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HERZ/692: Bluthochdruck - Therapie durch "Renale Denervation" vorerst nur für wenige Patienten geeignet (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Montag, 25. November 2013

Renale Denervation: Katheterbehandlung vorerst nur für wenige Patienten mit Bluthochdruck geeignet



fzm, Stuttgart, November 2013 - Ein zu hoher Blutdruck kann seit kurzem durch eine Katheterbehandlung dauerhaft gesenkt werden. Die neue Therapie, renale Denervation genannt, wird in Deutschland bereits von zahlreichen Kliniken durchgeführt. Fünf Hersteller bieten Behandlungskatheter an. Ein Experte rät in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2013) jedoch zu Zurückhaltung. Solange langfristiger Nutzen und Sicherheit nicht bekannt sind, komme die Therapie nur für wenige Hochdruckpatienten infrage.

Für Privatdozent Dr. Claas Philip Nähle vom Universitätsklinikum Bonn ist die renale Denervation mittlerweile ein Routineeingriff. Von der Leiste aus schiebt der Mediziner einen Katheter bis in die Nierenarterie vor. Dann berührt er mit der Katheterspitze einzelne Punkte der Gefäßwand, die mittels hochfrequentem Wechselstrom kurzzeitig auf 45 bis 70 Grad Celsius erwärmt werden. Dank starker Beruhigungs- und Schmerzmittel spürt der Patient nichts davon. Nach etwa 45 Minuten ist die Behandlung vorüber. Und mit etwa 90-prozentiger Chance sinkt in den folgenden Wochen der Blutdruck deutlich ab.

Dennoch wird die Therapie derzeit noch relativ selten durchgeführt. Dr. Nähle und andere Zentren behandeln nur Patienten, deren oberer systolischer Blutdruckwert über 170 mm Hg oder bei Diabetikern über 150 mm HG liegt, obwohl sie schon längere Zeit drei oder mehr Wirkstoffe einnehmen. Es darf keine behandelbare Ursache für die Hochdruckerkrankung geben und die Patienten sollten versucht haben, den Blutdruck durch eine Umstellung des Lebensstils zu senken. Dazu gehört salzarme Ernährung, der vorübergehende Verzicht auf Alkohol sowie eine Gewichtsabnahme.

Die Zurückhaltung hat mehrere Gründe. Zum einen wissen Dr. Nähle und andere Experten nicht genau, wie die Wirkung zustande kommt. Sicher scheint, dass die Erwärmung ein Nervengeflecht in der Umgebung der Nierenarterien zerstört. Es gehört zum sympathischen Nervensystem, das beim Menschen die Flucht- oder Kampfreaktion steuert. Bei vielen Menschen mit hohem Blutdruck ist der Sympathikus ständig überaktiv. Es gibt sogenannte efferente Fasern, die zur Niere hinführen, und afferente Fasern, die Informationen von der Niere erhalten. "Wir wissen nicht, ob die Behandlung efferente, afferente oder beide Anteile der sympathischen Nervenfasern zerstört", so Dr. Nähle.

Unklar ist auch, wie lange die Blutdrucksenkung anhält. "Die ersten Studien zur renalen Denervation wurden 2009 veröffentlicht, und es gibt erst wenige Erfahrungen über einen Zeitraum von zwei Jahren oder länger", berichtet Dr. Nähle. Er gibt zu bedenken, dass keine der bisherigen Studien eine Vergleichsgruppe hatte, in der eine Scheintherapie durchgeführt wurde. Der Placebo-Anteil der Behandlung sei deshalb unbekannt und die Effektivität der renalen Denervation könne derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

Das gleiche gilt für die langfristige Sicherheit. Bei der Katheterbehandlung selbst komme es zwar selten zu Komplikationen, so Dr. Nähle. Doch niemand könne derzeit sagen, wie die Nierenarterien der Patienten langfristig reagieren und was der Verlust der sympathischen Nerven für die Nieren auf Dauer bedeutet. Die deutschen Experten sind jedoch optimistisch. Dr. Nähle hält sogar einen Zusatznutzen für möglich. Bei vielen Patienten bessere sich der Blutzucker und der Funktionsverlust des Hormons Insulin scheine sich abzuschwächen. Viele Patienten mit Hypertonie haben eine Insulinresistenz und sind deshalb gefährdet, langfristig an einem Diabetes zu erkranken.

Doch solange die offenen Fragen nicht geklärt sind, wird die renale Denervation auf wenige Patienten beschränkt bleiben. Dr. Nähle: "Sie ist mittelfristig nur eine Option für Patienten mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten, die durch Medikamente nicht gesenkt werden können."


C. P. Nähle et al.:
Renale Denervation: Ist sie reif für die breite Anwendung?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2013; 138 (43); S. 2212-2218

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 25. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2013