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HERZ/1158: Herzchirurgie - Herzklappen aus eigenem Gewebe (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2019

Herzchirurgie
Herzklappen aus eigenem Gewebe

von Uwe Groenewold


Kongress in Wiesbaden: Gemeinsame Tagung mit den Kinderkardiologen. Beteiligung aus Schleswig-Holstein. 97 % Überlebensrate in der Herzchirurgie - trotz immer älterer Patienten.


Einer der Referenten in Wiesbaden war Prof. Stefan Ensminger, Leiter der Herzchirurgie am UKSH-Campus Lübeck. Im Fokus von Ensminger befinden sich insbesondere minimalinvasive Herzklappenreparaturen an der Aorten- und Mitralklappe sowie die Erforschung der Eigenschaften bestimmter Typen von biologischen Herzklappenprothesen. Er berichtete von einem neuen, nach dem japanischen Chirurgen Shigeyuki Ozaki benannten Operationsverfahren, bei dem eine Klappe aus körpereigenem Gewebe geformt und die alte, defekte Aortenklappe entfernt wird. Um die menschliche Aortenklappe möglichst naturgetreu nachzubilden, werden die dafür notwendigen Elemente aus Herzbeutelmaterial des Patienten entnommen. "Die alten Klappentaschen werden anschließend vermessen und millimetergenau aus Herzbeutelmaterial nachgebildet. Anschließend werden die neuen Taschen in der ursprünglichen Position am natürlichen Klappenring angenäht", erläuterte Ensminger.

Der Klinikleiter verspricht sich von einer solchen maßgeschneiderten Herzklappe eine lange Haltbarkeit ohne die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten. Zusätzlich bleiben die natürlichen mechanischen Eigenschaften einer Herzklappe weitestgehend erhalten, so Ensminger. "Wir haben die Operation seit Sommer 2018 insgesamt sieben Mal durchgeführt und sehr gute Kurzzeit-Ergebnisse erzielt." Wie sich der Eingriff langfristig auswirkt, soll im Rahmen einer klinischen Studie geprüft werden. Das OP-Verfahren soll in Zukunft weiteren, vor allem jüngeren Patienten mit Klappenerkrankungen zugutekommen.

Dr. Buntaro Fujita, Leiter des herzchirurgischen Forschungslabors am Lübecker UKSH-Campus, stellte in Wiesbaden aktuelle Erkenntnisse aus dem deutschen Aortenklappenregister im Zusammenhang mit einer Schrittmacherimplantation vor. Ziel seiner Analyse war es, die Häufigkeit von permanent implantierten Schrittmachern sowohl nach einem chirurgischen Aortenklappenersatz (SAVR), als auch nach einer minimalinvasiven Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) und deren Auswirkungen auf die einjährige Mortalität zu untersuchen. In die Analyse wurden annähernd 40.000 Patienten einbezogen, die sich laut Register zwischen 2011 und 2015 einer der beiden Operationen unterzogen hatten. Auffällig: Nach einer herkömmlichen chirurgischen Operation wurde lediglich in 3,6 % der Fälle ein permanenter Schrittmacher implantiert; nach TAVI dagegen bei 16,6 % der Patienten. Auf die 30-Tages-Mortalität hatte der Schrittmacher keinen Einfluss; jedoch lag die Sterberate der mit einem Schrittmacher versorgten Patienten nach einem Jahr über der der nicht-versorgten Patienten - bei den chirurgisch behandelten Patienten war der Unterschied signifikant.

Dr. Katharina Huenges, Herzchirurgin am UKSH-Campus Kiel, berichtete über akute Nierenschädigungen als gefürchtete Komplikation nach einer chirurgisch behandelten Aortendissektion. In ihrer Studie untersuchte sie den Verlauf von 363 zwischen 2001 und 2016 in Kiel operierten Patienten. Ergebnis: Eine akute Nierenschädigung nach einer Operation bei Aortendissektion ist mit einem beeinträchtigten Ergebnis verbunden, das sich in einer signifikant höheren postoperativen Morbidität und 30-Tages-Mortalität äußert.

Wenige Tage vor dem Kongress wurde der Deutsche Herzbericht 2018 mit vielfältigen Zahlen vorgestellt: In den 78 deutschen Fachabteilungen für Herzchirurgie haben die 1048 Herzchirurgen 2017 insgesamt 101.728 Operationen durchgeführt; 12.032 davon bei Notfallpatienten. Die Patienten werden auch im OP - immer älter: jeder zweite herzchirurgisch behandelte Patient ist 70 Jahre und älter; der Anteil der über 80-jährigen liegt bei 16 %. "Trotz des Anstiegs des Lebensalters der herzchirurgischen Patienten bleibt die Überlebensrate bei einer Herzoperation nahezu konstant bei circa 97 %", erklärte DGTHG-Präsident PD Dr. Wolfgang Harringer aus Braunschweig.

Die Kinderkardiologen haben in Wiesbaden das 50-jährige Bestehen ihrer Fachgesellschaft gefeiert. Waren die Überlebenschancen der betroffenen Kinder in den 1970er und 1980er Jahren noch ausgesprochen niedrig, erreichen heute weit über 90 % der Kinder mit angeborenem Herzfehler das Erwachsenenalter, freute sich Kongresspräsident Prof. Christian Jux aus Gießen. Dank innovativer chirurgischer und Kathetergestützter OP-Verfahren können inzwischen selbst komplexe angeborene Herzfehler frühzeitig und erfolgreich behandelt werden.

Weitere aktuelle Zahlen aus der Herzchirurgie: 2017 wurden bundesweit 34.394 Herzklappeneingriffe vorgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr ist ein leichter Anstieg um 2,8 % zu verzeichnen, wobei Männer deutlich häufiger operiert werden als Frauen. Eine isolierte oder kombinierte Bypassoperation wurde 2017 bundesweit 47.673 Mal durchgeführt (2016: 50.114); in 87 % aller Operationen unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Koronare Bypass-OP und Herzklappenchirurgie werden häufig als Kombinationseingriffe durchgeführt.

Die Bedeutung der Bypass-Chirurgie wird durch die Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie und der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur invasiven Behandlung der koronaren Herzerkrankung unterstrichen: Bei der Drei-Gefäß-Erkrankung und Stenose des linken Hauptstamms gibt es eine eindeutige Empfehlung für die koronare Bypass-Operation, um die Durchblutung des Herzmuskels wieder zu verbessern. Ebenso profitieren Diabetes-Patienten besonders langfristig von dem herzchirurgischen Eingriff.


2.000

Teilnehmer waren zum gemeinsamen Kongress von Herzchirurgen und Kinderkardiologen nach Wiesbaden gekommen. An der 48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und der 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) Mitte Februar nahmen Fachleute vor allem aus dem deutschsprachigen Raum teil; darunter auch eine ganze Reihe aus Schleswig-Holstein.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201903/h19034a.htm

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, März 2019, Seite 39
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2019

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