Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → PHARMA

NEBENWIRKUNG/233: Wenn Medikamente die Lunge schädigen (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Montag, 22. März 2010

Wenn Medikamente die Lunge schädigen


fzm - Etwa 350 Medikamente können die Lunge schädigen. Da die meisten zur Behandlung von Erkrankungen anderer Organe eingesetzt werden und die Beschwerden unspezifisch sind, wird ein Zusammenhang oft nicht erkannt, berichtet eine Expertin in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010).

Ein 72-jähriger Mann hatte seit einem Jahr ein Antibiotikum zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten eingenommen, als sich Husten und Atembeschwerden einstellten. Ein 64 Jahre alter Mann hatte seit acht Jahren ein Mittel gegen Herzrhythmusstörungen erhalten, als er wegen akuter Luftnot in die Klinik eingewiesen wurde. Was beide Patienten nicht wussten: Das Antibiotikum mit dem Wirkstoff Nitrofurantoin und das Mittel gegen Herzrhythmusstörungen mit dem Wirkstoff Amiodaron sind bekannt dafür, dass sie die Lunge schädigen können. Es kommt zu einer Entzündung oder Vermehrung des Bindegewebes, die als interstitielle Lungenerkrankung bezeichnet wird.

Lungenschäden durch Nitrofurantoin wurden in den 60er Jahren häufiger beobachtet, berichtet Dr. Julia Freise von der Medizinischen Hochschule Hannover. Nach einem Tiefpunkt in den 80er-Jahren sehen Lungenfachärzte solche Fälle wieder öfter. Das Antibiotikum werde, so Dr. Freise, vermehrt bei Infektionen mit Problemkeimen eingesetzt. Lungenschäden durch Amiodaron sind ebenfalls bekannt: Bis zu 13 Prozent der Patienten entwickeln unter der Therapie eine interstitielle Lungenerkrankung, berichtet die Expertin. Werde sie nicht rechtzeitig erkannt, ende sie bei zehn bis 23 Prozent der Patienten tödlich.

Die Diagnose fällt vielen Ärzten schwer, weil sich die Beschwerden nicht von denen anderer Lungenerkrankungen unterscheiden. Patienten klagen zumeist über Atemnot bei Anstrengungen und Husten mit oder ohne Auswurf, so die Medizinerin. Das kann auf sehr viele Lungenkrankheiten hinweisen. Bei ihren beiden Patienten wurde die Diagnose nach einer Röntgenuntersuchung beziehungsweise einer Computertomografie vermutet. Ärzte sollten lungenkranke Patienten stets nach der Einnahme von Medikamenten fragen, rät Dr. Freise. Eine detaillierte Auflistung der bedenklichen Mittel ist im Internet unter www.pneumotox.com veröffentlicht. Bei einem begründeten Verdacht sollten Ärzte die Mittel bei ihren Patienten absetzen. Dies führt häufig zur Besserung. Die beiden Patienten aus Hannover erhielten zusätzlich Kortison, das die Entzündung hemmt. Sie erholten sich rasch. Bei dem 64-jährigen Mann ergab später eine kardiologische Untersuchung, dass er gar kein Medikament gegen Herzrhythmusstörungen mehr benötigte.


J. Freise et al.:
Arzneimittelbedingte interstitielle Lungenerkrankungen.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135 (10): S. 450-454


*


Quelle:
FZMedNews - Montag, 22. März 2010
Thieme Verlagsgruppe
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart
Tel: 0711-8931-319, Fax: 0711-8931-167
Internet: www.thieme.de/presseservice/fzmednews/


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2010