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ARTIKEL/509: Achtung! Arbeit kann Ihre Gesundheit gefährden (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 20 vom 18. Mai 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Achtung: Arbeit kann Ihre Gesundheit gefährden

Gesundheit hängt von der Arbeitsqualität ab - Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit

von Manfred Dietenberger


Die aktuelle DAK-Gesundheits-Studie 2012 stellte fest, das der Krankenstand 2011 auf 3,6 Prozent angestiegen ist. 2012 lag er noch bei 3,4 Prozent. Damit liegt der Krankenstand so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Zu den besonders interessanten Ergebnissen des DAK-Gesundheitsreports 2012 gehört der Umstand, dass junge Beschäftigte mehr als doppelt so häufig krankgeschrieben werden als ihre älteren Kollegen. Ist die heutige Jugend also fauler als die Älteren, ist sie gar arbeitscheu? Weit gefehlt - ganz im Gegenteil: Junge Malocher schleppen sich hierzulande immer öfter krank an den Arbeitsplatz. Das ergab jetzt eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit für junge Beschäftigte. Obwohl krank, gehen 80 Prozent der jungen Beschäftigten zur Arbeit. Rund die Hälfte von ihnen (46 Prozent) gehen erkrankt zum Hausarzt. Statt sich von dem krankschreiben zu lassen, nehmen sie lieber die ihnen verschriebenen Medikamente um damit gedopt wieder "fit" für die Arbeit zu sein. Es zeigt sich, Jugend schützt vor Krankheit nicht.

Fast ein Drittel (28 Prozent) der jungen Erwerbstätigen zwischen 35 bis 65 Jahren gaben laut DAK-Gesundheitsbericht 2012 zu Protokoll, dass sie in den letzten drei Monaten unter Schlafproblemen wie Ein- und Durchschlafstörungen litten. Von Schlafstörungen berichten 45 Prozent derjenigen mit "schlechter Arbeit", aber nur fünf Prozent jener mit "guter Arbeit". Das zeigt eindrücklich, wie sehr Gesundheit auch von der Arbeitsqualität abhängt.

Besonders junge Menschen brauchen eine Berufsperspektive und stabilere und der Gesundheit förderliche, zuträgliche Arbeitsbedingungen. Aber gerade daran hapert es gewaltig. Daher wundert es nicht, dass psychische Krankheiten bei jungen Arbeitern auf dem Vormarsch sind. Gerade Jungarbeiter sind von dem in den Betrieben und Verwaltungen ständig steigenden Leistungsdruck und von prekärer Beschäftigung besonders stark betroffen. Von den 15- bis 29-Jährigen hat jeder Zehnte Schmerzen oder körperliche Probleme ohne organische Ursache, aber oft begleitet von Depressionen. Obwohl nur 20 Prozent der jungen Beschäftigten mit Gesundheitsproblemen sich krankschreiben lassen, stellt der Gesundheitsreport 2012 fest, dass dennoch junge Arbeiter mehr als doppelt so häufig krankgeschrieben werden als ihre älteren Kollegen. Wird ein älterer Arbeiter krank, bleibt er das aber deutlich länger als sein jüngerer Kollege.


Ältere Belegschaften haben einen höheren Krankenstand

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hat sich der Anteil der 60- bis 65-Jährigen an allen Erwerbstätigen in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht. Auffällig ist auch der im DAK-Gesundheitsreport festgestellte Trend bei den psychischen Erkrankungen. Im vergangenen Jahr ist ihr Anteil von 12,1 auf 13,4 Prozent am Gesamtkrankenstand, die Anzahl der dadurch verursachten Fehltage sogar um 16 Prozent gestiegen. Damit hat sich in den vergangenen 15 Jahren der Anteil psychischer Erkrankungen am Krankenstand mehr als verdoppelt. Bei psychischen Leiden liegt die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung bei rund 30 Tagen. Das Risiko für einen Herzinfarkt steigt ab etwa 55 Jahren stark an. Abgesehen von den klassischen Risikofaktoren Rauchen, Bluthochdruck oder Fettleibigkeit richtet der DAK-Report dankenswerterweise den Fokus vor allem auf den Zusammenhang zwischen Arbeitssituation und psychosoziale Belastungsfaktoren. Eine Befragung von 3 000 Beschäftigten interessierte sich für die Belastungen im Arbeitsalltag und um Aspekte von "Belohnung" (Gratifikation). Jeder fünfte dazu Befragte fühlt sich stark oder sehr stark durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens belastet. Fast ebenso häufig wurden als Stressursachen auch Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsablaufs angegeben. Mit jeweils knapp zehn Prozent wurden Verantwortung bei der Arbeit sowie die häufige Notwendigkeit für Überstunden als (sehr) stark belastend empfunden. Mehr als jeder Fünfte (22,2 Prozent) empfindet das Missverhältnis zwischen Bezahlung und erbrachter Leistung als eine starke oder sehr starke Belastung. Rund 17 Prozent fühlen sich sehr belastet, weil Vorgesetzte ihnen zu wenig Anerkennung zukommen lassen. Fast ebenso häufig (15 Prozent) lassen sich Belastungen darauf zurückführen, dass Beschäftigte eine Verschlechterung ihrer Arbeitssituation befürchten oder tatsächlich erfahren müssen. Gute 16 Prozent stresst, dass sie bei der Arbeit häufig Dinge tun müssen, die sie anders erledigen würden.

Weitere Belastungen: Rund jeder Zehnte bekommt oft widersprüchliche Anweisungen von zwei oder mehr Personen. Besonders in Dienstleistungsberufen gilt: Sich widersprechende Anforderungen - etwa von Kunden und Vorgesetzten - sind ein starker Stressor. Auch Umstrukturierungen sind Belastungsfaktor für psychosozialen Stress. Knapp die Hälfte der Befragten war in den vergangenen zwei Jahren von einem größeren strukturellen Umbau des Unternehmens betroffen. Fazit: Die Werktage müssen für Jung und Alt endlich menschlicher werden. Ein menschliches, nicht von der Profitmaximierung verseuchtes Betriebsklima, entschleunigte Arbeit, demokratische Betriebsstruktur und familiengerechte Arbeitsplätze wären ein geeignetes Mittel psychische Erkrankungen weitgehend zu vermeiden. Bis das betriebliche Wirklichkeit wird, bedarf es vieler, harter Arbeitskämpfe. Bis dahin gehört in jeden Arbeitsvertrag der Hinweis: Achtung, Arbeit gefährdet ihre Gesundheit. Arbeit kann töten.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP
44. Jahrgang, Nr. 20 vom 18. Mai 2012, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012

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