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EPIDEMIE/202: Der Corona-General - Krisenstabsleiter mit Einsatzerfahrung (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 1. Dezember 2021
german-foreign-policy.com

Der Corona-General

Corona-Krisenstab der künftigen rot-grün-gelben Bundesregierung wird von einem General mit Afghanistan-Erfahrung geleitet.


BERLIN - Ein General mit Erfahrung aus Einsätzen im Kosovo und in Afghanistan und aus der Vorbereitung der Defender Europe-Großmanöver führt künftig den Corona-Krisenstab der rot-grün-gelben Bundesregierung. Generalmajor Carsten Breuer hat seit dem vergangenen Jahr als Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben die Amtshilfemaßnahmen der Bundeswehr im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie organisiert; zu den Aufgaben seines Kommandos gehören zudem der Betrieb von Truppenübungsplätzen und praktische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Host Nation Support, also dem Aufenthalt von Truppen verbündeter Staaten in Deutschland und ihre Durchreise. In diesem Zusammenhang war Generalmajor Breuer mit der Unterstützung des Vormarschs von US-Truppen in Richtung russische Grenze während der Defender Europe-Manöver befasst. Den neuen Corona-Krisenstab, ein grundsätzlich ziviles Gremium, führt er von einem Büro im Bundeskanzleramt aus. Mit der Postenvergabe an einen General treibt die neue Regierung, in der die Grünen eine starke Stellung innehaben, die gesellschaftliche Normalisierung des Militärischen weiter voran.

Krisenstabsleiter mit Einsatzerfahrung

Generalmajor Carsten Breuer ist nicht der erste Soldat, der einen eigentlich zivilen deutschen Corona-Krisenstab führt. Der bisherige Corona-Krisenstab im Bundesgesundheitsministerium wird ebenfalls von einem Offizier geleitet - von Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm, den Gesundheitsminister Jens Spahn am 1. März 2020 zum Chef der neuen Abteilung "Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit" im Gesundheitsministerium ernannt hatte. Holtherm, der zuvor Kommandeur und Ärztlicher Direktor im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm gewesen war, verfügt über umfangreiche Einsatzerfahrung; er hat an Auslandseinsätzen in Kroatien, im Kosovo, im Irak, in Afghanistan und in Dschibuti teilgenommen. Zudem gehörte er 2014 dem ressortübergreifenden Ebola-Krisenstab an, den die Bundesregierung eigens eingerichtet hatte, um den deutschen Beitrag zum internationalen Vorgehen gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika zu koordinieren.[1] Die Bundeswehr führte damals zahlreiche Transportflüge durch und entsandte außerdem Soldaten als freiwillige Helfer in die von Ebola betroffenen Gebiete.

Covid-Kommissar in Militäruniform

Die Einsetzung des neuen Krisenstabs ist im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen festgelegt worden. In dem Papier heißt es, man wolle "unverzüglich einen gemeinsamen Krisenstab der Bundesregierung" schaffen, um so "die gesamtstaatliche Bekämpfung der Corona-Pandemie besser zu koordinieren".[2] Der Krisenstab soll dem scheidenden Regierungssprecher Steffen Seibert zufolge unter anderem die "Koordinierung und Zusammenarbeit bei der Steuerung der Impfkampagne, bei Impfstofflieferung und -verteilung stärken". Als Vorbild für den Plan, den Vorsitz des Krisenstabs einem Militär zu übertragen, wird in Berlin Italien genannt. Dort setzte die Regierung, um die niedrige Impfquote zu erhöhen, im März den Dreisternegeneral Francesco Figliuolo zum "Covid-Sonderkommissar" ein. Figliuolo gelang es tatsächlich, die Impfquote erheblich zu steigern. Dabei tritt der Kosovo- und Afghanistanveteran gewöhnlich in Uniform auf; er steht zudem im Ruf, es mit den vorgeschriebenen Kompetenzverteilungen im staatlichen Gefüge nicht sonderlich genau zu nehmen. Auf Kritik an seinen Auftritten in Militäruniform erklärte Figliuolo: "Ich hoffe, dass diese Uniform Vertrauen schafft."[3]

