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FORSCHUNG/1051: Ionenkanal-Forschung erhöht die Sicherheit von Arzneimitteln (idw)


Universität Wien - 12.04.2016

Ionenkanal-Forschung erhöht die Sicherheit von Arzneimitteln


Am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien untersuchen WissenschafterInnen seit Jahren den Öffnungs- und Schließmechanismus von so genannten Ionenkanälen. Diese bestimmen u.a. die Kontraktion des Herzmuskels: Kalzium löst die Kontraktion aus, Kalium sorgt für die anschließende Entspannung. Ionenkanäle sind damit wichtige Angriffspunkte zahlreicher Medikamente: Die Erforschung dieser Proteine hilft festzustellen, ob Medikamente im Körper unerwünschte Störungen des Herzrhythmus' auslösen können. Nun konnten die ForscherInnen eine weitere wichtige Aminosäure identifizieren. Ihre Erkenntnisse publizieren sie in der renommierten Fachzeitschrift "Scientific Reports".

Wenn das Herz schlägt, strömen zunächst depolarisierende Natrium- und Kalziumionen durch Ionenkanäle der Herzzellen. Der Einstrom von Kalzium löst eine Kontraktion aus und ein anschließender Kaliumausstrom sorgt dafür, dass sich das Potential an der Zellmembran wieder dem Ruhepotential annähert.

Der wichtigste Kaliumkanal für diese Repolarisation ist der sogenannte HERG-Kaliumkanal. Bekannt wurde dieser Kanal, weil er durch eine Vielzahl unterschiedlichster Arzneistoffe blockiert werden kann, was wiederum schwere Herzrhythmusstörungen auslöst. Wenn neue Wirkstoffe diesen Kanal hemmen, wird die Arzneistoffentwicklung häufig eingestellt, weswegen der HERG-Kanal auch als "drug killer" bezeichnet wird. Bisher konnten WissenschafterInnen sechs Aminosäuren in der Kanalpore identifizieren, die wahrscheinlich den Rezeptor für diese unterschiedlichen Arzneistoffe bilden.

Priyanka Saxena, einer Studentin des Doktoratskollegs "Ionenkanäle und Transporter als molekulare Drug Targets (MolTag)", ist es nun am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien gelungen, eine weitere wichtige Aminosäure zu identifizieren: Phenylalanin 557 ist eine neue Bindungsdeterminante, die eine wichtige Rolle bei der Hemmung von HERG-Kanälen durch Arzneistoffe spielt. Diese neuen Erkenntnisse beruhen auf einer theoretischen Vorhersage der Molecular Modelling Gruppe des Departments. Anna Weinzinger: "Die Hypothese, dass auch andere Aminosäuren an der Interaktion mit HERG-Blockern beteiligt sind, haben wir bereits vor einigen Jahren aufgestellt. Eine Kombination von molekularem Modeling, gerichteter Mutagenese und direkten Messungen von Ionenströmen durch mutierte HERG-Kanäle von Priyanka Saxena machte den Beweis möglich. Spannend ist, dass sich Phenylalanin in Position 557 nicht in der Kanalpore befindet, wo bisher der Rezeptor für Kanalblocker vermutet wird, sondern sozusagen in einer Seitentasche des Moleküls."

"Da die Interaktion von Arzneistoffkandidaten mit dem HERG-Kanal in industrieller Forschung häufig zunächst in silico, d.h. an Computermodellen des Kanals getestet wird, müssen diese Modelle weltweit durch die von uns vorhergesagte Aminosäure (Phenylalanin 557) ergänzt werden. Da es sich um einen sehr wichtigen Teil des Arzneistoffrezeptors handelt, können Aussagen an Computermodellen künftig mit höherer Präzision erfolgen. Diese Arbeit hat einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit künftiger Arzneistoffe geleistet", schließt Steffen Hering, Leiter des Doktoratskollegs.


Publikation in "Scientific Reports":
New potential binding determinant for hERG channel inhibitors: P. Saxena, E.-M. Zangerl-Plessl, T. Linder, A. Windisch, A. Hohaus, E. Timin, S. Hering & A. Stary-Weinzinger;
Scientific Reports, April 2016;
DOI: 10.1038/srep24182

Wissenschaftlicher Kontakt
Mag. Dr. Anna Stary-Weinzinger
Department für Pharmakologie und Toxikologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14 (UZA II)
anna.stary@univie.ac.at

Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
Forschung und Lehre
1010 Wien, Universitätsring 1
alexandra.frey@univie.ac.at

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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution84

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Stephan Brodicky, 12.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2016

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