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INFEKTION/1282: Humane Babesiose - Zecken übertragen Verwandten des Malaria-Erregers (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 13. Mai 2014

Babesiose: Zecken übertragen Verwandten des Malaria-Erregers



fzm, Stuttgart, Mai 2014 - Zecken können in Deutschland Parasiten übertragen, die wie die Malaria-Erreger die roten Blutkörperchen befallen. Die sogenannte Babesiose verläuft bei den meisten Menschen unbemerkt, bei einer Abwehrschwäche kann es jedoch zu einer tödlichen Erkrankung kommen, warnt eine Expertin in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014).

Babesien sind vor allem bei Vögeln und Säugetieren verbreitet, darunter Rehwild und Kleinnager. Nur drei der über hundert Arten können für den Menschen in Europa gefährlich werden, berichtet Dr. Anke Hildebrandt vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Jena. Alle drei werden von Zecken übertragen, am häufigsten durch den Gemeinen Holzbock Ixodes ricinus. Die Ansteckung erfolgt laut Hildebrandt in der Zeit der größten Zeckenaktivität von Mai bis September, wobei sich ein großer Anteil der Patienten später an keinen Zeckenstich erinnern könne. Denn eine Wanderröte (Erythema migrans) auf der Haut wie bei der Borreliose gebe es nicht. Die meisten Menschen würden die Infektion nicht bemerken, vermutet die Expertin und Ärzte würden die Symptome, in erster Linie ein vorübergehendes Fieber, nicht einer möglichen Parasiten-Infektion zuordnen.

Dabei sind Babesien-Infektionen keineswegs selten. Mitautor Professor Klaus-Peter Hunfeld, Chefarzt am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main, hat in einer früheren Studie Antikörper gegen Babesien bei gut fünf Prozent aller Personen nachgewiesen, die ihr Blut nach einem Zeckenstich oder wegen einer Borreliose untersuchen ließen. Da Antikörper nach einer Infektion oft lebenslang im Immunsystem vorhanden sind, ist ihr Nachweis nicht mit einer aktiven Erkrankung gleichzusetzen. Für eine Diagnose müssen die Erreger in einem Blutausstrich mit einer bestimmten Färbung in den roten Blutkörperchen sichtbar gemacht werden. Diese Untersuchung wird allerdings nur selten durchgeführt. Die Alternative ist ein Gennachweis der Erreger mit der Polymerasekettenreaktion. In Deutschland und sogar in ganz Europa sei aktuell kein kommerzieller Test routinemäßig verfügbar, schreiben die beiden Forscher.

Bei den meisten Menschen heilt die Babesiose von selbst aus. Die infizierten roten Blutzellen werden in der Milz von Abwehrzellen erkannt und vernichtet. Bei Menschen ohne Milz kann es laut Dr. Hildebrandt zu sehr schweren Krankheitsverläufen kommen. Auch Menschen mit einer ausgeprägten Immunschwäche sind gefährdet. Dann können sich die Parasiten in großer Menge im Blut vermehren. Die Patienten leiden unter hohem Fieber bis 40 Grad Celsius und den Folgen einer schweren Blutarmut: Dazu gehören Luftnot, Müdigkeit und Erschöpfung. Der Zerfall der roten Blutzellen hat auch eine Gelbsucht zur Folge, der Urin ist dunkel gefärbt. In besonders schweren Fällen kann es zu einem tödlichen Multiorganversagen kommen.

Diese schweren Verläufe sind äußerst selten. Die Diagnose einer Babesiose wird deshalb kaum gestellt. Laut Dr. Hildebrandt sind in ganz Europa bisher nur etwa 50 Fälle einer Babesiose beim Menschen gut dokumentiert. In den USA ist die Erkrankung seit 2011 meldepflichtig. In Deutschland ist dies bisher nicht vorgesehen. Eine übersehene Diagnose bei Blutspendern kann eine Übertragung durch Blutprodukte zur Folge haben. In den USA wurden bereits mehr als 150 Fälle bekannt. Mindestens zwölf Menschen sind dort nach einer Bluttransfusion an einer Babesiose gestorben. In Deutschland wurde bisher nur ein einziger Fall bekannt, berichtet Professor Hunfeld, der nicht ausschließt, dass weitere Fälle übersehen wurden. Die Bedeutung des Erregers für die Transfusionsmedizin sei in Europa bislang nicht ausreichend untersucht, kritisiert die Expertin.

Bei einer frühzeitigen Diagnose kann eine Babesiose in der Regel effektiv behandelt werden. Üblich ist die Kombination von einem Antibiotikum und einem Malariamittel. Besser ist selbstverständlich die Vorbeugung. Dr. Hildebrandt rät zu den bekannten Maßnahmen zur Vermeidung von Zeckenbissen: das Tragen heller geschlossener Kleidung, die Anwendung von Repellentien, ein schnelles Entfernen von Zecken sowie erhöhte Aufmerksamkeit für klinisch unspezifische Symptome nach Zeckenkontakt.


A. Hildebrandt und K.-P. Hunfeld:
Humane Babesiose - eine seltene aber potenziell gefährliche Zoonose
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2014; 139 (18); S. 957-962

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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 13. Mai 2014
Georg Thieme Verlag KG
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2014