Katastrophenhilfe und Host Nation Support

Generalmajor Breuer, der den neuen Krisenstab vom Kanzleramt aus leiten wird, hat - wie Holtherm und Figliuolo - Einsatzerfahrung im Kosovo und in Afghanistan, dort, wo mittlerweile eine Vielzahl von Soldaten aus Deutschland und aus weiteren europäischen Ländern stationiert waren. Nach Tätigkeiten im NATO-Hauptquartier wurde Breuer am 23. März 2015 von der damaligen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zum Beauftragten für das neu zu verfassende Bundeswehr-Weißbuch ernannt, das im Sommer 2016 veröffentlicht wurde. Seit Anfang 2018 fungiert er als Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das für die Katastrophenhilfe der deutschen Streitkräfte zuständig ist. Dabei sind dem Kommando Territoriale Aufgaben die einzelnen Landeskommandos in den Bundesländern unterstellt. Zu seinen Zuständigkeiten zählt unter anderem der Betrieb sowie die Weiterentwicklung von Truppenübungsplätzen. Darüber hinaus kümmert es sich auch um den sogenannten Host Nation Support für Truppen verbündeter Staaten, wenn diese sich in Deutschland aufhalten oder das Land durchqueren. Zuletzt war das Kommando Territoriale Aufgaben unter anderem mit der Abwicklung der Defender Europe-Großmanöver befasst.[4]

Amtshilfemaßnahmen

Insbesondere leistet das Kommando Territoriale Aufgaben allerdings Amtshilfe im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie. Gesteuert hat das maßgeblich Generalmajor Breuer, von dem es heißt, bei der Bundeswehr nenne man ihn inzwischen gewöhnlich "General Corona".[5] Dabei haben die Streitkräfte, denen anfänglich noch Kritik entgegenschlug, von den rund 9.000 Amtshilfeanträgen, die bislang bei ihnen eingegangen sind, ungefähr 8.000 bewilligt; gegenwärtig sind sie mit rund 400 Amtshilfemaßnahmen befasst. Die Aktivitäten reichen vom Aufbau der Impfzentren über Beiträge zur Kontaktnachverfolgung bis zur Mitarbeit in der Seniorenpflege. Zu Jahresbeginn waren bis zu 25.000 Soldaten involviert. Zuletzt ist ihre Zahl von 3.000 wieder auf rund 8.000 erhöht worden. Öffentliche Aufmerksamkeit erhalten dabei besonders die Transportflüge, mit denen die Luftwaffe Covid-19-Intensivpatienten zu Krankenhäusern fliegt, in denen noch Plätze auf Intensivstationen frei sind.

Sympathiewerbung

Mit der Durchführung von Hilfsmaßnahmen im Kampf gegen Naturkatastrophen ist es der Bundeswehr immer wieder gelungen, Sympathien in der Bevölkerung zu gewinnen; eines der bekanntesten Beispiele ist der Beitrag, den die deutschen Streitkräfte im Sommer 1997 zum Kampf gegen das Oder-Hochwasser leisteten. Mit der Vergabe des Leitungspostens im neuen Corona-Krisenstab der Bundesregierung an einen General verschafft die neue Koalition, in der Bündnis 90/Die Grünen - einst friedensbewegt - eine starke Stellung innehaben, einem deutschen Militär die Chance, sich an prominenter Stelle in eigentlich zivilen Strukturen zu profilieren; sie treibt damit die gesellschaftliche Normalisierung des Militärischen weiter voran.[6]


Anmerkungen:

[1] BMG beruft Bundeswehrgeneral als Leiter der Abteilung Gesundheitsschutz. aerzteblatt.de 21.02.2020.

[2] Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP).

[3] Jörg Seisselberg: Der General hinter Italiens Impferfolg. tagesschau.de 18.11.2021.

[4] S. dazu Testmobilmachung gen Osten (III)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8164/
und Kein Lockdown für Militärs (II)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8592/

[5] Matthias Gebauer: General Corona soll es nun richten. spiegel.de 30.11.2021.

[6] S. auch "Damit Gewehre schießen"
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8457/
und Die neue Aufrüstungskoalition
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8747/

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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