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KREBS/1156: Brustkrebs - Kieler Chirurg plädiert für umfassende Beratung zum Thema Brustrekonstruktion (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2018

Onkologie
Der Patientin alle Möglichkeiten aufzeigen

Von Martin Geist


Mammakarzinom: Kieler Chirurg plädiert für umfassende Beratung zum Thema Brustrekonstruktion. Kooperation mit Brustzentrum Ostholstein.


Brustkrebs. Das ist für die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen zuallererst eine dramatische Diagnose. Doch kann die Krankheit heute in vielen Fällen erfolgreich behandelt werden. Und das umso besser, je enger alle Beteiligten der verschiedenen medizinischen und therapeutischen Fachrichtungen zusammenarbeiten.

Bewährt haben sich dabei in Schleswig-Holstein die Brustzentren, in denen die Patientinnen von der medizinischen bis zur sozialen und psychologischen Betreuung alles unter einem Dach bekommen. Eine wichtige Rolle kann dabei - nachdem das Gröbste überstanden ist - die plastische Chirurgie spielen.

Im Kieler Lubinus Clinicum befindet sich seit wenigen Wochen das einzige zertifizierte Zentrum für Mamma-Rekonstruktionen in Schleswig Holstein und auch weit darüber hinaus. Die nächsten Zentren, die ein solches Qualitätssiegel der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) erhalten haben, finden sich erst wieder in Berlin und Bielefeld, wobei sich die vielen weißen Flecken auf der Landkarte teils daraus erklären, dass diese Zertifizierung erst vor ungefähr fünf Jahren eingeführt wurde; sie haben aber ebenso mit den hohen Anforderungen zu tun. Voraussetzung für eine Zertifizierung sind unter anderem mindestens 100 Brustoperationen im Jahr, davon wiederum mindestens 20 komplexe mikrochirurgische Rekonstruktionen. Auch müssen sich die Kliniken bereit erklären, ihre Arbeit regelmäßig von externen Experten beurteilen zu lassen.

Dr. Matthias Geenen, Leiter der Abteilung für Plastische und Wiederherstellende Chirurgie am Kieler Lubinus Clinicum, freut sich über das Zertifikat nicht nur, weil es eine Anerkennung für sein Team bedeutet. "Entscheidend ist, dass die Patientinnen auf bestmögliche Qualität und Beratung vertrauen können", betont Geenen, der eng mit dem Brustzentrum Ostholstein in Eutin sowie mit der Park-Klinik Kiel-Mitte zusammenarbeitet. Zwar sehen die Standards der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) grundsätzlich vor, dass Brustzentren "alle derzeit verfügbaren Methoden der Rekonstruktion anbieten und darüber aufklären" müssen, besonders gut funktioniert das aber nach Geenens Einschätzung in Ostholstein.

Dr. Uta Fenske, Leitende Ärztin des Brustzentrums der Sana Kliniken Ostholstein, gibt dieses Lob zurück. "Wir stehen im sehr engen Dialog mit Herrn Geenen, haben oft mehrmals in der Woche Kontakt." In aller Regel wird der Kieler Chirurg in die Therapieplanung eingebunden, wenn bei den regelmäßigen Tumorkonferenzen aktuelle Fälle besprochen und gemeinsame Handlungsstrategien entworfen werden. Was allerdings keineswegs bedeutet, dass genauso regelmäßig die Künste von Geenen und Co. gefordert wären. Im Jahr 2016 verzeichnete das Brustzentrum Ostholstein knapp 150 primäre Mammakarzinome, nahezu 80 Prozent der Operationen konnten dabei laut Fenske brusterhaltend vorgenommen werden. Und selbst wenn dies nicht möglich ist, kommt nicht automatisch die plastische Chirurgie zum Zug, betont die Gynäkologin: "Manche Patientinnen befassen sich erst Jahre später mit dem Thema Brustrekonstruktion. Für einige Patientinnen ist ein Wiederaufbau der Brust aus verschiedenen Gründen nicht wichtig oder untergeordnet. Das Alter, das individuelle Körperbild, die Krankheitsbewältigung und die Angst vor einer erneuten Operation können Gründe dafür sein.

