Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 11.12.2017
Angeborene Immunantwort bei Typ-1-Diabetes wichtiger als gedacht
Forscherinnen und Forscher am Helmholtz Zentrum München haben eine Methode entwickelt, die es erlaubt, aus wenigen Zellen detaillierte Protein-Daten zu gewinnen. Deren Leistungsfähigkeit demonstrierten sie nun an Blutproben von Kindern mit Typ-1-Diabetes und fanden heraus: Die angeborene Immunantwort spielt bei der Krankheit eine größere Rolle als gedacht. Die Arbeit entstand im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und wurde im "Journal of Proteome Research" publiziert.
Bei Typ-1-Diabetes greift das eigene Immunsystem die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse an. Wie es genau dazu kommt, ist bislang nicht vollends verstanden. Klar ist jedoch, dass die sogenannten T-Zellen eine entscheidende Rolle dabei spielen.
Die Autoren der aktuellen Studie konzentrierten sich nun auf das Proteom* einer Untergruppe, der CD4+ T-Zellen (T-Helferzellen). Angeführt wurde das Team von Dr. Stefanie Hauck, Leiterin der Abteilung Proteinanalytik und der Core Facility Proteomics, und Prof. Dr. Anette-G. Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung (IDF) am Helmholtz Zentrum München.
Bisher lag die Schwierigkeit bei solchen Analysen vor allem darin, dass die Anzahl dieser Zellen relativ gering ist. Entsprechend große Probenmengen waren daher für eine Analyse nötig. "Aber gerade bei Kindern möchten wir größere Blutabnahmen natürlich vermeiden. Daher konnten wir solche Untersuchungen bisher nicht durchführen", erklärt die Fachärztin für Endokrinologie und Diabetes Anette-G. Ziegler.
Ein neues Verfahren erlaubte es den Wissenschaftlern allerdings nun die Analysen mit deutlich weniger Zellen durchzuführen. "Durch den Einsatz hochauflösender Massenspektrometrie konnten wir die benötigte Menge erheblich reduzieren", berichtet Marlen Lepper, Erstautorin der Studie. "Aus nur 250.000 Zellen konnten wir etwa 6.000 Proteine des T-Helferzell-Proteoms beschreiben." Für die Untersuchung zogen die Forscher Proben von 30 Kindern und Jugendlichen heran, bei denen kurz zuvor ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert worden war. Diese Daten verglichen sie mit denen aus Proben von 30 gesunden Kindern.
Bei der Auswertung stießen die Forscher dann auf unerwartete Ergebnisse: "Entgegen der Annahme, dass vor allem die adaptive Immunantwort den Typ-1-Diabetes verursacht, fanden wir vor allem Proteine aus der angeborenen Immunantwort**", erklärt Studienleiterin Stefanie Hauck. "Das weist darauf hin, dass fehlgeleitete Neutrophile beziehungsweise myeloide Blutzellen die Entstehung der Krankheit prägen."
Diesen Zusammenhang wollen die Forscher künftig weiter unter die Lupe nehmen. Zudem lasse sich die neue Methode auf vielfältige weitere Fragestellungen von klinischer Relevanz übertragen. "Unsere Studie zeigt eindrucksvoll das analytische Potential hochauflösender Massenspektrometrie bei der Phänotypisierung geringer Mengen an Patientenmaterial aus Biobankproben. Darüber hinaus stellen wir der wissenschaftlichen Gemeinde die bislang umfassendste Referenz-Datenbank für die Analyse humaner Proteine zu Verfügung", so Hauck.
Weitere Informationen
* Als Proteom bezeichnet man die Gesamtheit aller Proteine innerhalb eines definierten Bereiches (beispielsweise Lebewesen, Gewebe, Zelle oder Zellkompartiment).
** Bei der angeborenen Immunantwort ist die Struktur der beteiligten Proteine im Genom festgelegt und somit vorgegeben. Im Gegensatz dazu steht die adaptive Immunantwort, bei der sich der Körper auf den jeweiligen Erreger oder das Antigen einstellt (etwa durch Bildung von Antikörpern).
Hintergrund:
Proteomische Studien im Kontext von T1D beschränkten sich bislang auf die
Analyse von Körperflüssigkeiten wie Serum, Plasma oder Urin. Unsere Studie
beschreibt nun erstmalig das Proteom von peripheren CD4 positiven T-Zellen
in kranken und gesunden Kindern. Auch eine kürzlich erschienene
Übersichtsarbeit befasst sich mit der Rolle des angeborenen Immunsystems
bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27839907
Die Doktorandin Marlen Lepper ist Teilnehmerin der Helmholtz Graduate School Environmental Health, kurz HELENA.
Original-Publikation:
Lepper, M.F. et al. (2017): The proteomic landscape of patient-derived
CD4+ T cells in recent-onset type 1 diabetes. Journal of Proteome
Research, DOI: 10.1021/acs.jproteome.7b00712
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- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
• Die selbstständige Abteilung Proteinanalytik (PROT) erforscht die Zusammensetzung von Proteinkomplexen und deren Integration in zelluläre Prozesse und Proteinnetzwerke. Ein Schwerpunkt ist die Analyse des Zusammenwirkens von genetischer Varianz und Umweltfaktoren bei neurodegenerativen und Stoffwechsel-Erkrankungen. Ziel ist es, biologische Systeme und krankheitsassoziierte Störungen auf systemischer Ebene zu erkennen und so Beiträge zum molekularen Verständnis von Erkrankungen zu erarbeiten.
- Die Core Facility Proteomics ist eine instrumentelle Analyseplattform am
Helmholtz Zentrum München. Sie ermöglicht interessierten Forschergruppen
den Zugang zu umfassenden Proteomanalysen an hochsensitiven
Massenspektrometern. Das Portfolio reicht von der technischen und
wissenschaftlichen Beratung beim Projektdesign und der Probenvorbereitung
über die Entwicklung optimierter Analysemethoden bis hin zur eigentlichen
Probenmessung und Datenauswertung.
www.helmholtz-muenchen.de/proteinscience
- Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung
und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge eines
Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer
Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien
untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und
Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der
Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive
Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie
Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen über
Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung
und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes
Center (HDC).
www.helmholtz-muenchen.de/idf
- Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. ist eines der sechs
Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum
München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner
an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München
sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. Stefanie Hauck, Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Abteilung Proteinanalytik
Heidemannstr. 1, 80939 München
E-Mail: hauck@helmholtz-muenchen.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 11.12.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2017
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