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KREBS/1066: Forschung - Krebs ist so alt wie das vielzellige Leben auf der Erde (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/2014

Tumorerkrankungen

Krebs ist so alt wie das vielzellige Leben auf der Erde



Forscher aus Kiel befürchten, dass sich Krebs nie ganz ausrotten lässt. Studie in angesehenem Fachjournal veröffentlicht.


Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben einen ernüchternden Beweis erbracht: Krebs ist so alt wie das vielzellige Leben auf der Erde und lässt sich wohl nie ganz ausrotten. So ordnet zumindest Prof. Thomas Bosch vom Zoologischen Institut der Universität Kiel seine neuen Forschungsergebnisse ein. Die Studie eines internationalen Teams um Bosch wurde Ende Juni im angesehenen Fachjournal Nature Communications veröffentlicht. Seit wann die Evolution Tumore hervorbringt, ist eine Frage, der die Wissenschaftler Tomislav Domazet-Loso und Diethard Tautz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön mit bioinformatischen Methoden und Datenbanken nachgehen. "Bei der Suche nach dem Ursprung der Krebsgene haben wir unerwarteter Weise herausgefunden, dass viele dieser Gene von den ersten Tierarten abstammen", sagte Domazet-Loso. "Unsere Daten sagten voraus, dass schon die ersten vielzelligen Tiere die meisten der Gene hatten, die beim Menschen Krebs auslösen können." Was bislang fehlte, war der direkte Beweis, dass diese ersten Tierarten tatsächlich an Tumoren leiden können, und die molekulare Aufklärung der Mechanismen, die zur Tumorentstehung in ursprünglichen Organismen führten. Bosch untersucht seit Jahren die Stammzellen und die Regulation des Gewebewachstums im stammesgeschichtlich alten Polypen Hydra. "Jetzt haben wir in zwei unterschiedlichen Hydra-Arten, einem korallenähnlichen Organismus, tumortragende Polypen entdeckt", so Bosch zum ersten Ergebnis der neuen Studie. Damit sei bewiesen, dass Tumore tatsächlich in primitiven und alten Tierarten wuchern können. Auch der zellulären Ursache der Tumore entlang der gesamten Körperachse sei das Team auf die Spur gekommen: Erstmals konnten sie zeigen, dass Stammzellen, die zur geschlechtlichen Differenzierung programmiert sind, sich massenhaft anhäufen können und dann nicht auf natürlichem Wege durch programmierten Zelltod entfernt werden. Nur weibliche Hydra-Polypen sind von diesen Tumoren betroffen, die dem Eierstockkrebs beim Menschen ähneln. "Bei der weiteren molekularen Analyse der Tumore stießen wir auf ein Gen, das im Tumorgewebe drastisch hochreguliert ist und das den programmierten Zelltod normalerweise verhindert", beschrieb Alexander Klimovich, Ko-Erstautor der Studie, die zweite Erkenntnis. Weil eine nicht funktionierende Zelltod-Maschinerie auch bei vielen Krebsarten des Menschen für Wachstum und Ausbreitung der Tumore verantwortlich gemacht wird, tauchen hier Ähnlichkeiten zum Krebs bei Menschen auf. Als drittes konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Tumorzellen invasiv sind. Werden Tumorzellen in einen gesunden Organismus eingebracht, können sie dort also Tumorwachstum auslösen.
(PM/Red)

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201407/h14074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ein Stammzellmarker-Gen ist im Tumorgewebe besonders stark aktiv.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
67. Jahrgang, Juli 2014, Seite 51
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2014