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DIABETES/1535: Fragen und Antworten - "Mit Diabetes leben lernen" (diabetesDE)


diabetesDE - 31.01.2012

"Mit Diabetes leben lernen"

Auszüge aus dem diabetesDE-Experten-Chat vom 19. Januar 2012
mit Professor Karin Lange


Protokoll der Sprechstunde

Sonja E. fragt:

Betreff: Alltag mit Pumpe

Wir haben vier Kinder, bei unserem Jüngsten (2) ist völlig überraschend Diabetes Typ 1 festgestellt worden. Er kam sofort in die Klinik und hat sofort eine Pumpe bekommen. Unser Alltag ist ziemlich stressig. Meine Frau und ich arbeiten voll und die Kinder werden von einer Tagesmutter versorgt. Die Gewöhnung an die Pumpe ist nicht ganz leicht für ihn. Ab und zu ist der Schlauch abgeknickt und wir haben es erst bemerkt, als unser Sohn bereits ziemlich unterzuckert und nur noch am heulen war. Einfach mal so mit den Geschwistern rumtoben überanstrengt ihn und er braucht sehr viel Schlaf. Was können wir tun, um ihm das Leben ein wenig zu erleichtern? Geht das allen kleinen Kindern so? Ist für sie die Pumpe wirklich die beste Lösung?

Mit freundlichen Grüßen
Sonja E.


Professor Lange:

Liebe Frau E.,

ob eine Insulinpumpe die beste Methode für ein kleines Kind ist, können nur die Eltern zusammen mit dem Kinderarzt entscheiden. Die wissenschaftlichen Daten und Erfahrungen zeigen aber, dass sie im Vergleich zur Spritzentherapie erfolgreich und weniger belastend für die meisten Kinder ist. Kleine Kinder brauchen sehr oft am Tag winzige Mengen, die schwer so genau aufgezogen werden können, über Nacht gelingt es meist gar nicht, die winzige Menge Basalinsulin so zu geben, dass sie dann wirkt, wenn sie soll. Dadurch kam es früher sehr viel häufiger zu schweren Hypos bei kleinen Kindern als heute.

Trotzdem ist die Belastung der kleinen Kinder und ihrer Eltern sehr hoch und die Leistungen der ganzen Familie sind hoch anzurechnen. Einige Erfahrungen von Müttern (eine habe ich gerade heute für das Diabetes-Eltern-Journal interviewt) so kleiner Kinder mit Diabetes können Sie vielleicht etwas positiver in die Zukunft sehen lassen. Die Schwierigkeiten mit Ihrem kleinen Sohn sind alterstypisch (Trotz, unkontrolliert sein, ...) Die meisten kleinen Kinder machen mit etwa 3 Jahren einen großen geistigen Sprung, werden berechenbarer und zuverlässiger und wollen alles richtig machen. In dieser Phase wird es etwas einfacher mit dem Diabetes, sie können schon für ein paar Stunden in den Kindergarten gehen, ... noch etwas älter kann man sich recht gut auf sie verlassen. Die andere Mutter erzählte auch von Pumpenschwierigkeiten, und sie hatten in Absprache mit dem Kinderarzt eine Pause gemacht. Als der 4jährige dann einen anderen Jungen mit einer Pumpe kennen lernte, wollte er auch eine haben und die trägt er eisern bis heute (12Jahre) und ist sehr gut und normal entwickelt.

Die Mütter berichteten auch, dass gerade kleine Kinder sehr auf die seelische Stimmung der Eltern reagieren. Als sie es geschafft hatten, sich nicht mehr ständig Vorwürfe zu machen und gelassener zu werden, wurden auch die Kinder ruhiger im Umgang mit den nötigen Therapie. Der Austausch mit anderen Eltern in gleicher Situation war dabei extrem hilfreich. Manchmal sind es ja die kleinen Tipps, die im Alltag weiterhelfen.

Mein abschließender Rat: bitte besprechen Sie mit Ihrem Kinderdiabetologen die Vor- und Nachteile der Pumpe offen, denn nur Eltern können sich ein wirkliches Bild vom Alltag eines bestimmten Kindes machen.

Ich wünschen Ihnen viel Kraft für die Versorgung Ihrer großen Familie, Adressen vieler Selbsthilfegruppen für Eltern kleiner Kinder mit Diabetes finden Sie unter
www.Diabetes-Kids.de

Ihre
Karin Lange


*


Klaudia:

Liebe Frau Lange,

ich habe einen sehr stressigen Job und komme häufig nicht zum Essen oder vergesse es schlichtweg. Seit etwa 5 Monaten habe ich die Diagnose Diabetes. Ich leide permanent unter Unterzuckerung weil ich es einfach nicht bewerkstelligt bekomme, meinen Job und das regelmäßige Kontrollieren unter einen Hut zu bekommen. Mein Diabetologe mahnt mich auch immer wieder an. Können Sie mir einen Tipp geben, wo ich mir professionelle Hilfe suchen kann? Ich weiß nicht mehr weiter und kann mit dieser Erkrankung einfach nicht umgehen.

Vielen Dank und freundliche Grüße
Klaudia D.


