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MELDUNG/416: Aufklärungskampagne - Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2017

Antibiotika
Ärzte in Plön werden aktiv

von Dirk Schnack


Fibel für alle Netzpraxen erstellt. Enge Kooperation mit örtlichem Labor. Aufklärungskampagne gefordert.


Die Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika sind ein in der Fachwelt schon lange bekanntes Problem. Auch bei den Patienten in den Praxen der Plöner Ärzte sind Resistenzen an der Tagesordnung - in der Bevölkerung ist das Problembewusstsein dennoch nur gering ausgeprägt.

Auch deshalb gingen die Ärzte des Plöner Praxisnetzes vergangenen Monat an die Öffentlichkeit. In einer Pressekonferenz im Labor Plön machten vier Ärzte aus dem Netz, darunter Laborärztin Dr. Annegret Krenz-Weinreich, auf die nach ihrer Einschätzung prekäre Lage aufmerksam. Sie schilderten ihre eigenen Aktivitäten, die sie vor Ort bereits umsetzen, machten aber auch deutlich: "Wir brauchen eine Aufklärungskampagne." Und die können weder die Ärzte in Plön noch die Ärzte landesweit allein leisten. In der Verantwortung sehen sie bei der Erfüllung dieser Forderung in erster Linie Politik und Krankenkassen. Ein Vorbild gibt es auch: In Frankreich laufen solche Aufklärungsspots zur besten Sendezeit im Fernsehen, berichtete Krenz-Weinreich. Wie notwendig die Aufklärung ist, machte der hausärztliche Internist Dr. Gerold Menne deutlich: "Der Wunsch der Patienten nach Antibiotika ist ungebrochen." Längst nicht immer sei dieser Wunsch gerechtfertigt und leider lassen sie sich nicht in jedem Fall von ihrem Wunsch abbringen, auch nicht von ihrem Arzt. Die Plöner Ärzte räumten ein, dass beide - Patienten und Ärzte - sich ihrer Verantwortung stärker bewusst werden müssten.

In Plön hat sich das Netz deshalb in einem ersten Schritt eine Fibel aus dem benachbarten Netz in Ostholstein zum Vorbild genommen und an seine regionalen Bedürfnisse in der Region angepasst. Die Übersicht zur kalkulierten Antibiotikatherapie wurde in mehreren Sitzungen einer Arbeitsgruppe erstellt. Ziel ist es, den Ärzten eine Entscheidungshilfe zu geben. "Dabei geht es nicht darum, Kosten zu sparen, sondern um einen gezielteren Einsatz", sagte der stellstellvertretende Netzvorsitzende Dr. Thomas Quack. Mithilfe der Fibel hofft das Netz, die Resistenzentwicklung in der Region bremsen, den Wirkungsverlust verschiedener Antibiotika aufhalten und die Ansprechrate der Therapie erhöhen zu können. Auch in der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein ist die Fibel nach Angaben Quacks bereits bekannt; die Plöner Ärzte wurden zu einem kürzlich angesetzten Brainstorming zum Thema nach Bad Segeberg eingeladen.

Warum haben die Plöner Ärzte nicht einfach die Fibel aus Ostholstein übernommen? Immerhin investierte die Arbeitsgruppe drei mehrstündige Sitzungen, um die Empfehlungen für ihren Kreis inhaltlich zu erstellen. Tatsächlich ist die Situation von Region zu Region unterschiedlich. Ein Grund ist die völlig andere Kliniklandschaft mit unterschiedlicher Patientenstruktur: In Ostholstein etwa gibt es im Unterschied zu Plön zahlreiche Rehakliniken.

Finanziell möglich wurde die Fibel für das Plöner Praxisnetz nur, weil es eines der von der KVSH geförderten Netze in Schleswig-Holstein ist. Aus diesen Mitteln konnte das Netz den Druck der 100 Exemplare bestreiten. Der Netzvorsitzende Dr. Joachim Pohl lobte in der Pressekonferenz besonders die enge Zusammenarbeit mit dem Labor. Fast alle Netzärzte arbeiteten mit dem Labor vor Ort zusammen, weil es ihnen einen kurzen Draht ermögliche. "Bei Fragen haben wir jederzeit einen Ansprechpartner", betonte Pohl. Weiteres Plus: Weil so viele Ärzte aus dem Kreis mit diesem Labor arbeiten, kann es umfassende Analysen zum Krankheitsgeschehen im Kreis liefern. Regelmäßige Statistiken hierzu werden an die Ärzte geschickt, bei Bedarf können auch Sonderanalysen vorgenommen werden. So können die Ärzte beraten, mit welchen Maßnahmen sie auf das Keimgeschehen in ihrer Region reagieren wollen. Neben den geschilderten Problemen sorgen sich die Ärzte in Plön auch wegen der in verschiedenen Medien bereits berichteten Lieferengpässe, von denen mehrere Hersteller betroffen sind. Die im Mai vorgestellte Fibel soll wegen der zahlreichen Probleme denn auch nur ein erster Schritt sein, kündigte Laborärztin Krenz-Weinreich an. Sie wünscht sich etwa ein Antibiotika-Stewardship für ganz Schleswig-Holstein auf freiwilliger Basis im ambulanten Bereich.

Das Praxisnetz Plön existiert bereits seit 20 Jahren. Es war nach Angaben Pohls damals das zweite Ärztenetz, das sich in Schleswig-Holstein gründete. Nicht nur mit dem Labor pflegen die niedergelassenen Ärzte heute einen kurzen Draht, auch die Zusammenarbeit mit Pflegeheimen und Krankenhäusern wird jetzt intensiviert.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201706/h17064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Labors Plön (LADR) ist für die 45 niedergelassenen Ärzte des Plöner Praxisnetzes ein wichtiger Baustein ihres Einsatzes für eine kalkulierte Antibiotikatherapie. Die Ärzte bekommen vom örtlichen Labor schnelle Ergebnisse und können offene Fragen ohne Zeitverlust klären.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2017, Seite 15
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2017

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