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KREBS/850: Die Diagnose belastet die ganze Familie (DKH)


Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2010

Die Diagnose belastet die ganze Familie


BONN (jti) - Eine Krebserkrankung ist ein großer Schock - für den selbst, aber auch für seine Familie. Gerade die Angehörigen von spüren erst nach einiger Zeit, wie belastend diese Situation auch für sie selbst ist. Sie müssen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen - denn nur so können sie den Kranken wirklich unterstützen.


Wenn andere noch schlafen, ist Katharina Kogel längst auf den Beinen. Jeden Morgen läuft die 27-Jährige einige Runden durch den Park. Dabei kann sie ihren Gedanken freien Lauf lassen und auch mal abschalten. Vor fünf Monaten erkrankte ihre Mutter an Brustkrebs. Der Tumor hatte bereits in Lunge und Leber gestreut und auch im Gehirn fanden die Ärzte Metastasen. Schnell war klar: Waltraud Kogel wird die Erkrankung nicht überleben. Eine schwierige Situation - auch für Katharina. Es fällt der Tochter schwer, sich mit der Erkrankung der Mutter abzufinden und ihre Ängste zu verarbeiten - was ihr dabei hilft, ist das regelmäßige Joggen. "Ich versuche immer, das Laufen in meinen Tagesablauf zu integrieren. Zurzeit ist das schwierig, weil meine Mutter im Krankenhaus liegt und ich sie vor den Vorlesungen noch besuche. Aber der Sport hilft mir, mich zu sortieren und meine Sorgen zu vergessen", erzählt die Geographie-Studentin.

Die Krebserkrankung eines Menschen betrifft immer auch seine Verwandten und Freunde. "Für den Angehörigen ist diese Situation geprägt von dem Gefühl des Verlustes, der Angst und der Hilflosigkeit. Denn er weiß, dass er jemanden verlieren könnte, der wichtig für ihn ist. Gleichzeitig muss er sich um den Kranken kümmern", erläutert Gabriele Blettner. Sie ist Supervisorin und Psychoonkologin an den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden. Häufig würden die Angehörigen verkennen, wie belastend diese Situation auch für sie selbst ist. Blettner rät: "Nur wem es selbst gut geht, kann dem Betroffenen wirklich helfen und dauerhaft zur Seite stehen. Letztlich muss jeder Angehörige seinen eigenen Weg gehen - um die richtige Balance zwischen Fürsorge und Selbstsorge zu finden."

Auch für Verwandte und Freunde von Krebserkrankten gibt es zahlreiche Hilfsangebote: Betroffene können sich beispielsweise an den Informations- und Beratungsdienst der Deutschen Krebshilfe wenden. Hier bekommen sie Adressen und Tipps für den Umgang mit der Krebserkrankung eines geliebten Menschen. Kostenlosen Rat und Hilfe bieten auch Krebsberatungsstellen und soziale Dienste vor Ort. Die Mitarbeiter dieser Stellen können ganz konkrete Hilfestellungen leisten - etwa bei der Beantragung von Haushaltshilfen. Außerdem gibt es hier spezielle Gesprächsgruppen, in denen Freunde und Verwandte von Krebserkrankten sich über ihre Erfahrungen austauschen können. In einigen Fällen kann es darüber hinaus sinnvoll sein, professionelle Hilfe bei einem Psychoonkologen in Anspruch zu nehmen. Diese Spezialisten stehen immer auch den Angehörigen von Krebskranken zur Verfügung.

Auch Katharina Kogel hat mit einem Psychoonkologen über die Krebserkrankung ihrer Mutter gesprochen - zu einem Zeitpunkt, als sie sich total überfordert fühlte. "Ich habe gelernt, mir Auszeiten zu nehmen und nicht jeden Tag ins Krankenhaus zu fahren", erzählt sie. "Ich habe ja noch andere Verpflichtungen." Durch das Gespräch und durch das Laufen hat sie ihre innere Balance gefunden - und kann ihrer Mutter so auch wieder eine Hilfe sein.


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Auf die eigene Intuition hören

Interview mit Gabriele Blettner, Supervisorin und Psychoonkologin, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken, Wiesbaden.

Wie können Angehörige mit der Erkrankung eines Verwandten oder Freundes umgehen?

Ich rate Angehörigen immer, auf die eigene Intuition zu hören. Wenn sie über die Krankheit sprechen möchten, dann sollten sie dies auch tun. Wenn sie ihre Gefühle lieber für sich behalten, dann ist das auch gut so. Es kann für den Angehörigen hilfreich sein, seinem Zorn, seine Wut oder seiner Aggression Ausdruck zu verleihen. Einigen tut es gut, mit Freunden über die belastende Situation zu sprechen. In manchen Fällen ist es angeraten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, etwa bei einem Psychoonkologen oder Psychotherapeuten.

Wie können Verwandte eines Krebskranken verhindern, dass sie sich selbst überlasten?

Ein Angehöriger sollte sich Auszeit gönnen - sei es durch Sport, durch Hobbies, mit Freunden - je nachdem, was ihm gut tut. Er muß nicht jeden Tag am Krankenbett sitzen. Und er braucht deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben.

Ist es sinnvoll, über den nahenden Tod eines geliebten Menschen zu sprechen?

Dies ist natürlich ein Thema, das jeden existentiell berührt. Es kann eine Verbindung zwischen dem Angehörigen und dem Betroffenen schaffen. Die Ängste miteinander zu teilen, sich gemeinsam darüber Gedanken zu machen, kann sehr gut sein - auch für den, der zurückbleibt.


Weitere Informationen zum Thema "Hilfen für Angehörige" finden Betroffene auch in einer kostenlosen Informationsbroschüre der Deutschen Krebshilfe.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Auch die Angehörigen eines schwerkranken Krebs-Patienten benötigen Unterstützung professionelle Angebote oder auch das Gespräch mit Gleichbetroffenen können hilfreich sein.


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Quelle:
Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2010, Seite 4-5
Herausgeber: Deutsche Krebshilfe e.V.
Buschstraße 32, 53113 Bonn
Telefon: 0228/729 90-0, Fax: 0228/729 90-11
E-Mail: deutsche@krebshilfe.de
Internet: www.krebshilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010