie ermögliche den Einsatz eines künstlichen Kniegelenks mit idealer und millimetergenauer Positionierung. Ein optimaler Sitz der Prothese könne auf diese Weise mit hoher Sicherheit erreicht werden - "Voraussetzung für ein schmerzfreies Leben mit einem künstlichen Gelenk", wie Dr. Johannes Erler, Sektionsleiter Endoprothetik, im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt betonte.

Eine OP-Planung auf Grundlage eines CT-Bildes gehört auch bei den bisherigen Gelenkersatzoperationen zum Standard. Die Planungssoftware des MAKO-Systems errechne jedoch auf Basis der Röntgenbilder ein 3D-Modell und mache Vorschläge zur Wahl der Prothesengröße und Positionierung der Sägeschnitte, so die Paracelsus-Klinik in einer Mitteilung. Der Operateur könne die Vorschläge optimieren und während der OP auf nötige Veränderungen reagieren. Neben der präzisen Planung ergeben sich die eigentlichen Vorteile für den Operateur während des Eingriffs mit dem Roboterarm: Das System gibt dem Arzt beim Sägen des Knochens eine Echtzeitrückmeldung durch grüne oder rote Leitlinien. Die elektronisch gesteuerte Säge arbeitet mit ausgesprochen hoher Präzision auf einen Millimeter beziehungsweise ein Grad genau. "Diese Genauigkeit ist von Hand nicht zu erreichen", erklärte Erler.

Gleichwohl bleibt der Chirurg der wichtigste Akteur im OP, die elektronische Säge lässt sich nur durch Muskelkraft führen. Der Roboterarm ist gleichzeitig jedoch auch eine Art Korrektiv: Weicht der Operateur beim Knochenschnitt von der gespeicherten Planung ab, stoppt der Sägevorgang automatisch. Präzision und Patientensicherheit stünden im Vordergrund dieser neuen Operationstechnik, so die Paracelsus-Klinik. Die Vorteile für die Patienten seien deutlich spürbar: das künstliche Gelenk ist beweglicher, Schmerzen nach der Operation verringern sich und die Patienten sind schneller wieder auf den Beinen. "Studien zufolge können Patienten, die mit einem MAKO operiert wurden, schneller wieder ihre Alltagstätigkeiten aufnehmen", sagte Dr. Jürgen Ropers, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie. Laut Untersuchungen insbesondere aus den USA, wo das System bereits seit rund zehn Jahren etabliert ist, verkürzt sich auch die Reha-Zeit und das Risiko für Revisionsoperation verringert sich. Weltweit gibt es rund 220 MAKO-OP-Roboter, in deutschen Kliniken sind schätzungsweise 25 Geräte dieser Art im Einsatz.

Die Paracelsus-Klinik Bremen operiere seit März 2020 mit einem solchen System, das seitdem bei rund 150 Patienten eingesetzt wurde, erläutert Dr. Erler. "Nach Auskunft des Kollegen vor Ort sind viele Patienten so zufrieden mit Eingriff und Heilungsverlauf, dass sie keine Reha mehr benötigen. Das ist ein Quantensprung in der Versorgung, da wollen wir auch hin." Selbstverständlich dürfe das neue System nicht zu einer übereilten Entscheidung zur Implantation führen, die Indikation werde nur nach Ausschöpfung aller konservativer Maßnahmen in Abstimmung mit dem Patienten gestellt. "Die wenigsten Patienten haben zunächst den Wunsch, ein künstliches Gelenk zu erhalten. Wenn der Leidensdruck jedoch zu groß wird, ist eine Operation oft unausweichlich."

Ob sich die Investition - Anschaffungskosten im hohen sechsstelligen Bereich, dazu regelmäßige Wartungs- und Materialkosten - für die Paracelsus-Klinik lohnt, lässt sich heute noch nicht sagen. Grundsätzlich begrüßen Gesundheitsexperten die digitale Entwicklung in den Kliniken und in den Operationssälen. Gemäß Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (§ 19, Abs. 1, Nr. 9) gehören robotikbasierte Anlagen und Systeme zu den förderfähigen Digitalisierungsvorhaben; die Bundesregierung will damit Investitionshürden für Kliniken schmälern.

Laut Erler werden die Kosten bei rund 35 operierten Patienten pro Jahr gedeckt. Klinikintern rechne man zunächst mit 50 Patienten jährlich, Tendenz steigend. "Wenn es gut läuft, wollen wir das OP-Programm mit dem MAKO-System ausweiten, etwa auf Hüftendoprothesen. Für dieses Jahr ist das allerdings noch nicht vorgesehen." Klinikmanagerin Anke Franzke erklärte dazu: "Als moderne Klinik wollen wir unseren Patienten die bestmögliche und qualitativ hochwertigste medizinische Versorgung bieten. Wenn medizinische Innovationen das Beste des Menschen mit dem Besten der Künstlichen Intelligenz verknüpfen, dann ist das genau der Weg, den wir hier an der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg einschlagen möchten."

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Info

Jährlich werden in Deutschland rund 200.000 künstliche Kniegelenke implantiert. Der Eingriff selbst dauert nach Angaben von Dr. Johannes Erler rund 60 Minuten, ein etwa einwöchiger Klinikaufenthalt und eine dreiwöchige Reha schließen sich an. Am häufigsten zum Einsatz kommt eine Oberflächenprothese. Dabei werden defekte Gelenkanteile entfernt und die Knochen an Ober- und Unterschenkel überkront. Seltener sind Schlittenprothesen und gekoppelte Prothesen. Die Standzeit künstlicher Kniegelenke ist lang, einer Lancet-Studie von 2019 zufolge halten 82 Prozent der Prothesen 25 Jahre.
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 6, Juni 2021
74. Jahrgang, Seite 36-37
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 3. August 2021

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