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ALLERGIE/330: Gut gemeint, aber ineffektiv? Studie stellt Disease-Management-Programm bei Asthma infrage (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 27.04.2015

Gut gemeint, aber ineffektiv? Studie stellt DMP bei Asthma infrage


fzm, April, Stuttgart 2015 - Ein in den letzten Jahren bundesweit eingeführtes Disease-Management-Programm (DMP), das die Versorgung von Asthmakranken verbessern soll, hat sein Ziel möglicherweise nicht erreicht. Eine Umfrage in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015) ergab, dass die Teilnehmer trotz einer intensiveren Versorgung genauso häufig unter einem nicht kontrollierten Asthma leiden wie andere Patienten.

Das DMP Asthma wurde zwischen 2006 und 2008 bundesweit eingeführt. Die teilnehmenden Patienten haben Anspruch auf eine Behandlung nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft. Außerdem werden sie durch Schulungen in die Behandlung ihrer chronischen Krankheit einbezogen. Sie lernen den Umgang mit den unterschiedlichen Medikamenten, erhalten ein Peak-Flow-Meter zur Überprüfung ihrer Lungenfunktion und für den Fall einer Krise steht ihnen ein Notfallplan für eine rechtzeitige ärztliche Behandlung zur Verfügung.

Ob das DMP Asthma die Versorgung der Patienten verbessert, ist umstritten. Professor Klaus Rabe, Chefarzt an der LungenClinic in Großhansdorf bei Hamburg und Professor Andreas Ziegler, Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, kritisieren im Editorial der DMW, dass die Wirksamkeit des DMP Asthma niemals einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen wurde.

Vor diesem Hintergrund wecken die Ergebnisse einer jetzt in der DMW veröffentlichten Umfrage neue Zweifel. Dr. med. Bettina Bücker vom Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten-Herdecke hat Fragebögen an 8000 zufällig ausgewählte asthmakranke Mitglieder einer Krankenkasse verschickt, von denen die Hälfte an einem DMP Asthma teilgenommen hatte. Die andere Hälfte hatte nicht am DMP teilgenommen. Sie bildete die Kontrollgruppe der Studie.

Die 2.372 zurückgeschickten Fragebogen zeigten, dass die Angebote des DMP Asthma teilweise angenommen wurden. So hatte rund die Hälfte der Teilnehmer des Programms eine Asthmaschulung besucht. In der Kontrollgruppe waren es lediglich 32 Prozent. Etwa 49 Prozent verfügten über ein Peak-Flow-Meter. Unter den Nicht-Teilnehmern hatten das nur etwa 25 Prozent. Einen Notfallplan hatten knapp 22 Prozent der DMP-Teilnehmer griffbereit, in der Kontrollgruppe waren es elf Prozent. Auch suchten DMP-Teilnehmer häufiger ihren Haus- oder Lungenfacharzt auf und sie fühlten sich besser über ihre Erkrankung informiert.

Eine günstige Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist laut Dr. Bücker jedoch nicht erkennbar. Die Hälfte der Teilnehmer des DMP litt nach eigenen Angaben weiterhin unter einem unkontrollierten Asthma. Der Anteil war sogar tendenziell höher als in der Kontrollgruppe. Dort gaben rund 48 Prozent der Patienten an, darunter zu leiden. Zudem erklärten rund 70 Prozent der Teilnehmer des DMP Asthma, ihre Krankheit führe zu täglichen Einschränkungen im Alltag. In der Kontrollgruppe waren dieser Meinung nur etwa 63 Prozent.

Die Gründe für die Wirkungslosigkeit des DMP Asthma kann die Studie nicht klären. Neben einer geringen "Effektivität" der geförderten Maßnahmen könnten Eigenheiten der Krankheit oder der Patienten eine Rolle spielen, schreibt Dr. Bücker. Die Forscherin weist allerdings auf methodische Schwächen ihrer Studie hin. Die Patienten seien für die Umfrage zwar nach dem Losprinzip ausgewählt worden, dies schließe jedoch Verzerrungen nicht völlig aus. So könnte es sein, dass Ärzte das DMP-Programm bevorzugt Patienten mit einem schlecht kontrollierten Asthma empfohlen haben. Außerdem beruht die Studie allein auf den Selbstauskünften der Patienten. Es könnte sein, dass die Teilnehmer des Programms ihre Situation subjektiv schlechter eingestuft haben als in der Kontrollgruppe. Dennoch lasse die Studie aufgrund der ernüchternden Ergebnisse aufhorchen, schreiben Professor Rabe und Professor Ziegler im Editorial. Es sollten dringend qualitativ hochwertige randomisierte Studien zur wissenschaftlichen Überprüfung von DMPs in Deutschland a .ufgelegt werden.


S. Bücker et al.:
Asthma in Deutschland: Versorgungslage aus Patientensicht
Eine Fragebogenstudie zum Disease-Management-Programm Asthma.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (6); e60 - e66

A. Ziegler und Klaus F. Rabe:
Sind deutsche Disease-Management-Programme wirksam?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (6); S. 417

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 27. April 2015
Thieme Verlagsgruppe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2015

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