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LEBER/155: Therapieforschung - Leberkrebs durch chronische Entzündung (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 30.08.2013

Leberkrebs durch chronische Entzündung: Tumorwachstum folgt dem programmierten Zelltod (Apoptose)



Neuherberg, 30.08.2013. Das Absterben zahlreicher, entzündlich veränderter Leberzellen durch Apoptose, eine Form des programmierten Zelltodes, kann die Entstehung von Tumorzellen in der Leber begünstigen. Diese Erkenntnis trägt wesentlich zum Verständnis zellulärer Prozesse der Leberkrebsentwicklung bei und eröffnet neue therapeutische Ansätze. Dies berichtet ein Wissenschaftlerteam unter Beteiligung des Helmholtz Zentrums München in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Cell Reports".

Leberkrebs (Hepatozelluläres Carcinom, HCC) entsteht meist infolge einer chronisch-entzündlichen Lebererkrankung. Die häufigsten Ursachen hierfür sind übermäßiger Alkoholkonsum sowie eine fettreiche Ernährung und chronische Infektionen mit Hepatitisviren (Hepatitis B und C). Im Rahmen des entzündlichen Geschehens kommt es gehäuft dazu, dass die Leberzellen durch programmierten Zelltod absterben. Die Reaktion darauf ist ein vermehrtes Zellwachstum, auch als kompensatorische Proliferation bezeichnet, das zu einer Tumorentstehung führen kann.

Man unterscheidet die beiden bedeutendsten Formen des selbstinduzierten Zellsterbens, die Apoptose (programmierter Zelltod) und die Nekroptose (programmierte Nekrose), denen unterschiedliche zelluläre Mechanismen zugrunde liegen. Bisher war unklar, welche Zelltod-Form bei der Entstehung von bösartigen Lebertumoren entscheidend ist. Das Team um Professor Dr. Tom Luedde vom Universitätsklinikum der RWTH Aachen und Professor Dr. Mathias Heikenwälder vom Institut für Virologie am Helmholtz Zentrum München (HMGU) konnte nun nachweisen, dass die Apoptose der Entwicklung von entarteten Leberzellen vorausgeht. Die Wissenschaftler, darunter auch Florian Reisinger vom Institut für Virologie (HMGU) und Dr. Kristian Unger von der Abteilung Strahlenzytogenetik (HMGU), zeigten dies im Modellorganismus an Mäusen. Sie fanden zudem heraus, dass demgegenüber die Nekroptose eine ungehemmte Zellproliferation und damit die Entstehung von Leberkrebs verhindert.

Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für neue therapeutische Ansätze bei Leberkrebs bilden, einer bislang nur unzureichend behandelbaren Krebserkrankung, an der weltweit jährlich 800.000 Patienten versterben. "Wir wissen nun, welche zellulären Signalwege an der Tumorentwicklung beteiligt sind", erklärt Heikenwälder, "in einem weiteren Schritt wollen wir neue Behandlungsmöglichkeiten entwickeln, beispielsweise indem wir versuchen, die Apoptose selbst oder deren Signalwege pharmakologisch zu blockieren. Allerdings kann jede Therapie auch Nebenwirkungen verursachen: Wir haben in unseren Experimenten gesehen, dass unter entzündlichen Bedingungen durch das Blockieren der Apoptose eine Gallenstauung (Cholestase) entstehen kann."

In folgenden Untersuchungen wollen die Wissenschaftler nun ihre Erkenntnisse zu der Entstehung von Leberkrebs verifizieren und nach Wirkstoffen suchen, die die Apoptose hemmen und gleichzeitig möglichst geringe Nebeneffekte verursachen. Ziel ist es, das gewonnene Wissen im Sinne der translationalen Forschung vom Tiermodell auf den Menschen zu übertragen, um konkreten Nutzen für die Gesellschaft zu erbringen.


Weitere Informationen

Original-Publikation:
Vucur, M. et al. (2013)
RIP3 inhibits inflammatory hepatocarcinogenesis but promotes cholestasis by controlling Caspase-8- and JNK-dependent compensatory cell proliferation
Cell Reports, doi: 10.1016/j.celrep.2013.07.035

Link zur Fachpublikation:
http://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247%2813%2900397-5

Fachlicher Ansprechpartner
Prof. Mathias Heikenwälder, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Institut für Virologie, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - E-Mail: heikenwaelder@helmholtz-muenchen.de


Weitere Informationen finden Sie unter

Link zur Fachpublikation:
http://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247%2813%2900397-5

Helmholtz Zentrum München:
http://www.helmholtz-muenchen.de


Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 34.000 Beschäftigten angehören.
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Das Institut für Virologie (VIRO) untersucht Viren, die Menschen chronisch infizieren und lebensbedrohliche Krankheiten hervorrufen können. Der Fokus liegt auf dem AIDS-Erreger HIV, endogenen Retroviren, die in unserer Keimbahn integriert sind, sowie Hepatitis-B- und C-Viren, die Leberzirrhose und hepatozelluläre Karzinome verursachen. Molekulare Studien identifizieren neue diagnostische und therapeutische Konzepte, um diese Virus-Erkrankungen zu verhindern und zu behandeln bzw. die Entstehung von virusinduzierten Tumoren zu vermeiden.

Die selbstständige Abteilung Strahlenzytogenetik (ZYTO) untersucht strahleninduzierte Chromosomen- und DNA-Schäden in Zellsystemen und menschlichen Tumoren. Im Mittelpunkt steht die Aufklärung von Mechanismen der Strahlenkarzinogenese und -empfindlichkeit von Tumorzellen. Ziel ist es, Biomarker für den Nachweis strahleninduzierter Tumoren für die personalisierte Strahlentherapie zur Stratifizierung von Patienten zu finden. ZYTO gehört dem Department of Radiation Sciences (DRS) an.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Susanne Eichacker, 30.08.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2013