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INFEKTION/1848: Forschung zu multiresistenten Tuberkulose-Erregern - Mit KI neuen Wirkstoffkombinationen auf der Spur (idw)


Klinikum der Universität München - 27.02.2020

Gegen multiresistente Tuberkulose-Erreger:
Mit künstlicher Intelligenz neuen Wirkstoffkombinationen auf der Spur


Grundlegend neue Ansätze gegen multiresistente Keime zu entwickeln: Das ist das Ziel des Bayerischen Forschungsnetzwerks "Neue Strategien gegen multiresistente Krankheitserreger mittels digitaler Vernetzung - bayresq.net", das mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert wird.

Der Freistaat Bayern fördert ab 2020 sechs interdisziplinäre Forschergruppen für ihre wegweisende Zukunftsforschung. Eines der Projekte nutzt das Potential neuer digitaler Methoden und künstlicher Intelligenz zur Bekämpfung multiresistenter Tuberkulose. Geleitet wird es von den Wissenschaftlern PD Dr. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München und vom Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU), Prof. Dr. Michael Hoelscher vom Tropeninstitut am LMU Klinikum und Prof. Dr. Dr. Fabian Theis sowie Dr. Michael Menden von der Technischen Universität München (TUM)/Helmholtz Zentrum München.

Tuberkulose ist die tödlichste Infektionserkrankung des Menschen und fordert weltweit jährlich circa 1,5 Millionen Todesopfer. Für die erfolgreiche Behandlung der Lungenerkrankung wird ein Mix aus verschiedenen Medikamenten verabreicht. Problematisch wird es, wenn die bakteriellen Erreger Resistenzen bilden. Um die Ausbreitung der Tuberkulose zu verhindern, müssen daher nicht nur neue Antibiotika entwickelt, sondern auch immer neue Wirkstoffkombinationen gefunden werden. Geeignete 'Medikamentencocktails', die auch gegen resistente Bakterien wirksam sind, können bislang nur durch teure klinische Studien identifiziert werden. Es mangelt an nicht-klinischen, im Labor durchführbaren Ansätzen, die das Zusammenspiel neuer Wirkstoffe vorhersagen können.

Die Münchner Wissenschaftler wollen dies ändern: "Mit unserem Projekt wollen wir das dringend benötigte präklinische Labormodell entwickeln, um neue Wirkstoffkombinationen für die Tuberkulose-Behandlung bereits im vorklinischen Stadium vorherzusagen", beschreibt Professor Michael Hoelscher vom Tropeninstitut am LMU Klinikum das Forschungsvorhaben. "Wir setzen selbstlernende Algorithmen ein, um das Zusammenspiel von verschiedenen Medikamenten bei der Wirkung auf den Stoffwechsel der Tuberkuloseerreger, den Mykobakterien, zu verstehen", erläutert Professor Fabian Theis von der Technischen Universität München (TUM)/Helmholtz Zentrum München. "Besonderes Interesse besteht darin, biologische Moleküle zu bestimmen, die Resistenzmechanismen wiederspiegeln, und herauszufinden, wie wir dies gezielt mit Medikamenten reversieren können", fügt Dr. Michael Menden vom Helmholtz Zentrum München hinzu.

Einsatz neuer experimenteller Techniken und künstlicher Intelligenz:

Durch eine neue, an der LMU entwickelte experimentelle Technik kann die Neubildung von vielen Biomolekülen in Mykobakterien dynamisch, das heißt über die Zeit, gemessen werden. "Dadurch können wir die Veränderung der Stoffwechselwege von Tuberkulose-Erregern während der Behandlung mit Antibiotika beobachten. Dies ermöglicht es uns, die Wirkung verschiedener Antibiotika sowohl einzeln als auch in Kombination zu charakterisieren", schildert Dr. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum München und vom Max von Pettenkofer-Institut der LMU, das Vorgehen.

Die dabei entstehenden dynamischen Daten über die Wirkungsweise werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Systembiologie modelliert, um ein besseres Verständnis des Erregers zu erhalten. Damit wollen die Forscher herausfinden, welche Wirkstoffe ideal zusammenpassen. Auf dieser Basis könnten künftig neue Kombinationen von Medikamenten für die Behandlung von Tuberkulose entwickelt werden, die auch gegen resistente Erreger wirksam sind.

Forschergruppe vereint interdisziplinäre Expertise:

Mit ihrer interdisziplinären Grundlagenforschung vereinen die Münchner Wissenschaftler Kompetenzen aus Fachgebieten wie analytischer Chemie, Bioinformatik, Künstlicher Intelligenz, medizinischer Mikrobiologie und Tropenmedizin. Mit dem neuen digitalen Forschungsansatz erweitert das Tropeninstitut München sein bisheriges Portfolio und entwickelt sich mit seinen Kooperationspartnern zunehmend zu einem Zentrum der Tuberkuloseforschung.

Aus Sicht des Bayerischen Kunst- und Wissenschaftsministers Bernd Sibler wird das neue Forschungsnetzwerk bayresq.net dazu beitragen, eine wesentliche Lücke in der Erforschung und langfristigen Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger zu schließen: "Unsere Hochschulen im Freistaat haben hierzu wesentliche Kompetenzen. Wir setzen auf ihre Expertise, um auf diesem Gebiet neue Erkenntnisse zu gewinnen, den wichtigen interdisziplinären Austausch weiter voranzutreiben und damit neue Wege zu finden, um unsere Gesundheit zu schützen", so der Minister.

Über bayresq.net:

Mit bayresq.net erhalten insgesamt sechs interdisziplinäre Forschungsgruppen vom Freistaat ab 2020 für fünf Jahre jeweils jährlich bis zu 275.000 Euro. Die Zukunftsprojekte werden neben der Ludwig- Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM) an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen- Nürnberg, der Universität Regensburg und der Julius-Maximilians- Universität Würzburg (JMU) durchgeführt. Mit den Fördermitteln des Freistaats werden neben den Forschungsgruppen auch der Aufbau einer zentralen Datenplattform und eines gemeinsamen Datenmanagements ermöglicht.

Das Vorhaben ist Teil der Strategie BAYERN DIGITAL des Freistaats. Alle sechs an dem Programm beteiligten Verbundprojektgruppen sollen in einem gemeinsamen "Open Data Management" und in enger Zusammenarbeit ihre Expertise über ganz Bayern bündeln. Die Erfahrung mit früheren Netzwerkprogrammen hat gezeigt, dass diese Form der Interdisziplinären Forschung mit einem deutlichen Mehrwert verbunden ist und Forschungsprojekte schneller zum Erfolg führt.

Referenz:

Global tuberculosis report 2019. Geneva: World Health Organization; 2019.
Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/329368/9789241565714-eng.pdf

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.bayresq.net

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution550

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Klinikum der Universität München - 27.02.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2020

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