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FORSCHUNG/250: Kuschelhormon Oxytocin könnte Therapie psychischer Erkrankungen ergänzen (idw)


Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
Medizin - Kommunikation, 23.02.2018

DGE-Kongress 2018: Kuschelhormon Oxytocin könnte Therapie psychischer Erkrankungen ergänzen


Das Hormon Oxytocin spielt eine wichtige Rolle im Sozial- und Sexualverhalten, wie Studien an Menschen und Tieren zeigen. Es hilft Müttern, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Im Tiermodell bewiesen Forscher, dass das Hormon Ängste reduziert. "Neu sind Erkenntnisse, dass Oxytocin bei sozialen Störungen und psychischen Erkrankungen therapeutisch nützlich sein kann", erklärt Professor Dr. Dr. med. René Hurlemann vom Universitätsklinikum Bonn im Vorfeld des 61. Kongresses für Endokrinologie vom 14. bis 17. März 2018 in Bonn.

Angststörungen mit belastenden körperlichen und psychischen Symptomen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen in Europa. Behandelt werden sie mit Medikamenten und/oder kognitiver Verhaltenstherapie. "Die Zahl der medikamentösen Neuentwicklungen stagniert allerdings", sagt Professor Hurlemann, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Abteilung für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums in Bonn. Daher seien neuere Ergebnisse zum Potenzial des Hormons Oxytocin bei psychischen Erkrankungen von besonderer Bedeutung: "Das Hormon könnte die Symptome verschiedener psychischer Erkrankungen lindern und so Patienten mit autistischen Störungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung oder Angststörung helfen", erklärt Hurlemann,

Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass Oxytocin Geburtswehen auslöst und bei Müttern die Milch einschießen lässt. Von der Weltgesundheitsorganisation wird das Hormon dank seiner Bedeutung für Geburtshilfe und Stillzeit in der Liste "Essenzielle Medikamente" geführt. Wissenschaftler wissen auch schon länger, dass Oxytocin Müttern hilft, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher im Tiermodell die Rolle des Oxytocins für Sozialverhalten und Fortpflanzung. Da Oxytocin das Sozialverhalten positiv beeinflusst, nannte man es bald sprachlich etwas ungenau das "Kuschelhormon". Studien haben gezeigt, dass Oxytocin sozialen Stress dämpfen, Vertrauen und soziale Kompetenzen steigern und die Reaktion des Mandelkernkomplexes (Amygdala) vermindern kann. Letzterer ist für Emotionen wie Angst und Wut zuständig. "Der eigene Körper produziert das Hormon als natürlichen Baustein. Als Nasenspray angewandt, kann es ins Gehirn wandern und dort furchtdämpfend wirken", erklärt Hurlemann. Aktuell untersuchen Forscher auf der ganzen Welt in über hundert Studien, wie Oxytocin bei verschiedenen psychischen Erkrankungen wirkt und welche Dosis angebracht wäre.

"Die Ergebnisse zu Oxytocin und seiner Rolle bei psychischen Erkrankungen mit Beeinträchtigung der sozialen Kompetenzen sind sehr spannend. Oxytocin kann vielleicht die Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen ergänzen, aber sehr sicher ist, dass das Hormon stets mit einer Psychotherapie kombiniert werden muss", bewertet Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz die Erkenntnisse. "Wir wissen bereits eine Menge über einzelne Hormone und ihre Wirkung auf die Psyche. Das Beispiel Oxytocin zeigt, wie wichtig Forschungen sind, die translationale Ansätze haben, also den 'Weg in die Praxis' mitdenken", ergänzt DGE-Kongresspräsident Professor Dr. rer. nat. Ulrich Schweizer vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.


Plenary: Translating oxytocin neuroscience to the treatment of psychiatric disorders
Prof. Dr. René Hurlemann
Termin: Freitag, 16.03.2018, 09:45 bis 10:30 Uhr
Ort: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Hauptgebäude, Hörsaal X
Anschrift: Regina-Pacis-Weg 3, 53113 Bonn

S10 Neuroendokrinologie
Vorsitz: Prof. Dr. Sebastian Schmid, Dr. Wiebke Fenske
Präsentationen: Prof. Dr. Manfred Hallschmid: Metabolische Effekte von Oxytocin und anderen (Neuro)Peptiden; Prof. Dr. Larry Young: Oxytocin and the Pair Bond: Implications for Autism
Termin: Freitag, 16.03.2018, 15:00 bis 16:30 Uhr
Ort: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Hauptgebäude, Hörsaal X
Anschrift: Regina-Pacis-Weg 3, 53113 Bonn

Weitere Informationen zum Kongress und das Programm finden Sie im Internet unter
www.dge2018.de


Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen - zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken - "endokrin" ausgeschüttet, das heißt nach "innen" in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben "exokrine" Drüsen wie Speichel- oder Schweißdrüsen ihre Sekrete nach "außen" ab.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dge2018.de - Kongress-Webseite
http://www.endokrinologie.net - Webseite der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
http://www.hormongesteuert.net

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution76

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
Medizin - Kommunikation, 23.02.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2018

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