Für andere Frauen hingegen ist die Brust eben doch sehr wichtig. Der Partner kann dabei eine Rolle spielen, ebenso das Selbstempfinden und nicht selten auch die Statik des Körpers. Zum Beispiel können nach Brustamputationen Wirbelsäulenprobleme auftreten, weil die gewohnte Balance abhandengekommen ist. Abgesehen von solchen medizinischen Aspekten betrachten es die beteiligten Ärzte jedoch nicht als ihre Aufgabe, über Sinn oder Unsinn einer Rekonstruktion zu urteilen. "Sehr wohl geht es aber darum, der Patientin alle Möglichkeiten aufzuzeigen, die wir haben, und sie dann am Ende selber entscheiden zu lassen", erläutert Geenen. Möglichkeiten gibt es zwar viele, doch der Königsweg ist nach übereinstimmender Auffassung von Geenen und Fenske in den meisten Fällen die mikrochirurgische Rekonstruktion. Dazu wird Gewebe vorzugsweise aus dem Bauch und teilweise auch aus dem Gesäß oder dem Oberschenkel entnommen und mitsamt den Gefäßanschlüssen transplantiert. Der große Vorteil dabei: Eine derart aufgebaute Brust ist ein Stück vom eigenen Körper und fühlt sich auch eher so an. Silikon, so meint Fenske, "ist eben ein Fremdkörper, der das Körpergefühl beeinträchtigt und auch anfällig für Komplikationen ist".

"Es gibt Kliniken, da greift man immer noch am liebsten zu Silikon, weil man damit die größeren Erfahrungen hat."

Trotzdem bevorzugen manche Frauen diese Implantate, weil dieser Eingriff mit weniger Aufwand verbunden ist als eine mikrochirurgische Rekonstruktion. "Das respektieren wir selbstverständlich", betont Fenske, die in solchen Fällen stets auch ihren Kollegen Geenen an ihrer Seite weiß.

Dass sich eine mikrochirurgische Rekonstruktion nicht mal so nebenbei machen lässt, hat Sibylle Latza am eigenen Leib erfahren. Im Jahr 2007 wurde bei ihr linksseitiger Brustkrebs festgestellt, daraufhin hat sie nach eigenen Worten therapeutisch "alles gut durchlaufen". Lange war alles in Ordnung, ehe neun Jahre später ein Tumor auf der rechten Seite entdeckt und ebenfalls erfolgreich behandelt wurde. Auf ärztlichen Rat entschloss sich Sibylle Latza dann, beide Brüste amputieren zu lassen und fühlte sich mit ihren 46 Jahren einfach zu jung, um dauerhaft brustlos zu sein. Sie ließ sich am Brustzentrum beraten, schaute sich Fotos an, wurde bis ins Detail informiert, wie eine Rekonstruktion mit Eigengewebe vonstatten geht - und legte sich am 10. Februar 2017 auf den OP-Tisch, um sich die Brüste abnehmen und zugleich wieder aufbauen zu lassen. Mit einem mehr als guten Gefühl, wie sie betont: "Ich wusste so gut Bescheid, dass ich die Operation fast hätte selber machen können, und Silikon kam für mich sowieso auf keinen Fall infrage." Mehrere Stunden dauerte der Eingriff bei Sibylle Latza. Ein OP-Team entfernte die Bauchlappen, das zweite Team transplantierte anschließend das Gewebe. Am Lubinus Clinicum ist das Routine, für Betroffene wie die Patientin aus Ostholstein gleicht es dagegen einer fast heroischen Aktion, zumal, wie Sibylle Latza ein knappes Jahr später bilanziert, alles geradezu ideal verläuft. Ein positiver Ausnahmefall ist das laut Uta Fenske mitnichten. Im Gegenteil, versichert sie: "Die Frauen, die das in den letzten Jahren haben machen lassen, sind durchweg zufrieden." Auch Geenen bekommt nahezu ausnahmslos solche Rückmeldungen und würde sich wünschen, dass überall so umfangreich über die Möglichkeiten zur Brustrekonstruktion aufgeklärt wird wie in Eutin. Denn, so bedauert er: "Es gibt Kliniken, da greift man immer noch am liebsten zu Silikon, schon weil man damit eben selber die größte Erfahrung hat und es keinen mikrochirurgisch versierten Partner gibt." Was aber zu ändern wäre - für weitere Kooperationen ist Geenen offen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201801/h18014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2018, Seite 18 - 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2018

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