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POLITIK/1741: Im Dienste der großen Krankenhausketten (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 6 vom 11. Februar 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Im Dienste der großen Krankenhausketten
14-Punkte-Papier der CDU/CSU

Von Hans-Peter Brenner


Eine Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion veröffentlichte vor einigen Tagen ein "14-Punkte-Papier", in dem die nächsten Schritte beim Umbau des Gesundheitswesens dargelegt werden. Kern ist die Neuregelung der Zulassung der ambulant tätigen Haus- und Fachärzte zu Gunsten der stationären Einrichtungen (Krankenhäuser) oder der Großpraxen (Medizinische Versorgungszentren). Man kann es auch so ausdrücken: der Konzentrations- und Zentralisationsprozess des Medizin-Kapitals soll beschleunigt werden.

Im 14-Punkte-Papier zur "Reform der medizinischen Versorgung" heißt es: "Ambulante ärztliche Versorgung, vor allem hausärztliche Versorgung, muss wohnortnah gesichert sein - das gehört zur elementaren Daseinsvorsorge unseres Sozialstaats." Angesichts des zunehmenden Ärztemangels auf dem Land, der ungünstigen Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte und des stark wachsenden Anteils der Medizinstudentinnen sei dies "eine große Herausforderung". Zu deren Bewältigung schlägt die Arbeitsgruppe Gesundheit ein Bündel von Maßnahmen vor, die aber nicht die "Wohnortnähe", sondern das Krankenhaus zum Maßstab der Versorgung erklären.

Als wesentliche Maßnahme schlägt die CDU regionale, sektorenübergreifende Versorgungsausschüsse vor. Sie sollen sich an den Zuständigkeitsgrenzen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) orientieren. Ihnen würden Vertreter der KV, der Landesärztekammer, der Landeskrankenhausgesellschaft, der Krankenkassen und des zuständigen Landesministeriums angehören. Darüber hinaus sollen Patientenvertreter und Vertreter der von den Planungen betroffenen Kommunen aber nur "beratend" teilnehmen dürfen. Die neuen Gremien könnten die Grenzen von Planungsbezirken neu festlegen, um die Sitzverteilung der Ärzte zu verbessern. Sie entmündigen damit das öffentlich-rechtliche KV-System in einem zentralen Bereich seiner Kompetenzen. Die großen Krankenhäuser bekommen über die Krankenhausgesellschaften damit einen institutionellen Zugriff auf die Festlegung der ambulanten Versorgungsstruktur.

Zum "Abbau von Überversorgung und Fehlsteuerung" wird vorgeschlagen, die Möglichkeiten zum Aufkauf von Praxen zu nutzen und zu erweitern. "Die bisherige Praxis, bei der das Recht zur Abrechnung mit den Krankenkassen in Deutschland quasi vererbt und verkauft werden kann, ist zu beenden", heißt es. Auch eine nur noch "zeitlich befristete Zulassung in Ergänzung der lebenslangen Zulassung" wird - insbesondere für unterversorgte Regionen - ins Gespräch gebracht.

Sinn dieser Maßnahme, bei der ganz nebenbei verschwiegen wird, dass die bisherige Reglung immer die Zustimmung der Zulassungsausschüsse der KVen beim Verkauf einer Praxis voraussetzt, ist es ganz offenbar, finanzkräftigen Anbietern den Kauf von Kassensitzen zu erleichtern. In dieselbe Richtung zielt die "konsequente Neuorganisation der Notdienstbezirke". Es soll weniger und dafür größere Bezirke geben. Das Notdienstangebot der Kliniken müsse einbezogen und stärker mit dem des ambulanten Bereichs verzahnt werden. Verschwiegen wird auch hier, dass dies schon heute in vielen Versorgungsgebieten so ist, und dass damit zum einen die Anfahrwege der Patienten im Notfall vergrößert wurden und die Notdiensteinrichtungen immer öfter zu einem Ersatz für die reguläre ambulante Versorgung werden, deren Leistungen auf Grund der höheren Notdienstvergütung sich dadurch enorm verteuern.

"Gleich lange Spieße" für den ambulanten und den stationären Sektor werden gefordert. Dahinter verbirgt sich in Wirklichkeit die Verlagerung von Leistungen, Personal und Geld vom ambulanten auf den stationären Sektor, gekoppelt mit einer stärkeren personellen und finanziellen Konzentration auf den Krankenhausbereich.

Nach all diesen Vorschlägen zur konsequenten Beschneidung der bisher wohnortnahmen, ambulanten Versorgung und zur Schaffung von Bedingungen, die sich nahtlos in den fortlaufenden Prozess der Privatisierung des stationären Versorgungssektors, des Verkaufs von Landes-, Kommunal- und Universitäts-Kliniken an große Krankenhauskonzerne und des Aufkaufs von Kassenzulassungen einpassen, gleicht der folgende Satz im CDU-Papier einem kabarettistischen Bonmot: "Gleichzeitig muss verhindert werden, dass solche Strukturen durch Kapitalbeteiligungen und Renditestreben Vorrang vor Therapiefreiheit erlangen können." Die CDU kommt mit ihrem Konzept Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zuvor, der seinerseits für 2011 ein neues "Versorgungsgesetz" mit zahlreichen Punkten, angekündigt hatte: von Ärztedichte bis zur zeitlich befristeten Ärzte-Zulassung. Der Staatssekretär im Gesundheitsministerium Daniel Bahr (FDP) kritisierte manche Vorschläge "in der Tendenz als zu bürokratisch." Die Bundesärztekammer begrüßte die Unions-Ideen als "Schritt in die richtige Richtung". Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erklärte, die heutige Bedarfsplanung sei viel zu starr. Deshalb sei jeder Änderungsvorschlag willkommen.

Es ist bezeichnend für die sachliche Unbedarftheit und die fehlende strategische Weitsicht - oder aber auch für die schon fortgeschrittene politische Durchdringung der Kammern und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung durch die Lobby der großen Krankenhausketten -, dass diese Berufsorganisationen nicht erkennen (wollen), dass der "Geist" der CDU/CSU Überlegungen, nämlich die weitere "Öffnung" der ambulanten Strukturen und der noch schnellere Zugriff auf die dortigen Honorar- und Geldmengen durch die Krankenhauskonzerne, sich letztlich gegen sie selbst und ihre Mitglieder richtet.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 6 vom 11. Februar 2011, S. 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011