Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → SOZIALES

INITIATIVE/063: Gesundheit schafft Frieden - Das Internet-Projekt "Medical Peace Work" (IPPNWforum)


IPPNWforum | 124 | 10
Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Gesundheit schafft Frieden
Der Online-Kurs Medical Peace Work

Von Angelika Wilmen


Die afrikanische Tryponosomias, die Schlafkrankheit, war im Jahr 1974 fast verschwunden. Doch in den 1980er-Jahren trat die Erkrankung wieder vermehrt auf. In einigen afrikanischen Landesteilen stellte sie sogar die häufigste Todesursache unter Erwachsenen. Was war geschehen? Mobile Teams hatten in Afrika systematisch Millionen von Menschen in Risikogebieten untersucht. Außerdem wurden Tsetse-Fliegen, die Überträger der Krankheit, wirksam bekämpft. Doch kriegerische Auseinandersetzungen zerstörten diese langfristigen Gesundheitsprogramme. So kollabierten die Kontrollprogramme in Angola wegen des seit 40 Jahren anhaltenden Bürgerkriegs. Die Erkrankungsrate stieg exponentiell an. In einigen Provinzen sind heute bis zu 50 Prozent der Bevölkerung betroffen: Die Sterberaten liegen über denen für HIV/Aids.

Krieg und Gewalt verursachen nicht nur direkte Opfer. Aufgrund von Mangel an notwendigen Medikamenten für akute und chronische Erkrankungen oder Zerstörung von Material, Einrichtungen und funktionierender Infrastruktur wie Krankenwagen und -häusern können auch die generell auftretenden Erkrankungen nicht adäquat behandelt werden. Im Jahr 2002 hat die WHO erstmalig den "World Report on Violence and Health" herausgegeben, in dem Gewalt als Problem der öffentlichen Gesundheit benannt wird. Außerdem zeigt der Bericht, dass Gesundheitsberufe einen großen Anteil daran haben, direkte Gewalt zu verhindern.

Ein Beispiel dafür ist El Salvador, wo 1985 auf Initiative von UNICEF Impftage des Friedens stattfanden. Diese "Tage des Friedens" müssen in bestimmten Intervallen abgehalten werden, damit die Kinder alle notwendigen Teilimpfungen erhalten können. "Obwohl diese Kampfunterbrechungen nur für Impfprogramme gemacht werden, und kein eigentlicher Waffenstillstand oder Vorstufe für Friedensverhandlungen sind, stellt dieser Prozess von Dialog und Vereinbarung, doch an sich eine wertvolle Anti-Kriegs-Aktivität dar. Seit damals wurde das Konzept in vielen Ländern wiederholt, wie zum Beispiel in Uganda, Bosnien, Afghanistan, Sri Lanka und im Libanon", heißt es in dem UNICEF-Grundsatzpapier "Kinder im Krieg".

Menschen in Gesundheitsberufen haben einen besonderen Zugang zur Bevölkerung, man verbindet mit ihnen Solidarität, Selbstlosigkeit und Überparteilichkeit. Dadurch bieten sich Chancen, über die Grenzen verfeindeter Parteien hinweg friedensbildend zu wirken. Gesundheit wird als übergeordnetes Ziel aller definiert und Kriegsfolgen als Problem der gesamten öffentlichen Gesundheit.

Menschen in Gesundheitsberufen können auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen und Daten sammeln, die auf die Zusammenhänge zwischen Einsatz bestimmter Waffen und der Häufung von Erkrankungen in der Zivilbevölkerung aufmerksam machen. Ein Beispiel dafür ist die Zunahme von Geburtsanomalien in Kriegsgebieten noch Jahre nach Beendigung von Kampfhandlungen, die im Zusammenhang mit dem Einsatz von Depleted Uranium stehen könnten. Medizinische Friedensarbeit umfasst ein breites Themenspektrum - von der Vorbeugung von Selbstmord und zwischenmenschlicher Gewalt, über die Stärkung von Menschenrechten und gerechten Strukturen, bis hin zur zivilen Konfliktbearbeitung und Prävention von Atomkrieg.

Das Internet-Projekt "Medical Peace Work" will Gesundheitspersonal über die Folgen von Krieg und anderen Formen von Gewalt für die Gesundheit von Individuen und Bevölkerungsgruppen informieren. Sieben Online-Kurse zeigen, wie das Gesundheitspersonal einen eigenen Beitrag zu Friedensstiftung, Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung leisten kann.

Die Kurse, die weltweit angeboten werden, wurden von 19 Organisationen aus Dänemark, Deutschland, Finnland, den Niederlanden, Norwegen, Slowenien, der Türkei und Großbritannien entwickelt - darunter der deutschen Sektion der IPPNW. "Es ist entscheidend, dass Ärzte und anderes Gesundheitspersonal verstehen, wie Menschen physisch und psychisch von Machtmissbrauch und Kriegen beeinträchtigt werden. Viele Gesundheitsberufler wollen mehr tun, als die Verwundeten zusammen zu flicken. Sie wollen die Grundlagen der Friedensarbeit verstehen und ihren Beitrag leisten, um Gewalt zu verhindern und Frieden zu schaffen, so Projektleiter Klaus Melf vom Gesundheitsamt des Provinzgouverneurs in Tromsö, Norwegen.


Angelika Wilmen ist Pressesprecherin der deutschen IPPNW und betreut das Medical Peace Work Programm.


LESEN:
"Hier & dort", Einblicke in die Globale Gesundheit, GandHI, 2009
Internet: www.medicalpeacework.org


*


Quelle:
IPPNWforum | 124 | 10, Dezember 2010, S. 26
Herausgeber:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Anschrift der Redaktion: IPPNWforum
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de

IPPNWforum erscheint 4 mal im Jahr.
Preis 3,50 Euro je Exemplar. Der Bezugspreis für
Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2011