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FORSCHUNG/434: Mit Bakterien gegen Adipostas?


Deutsche Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom e.V. - 13.03.2014

Mit Bakterien gegen Adipostas?



Der menschliche Darm beherbergt einen komplexen Zusammenschluss von Milliarden Bakterien, die unsere Physiologie und Gesundheit beeinflussen. Diese Gesamtheit von Bakterien nennt man Darmmikrobiota. Die Darmmikrobiota spielt aber auch eine wichtige Rolle in der Entstehung von Erkrankungen, wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Allergien etc. In den letzten Jahren wird darüber hinaus immer mehr über den Zusammenhang von Adipositas und einer veränderten Darmmikrobiota diskutiert. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass manche Menschen trotz konsequenter Ernährungsumstellung und Sporttherapie Schwierigkeiten haben, ihr Gewicht zu reduzieren.

In den letzten Jahren erschienen immer mehr Studien, die den Zusammenhang zwischen Adipositas und Darmmikrobiota untersuchten, jedoch überwiegend an Mäusen. Hochrechnungen ergaben, dass die Anzahl adipöser Menschen von 400 Millionen im Jahr 2005 auf mehr als 700 Millionen Menschen im Jahr 2015 ansteigen wird. Dies ist ein Grund, warum sich immer mehr Wissenschaftler die Frage stellen, wie man Adipositas bekämpfen kann bzw. wo die Ursache der Adipositasentstehung zu finden ist. Die Darmmikrobiota gerät dabei zunehmend in den Fokus der Forschung.

Eine Erklärung zum Zusammenhang zwischen Adipositas und Darmmikrobiota könnte in einer der Aufgaben der Darmmikrobiota selbst zu finden sein. So ist sie verantwortlich für den Abbau und die Verdauung von Ballaststoffen in kurzkettige Fettsäuren (SCFA). Der Mensch nimmt diese auf und erhält daraus 5-10% des täglichen Energiebedarfs. Jedoch konnte bei Mäusen gezeigt werden, dass dünne Mäuse mehr kurzkettige Fettsäuren produzieren und mehr der pflanzlichen Ballaststoffe verdauen als adipöse Mäuse. Daraus kann geschlossen werden, dass SCFA zwar eine Energiequelle darstellen, sie aber eher dazu führen, dass die Akkumulation von Fettgewebe gehemmt wird und die Produktion von Hormonen, die die Sattheit fördern, gesteigert wird.

Studien zur Adipositasentstehung und Genetik zeigten bereits vor einigen Jahren einen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Genom und der Entstehung von Adipositas. Aktuelle Studien lassen jedoch vermuten, dass das Mikrobiom (Genom des Darmes) noch größeren Einfluss auf die Adipositasentstehung haben könnte als das menschliche Genom selbst. Kürzlich erschienene Studien zeigen, dass sich die bakterielle Zusammensetzung der Darmmikrobiota von schlanken und adipösen Menschen unterscheidet. Zum Beispiel scheint bei Adipösen die Bakterienart Firmicutes vermehrt, Bakterienart Bacteroides jedoch vermindert in der Darmmikrobiota vorzukommen. Diese Aussage wurde in Studien an Mäusen bestätigt, die Aussagen bei Humanstudien sind jedoch kontrovers. Eine 2013 im Journal Nature veröffentlichte Studie von Le Chatelier et al untersuchte diese Fragestellung. Es wurde die Darmmikrobiota von 123 schlanken und 169 adipösen Probanden untersucht. Aus Stuhlproben der Probanden wurde das Genom der Darmbakterien isoliert und untersucht. Das Ergebnis bestätigte einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Darmmikrobiota. Das Mikrobiom der schlanken Personen wies eine größere Bakterienvielfalt auf. Diese größere Vielfalt könnte dafür verantwortlich sein, dass das Risiko, eine Adipositas zu entwickeln, bei diesen Personen vermindert sein könnte. Desweiteren wurde gezeigt, dass die Zusammensetzung der Darmmikrobiota der Probanden sehr unterschiedlich war und wie auch schon zuvor beschrieben wurde einige Bakterienspezies mehr andere weniger im Darmmikrobiom der adipösen Probanden vorherrschten. Auch Le Chatelier et al geben an, dass vor allem die Spezies Bacteroides bei Probanden mit einer geringeren Bakterienvielfalt, also eher adipösen Probanden, in geringerem Maße vorkommen. Darüber hinaus fanden Wu et al heraus, dass durch Diäten die reich an Tierprotein und gesättigten Fettsäuren sind die Anzahl der Bacteroides ansteigen. Bei Afrikanern hingegen, die sich mit vielen Ballaststoffen ernähren (im Vergleich zu Europäern mit einer typischen westlichen Diät) ist die Bacteroides - Menge reduziert (Filippo et al).

Wenn man diese Ergebnisse betrachtet, könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass man versuchen muss die Darmmikrobiota von Adipösen so zu verändern, dass sie derer von schlanken Personen ähnlich wird. Eine Möglichkeit wäre die Übertragung der Darmmikrobiota von schlanken zu adipösen Probanden, durch eine so genannte Stuhltransplantation. Hierzu erschien 2013 im Journal Science eine interessante Studie von Ridaura et al, die zeigte dass schlanke "keimfreie" Mäuse durch die Transplantation der Darmmikrobiota von schlanken oder adipösen Spendern die Darmmikrobiota annahmen und die einen Mäuse schlank blieben während die Mäuse, die die Darmmikrobiota der adipösen Spender erhielten, eine Adipositas entwickelten. Ob dieses Ergebnis jedoch auf Menschen übertragbar ist, muss durch Humanstudien bewiesen werden.

Es ist jedoch offensichtlich, dass auch hier die Stuhltransplantation, welche in letzte Zeit immer mehr in den Fokus von Wissenschaftlerin geraten ist, eine neue Möglichkeit in der Adipositastherapie sein könnte.


Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Richness+of+human+gut+microbiome+correlates+with+metabolic+markers

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21885731

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20679230

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24009397

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Mit Bakterien gegen Adipositas?

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom e.V.
Katrin Mannsdörfer, 13.03.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2014