Professor Lange:

Liebe Klaudia,

Sie haben erst 5 Monate Diabetes und ich kann mir vorstellen, dass die ganze Therapie mit einem stressigen Job schwer zu vereinbaren ist. Man braucht (viele brauchen) fast ein Jahr, um in eine gute Routine zu kommen. Dazu ist zunächst wichtig, dass Sie sich entschließen, sich um den Diabetes kümmern zu wollen und nicht mehr zu müssen. Das hört sich trivial an, ist aber entscheidend. Solange man muss und eigentlich nicht will, findet man immer wieder gute Gründe, warum bestimmte Dinge nicht gehen (besonders intelligente und erfolgreiche Menschen, denen der Diabetes überhaupt nicht ins Leben passt, sind hier sehr kreativ).

Wahrscheinlich finden Sie es immer noch unfair, dass es Sie getroffen hat - es ist auch unfair - aber leider lässt es sich nicht ändern. Sie haben nichts falsch gemacht und trotzdem kam der Diabetes. Vielleicht sprechen Sie einmal mit Menschen, die lange und gut mit Diabetes leben. Diese sind meist keine "Berufsdiabetiker", die kein anderes Thema kennen, sonst ganz pragmatisch. So wie sie ihren stressigen Job organisieren und von Routine profitieren, so managen sie auch den Diabetes. Morgens alles mitnehmen, was man für 3 Tage braucht - es könnte ja plötzlich ein wichtiger Termin in London kommen, und man muss hin - also kein Schritt ohne Streifen, Insulin,....und Sie wissen ja. Sie gehen ja auch nicht ohne Handy aus dem Haus. Diabetestherapie wird zur Routine, wenn man sich gut auskennt, man spritzt nur dann, wenn man sicher etwas isst - diese Freiheit erlaubt die intensivierte Therapie mit Spritze oder Pumpe.....hier könnte ich jetzt ganz viele Tipps geben - aber das entspricht eher einem Schulungsprogramm für Profis. Diese Trainings können Sie auch stationär in den großen Diabeteskliniken machen und dort auch mit auf Diabetes spezialisierten Psychologen über Ihre Motivation sprechen (z. B. in Quakenbrück, Bad Mergentheim, Bad Oeynhausen oder anderen, s. DiabetesDE) Gerade als Anfängerin möchte ich Ihnen empfehlen, schnell einen solchen Profikurs zu besuchen, um wirklich eine Chance zu haben, mit dem Diabetes weiter erfolgreich und belastbar bei guter Lebensqualität zu bleiben.

Viel Erfolg
Ihre
Karin Lange


*


Svenja fragt:

Mit Anfang 20 bin ich an Diabetes Typ 1 erkrankt. Damit nicht genug. Nach und nach kamen Lebensmittelallergien, Heuschnupfen und Hashimoto dazu. Vor allem die Lebensmittelunverträglichkeiten (Laktose, Hülsenfrüchte, Nüsse etc.) erschweren eine ausgewogene Diabetes-Diät. Ich bin eigentlich nur noch mit Arztgängen beschäftigt und nehme Medikamente gegen alles Möglich ein. Jetzt habe ich Angst, dass mit der Zeit noch mehr Allergien oder Autoimmunerkrankungen hinzukommen. Muss ich mir da wirklich Sorgen machen? Wo kann ich mir noch Rat holen? Mein Diabetologe scheint da irgendwie überfragt zu sein.


Professor Lange:

Sehr geehrte Svenja,

Sie haben wirklich mit sehr vielen Beeinträchtigungen gleichzeitig zu kämpfen. Leider ist es bekannt und auch häufiger als man allgemein denkt, dass Diabetes nur eine von mehreren Autoimmunerkrankungen ist, die einen Menschen gleichzeitig betreffen können. Im Prinzip sind Sie von den wichtigsten (Schilddrüse, Heuschnupfen und Lebensmittelunverträglichkeiten - Zöliakie?) betroffen. Wenn Sie sich genauer zu Ihrem Allergieproblemen und dem beeinträchtigten Immunsystem informieren und beraten lassen möchten, sollten Sie gezielt Immunologische Zentren (Ambulanzen), die es an den meisten großen Unis gibt, wenden. Dort gibt es meist auch Fachleute, die nicht nur eine Erkrankung, sondern mehrere in Kombination betrachten. Dort sind meist auch erfahrende Ernährungsberater, die sich mit Ihren Besonderheiten auskennen.

Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen
Ihre
K. Lange




zum kompletten Chat-Protokoll:
http://ow.ly/5ZLlB

Der Diabetes-Chat steht allen Internet-Nutzern kostenfrei auf www.diabetesde.org zur Verfügung.
Protokolle der letzten Sprechstunden können Sie abrufen unter:
www.diabetesde.org/experten_chat

Eine weitere wichtige Anlaufstelle ist das Diabetes Gesundheitstelefon.
Unter der Nummer 0180 250 5205 (6 Cent/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute) stehen täglich 24 Stunden Experten bereit.


diabetesDE ist eine gemeinnützige Organisation, die alle Menschen mit Diabetes und alle Berufsgruppen wie Ärzte, Diabetesberater und Forscher vereint, um sich für eine bessere Prävention, Versorgung und Forschung im Kampf gegen Diabetes einzusetzen. An oberster Stelle steht die Interessenvertretung für die Menschen, die von dieser Volkskrankheit betroffen sind, die sich in großem Tempo in vielen Ländern der Erde, so auch in Deutschland ausbreitet. Gegründet wurde diabetesDE von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).


*


Quelle:
diabetesDE, Pressestelle
diabetesDE-Experten-Chat vom 19. Januar 2012
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E-Mail: presse@diabetesde.org
Internet: www.diabetesde.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2012