Universität Rostock - 17.05.2011
Um das Altern zu verstehen, ist ein radikal neuer Denkansatz nötig - fächerübergreifend und multinational
Der Mensch lebt heute länger als jemals zuvor. Doch warum lebt er so lange? Und was passiert in einem alternden und immer älter werdenden menschlichen Körper, seinen Organen, seinen Zellen? "Einige Wissenschaftler glauben, die Antwort darauf in bestimmten Methusalemgenen zu finden Verschwendete Zeit!", sagte Prof. Dr. Olaf Wolkenhauer, Lehrstuhl für Systembiologie an der Universität Rostock, heute in Berlin auf der 3. Denkwerkstatt Demografie. Denn der menschliche Körper ist mehr: Er ist eine sehr große und dabei sehr organisierte Population von interagierenden Zellen, die koordiniert ihre Funktion als Teil eines Ganzen realisieren. "Will der Mensch auf die Alterung und somit auf die Lebensspanne Einfluss nehmen, müssten unzählige, zum Teil noch unbekannte, molekulare und zellulare Prozesse beeinflusst werden", so Wolkenhauer. Der Mensch versteht heute erst einen Bruchteil des komplexen Wesens einer differenzierten Zelle und weiß beispielsweise nicht, ob und wie eine Stammzelle, aus der alle differenzierten Zellen entstehen, altert. Mittel und Techniken fehlen, um die funktionelle Organisation des gesamten Systems zu verstehen. "Dazu braucht es einen radikal neuen, fächerübergreifend und multinational verstandenen Denkansatz: einen Systemansatz, der die Dynamiken des Systems alternder, menschlicher Körper fokussiert und nicht nur einzelne Komponenten betrachtet", umreißt Wolkenhauer die Forschungsziele der nächsten Jahre.
Die Hälfte der Kinder, die heute in Staaten mit hohen Lebenserwartungen geboren werden, werden ihren 100. Geburtstag feiern können. Der Mensch stirbt also später. Altert er daher langsamer oder setzt die Alterung später ein? Neue Ergebnisse weisen darauf hin, dass ebenso wie das Sterben, die altersbedingten Abbauprozesse zeitlich verzögert einsetzen - die Rate der Alterung jedoch gleich geblieben ist. Ob ältere Menschen heute tatsächlich gesünder sind als früher, wird in der Wissenschaft noch immer kontrovers diskutiert. "Es fehlen vor allem zuverlässige Daten zu den Hochaltrigen. Eine Vielzahl von Studien weist jedoch in die Richtung, dass Ältere heute gesünder sind als früher, und beispielsweise die Gesundheit eines 80-Jährigen heute, der eines 70-Jährigen vor 50 Jahren gleicht", erläuterte Prof. Dr. James W. Vaupel, Direktor am Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock.
Ein erhöhter Lebensstandard sowie medizinisch-technologische
Fortschritte haben maßgeblich zu diesen Verbesserungen beigetragen.
Sterblichkeitsstudien zu Über-110-Jährigen (Supercentenarians) liefern
zudem neue Einsichten: Das Sterberisiko der Supercentenarians liegt
konstant bei jährlich 50 Prozent und steigt nicht, wie in jüngeren
Lebensaltern, mit jedem Lebensjahr an. "Weitergehende Verzögerungen
des Alterns und Sterbens werden zukünftig sicher möglich sein, weil
immer mehr Menschen in besserer Gesundheit ein hohes Alter erreichen",
so Vaupel. Möglich kann dies werden, wenn die vorherrschenden
Todesursachen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen
besser behandelt, relevante Alterserkrankungen, wie kognitive oder
sensorische Einschränkungen zuverlässiger therapiert und biologische
Faktoren des Alterns weitergehend erforscht werden. Die Denkwerkstatt
Demografie wird vom dem Rostocker Zentrum zur Erforschung des
Demografischen Wandels, dem Department "Aging Science and Humanities"
der Universität Rostock, dem Max-Planck-Institut für demografische
Forschung und Population Europe organisiert. Die Diskussionsreihe gibt
Experten aus Politik und Wissenschaft, aus zivilgesellschaftlichen
Institutionen und den Medien einen Rahmen, um gesellschaftsrelevante
Themen der Alternsforschung zu diskutieren. So wird die Debatte um
Konsequenzen und Herausforderungen des Demografischen Wandels weiter
belebt.
Im Juni werden die Veranstalter einen ausgewählten Personenkreis zu
einem weiteren Lunchtime-Talk einladen. Dieser wird sich folgendem
Thema widmen: Gehen uns die Akademiker aus? Bildungspolitische
Herausforderungen der alternden Gesellschaft.
Nähere Informationen
zur Veranstaltungsreihe Denkwerkstatt Demografie finden Sie unter:
http://www.rostockerzentrum.de/denkwerkstatt/flyer_denkwerkstatt.pdf
Kontakt:
Universität Rostock
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Prof. Dr. Olaf Wolkenhauer
Mail: olaf.wolkenhauer@uni-rostock.de
Max-Planck-Institut für demografische Forschung
Prof. Dr. James W. Vaupel
Mail: jwv@demogr.mpg.de.
Universität Rostock
Presse+Kommunikation
Dr. Ulrich Vetter
Mail: ulrich.vetter@uni-rostock.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution210
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Rostock, Ingrid Rieck, 17.05.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2011
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