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ARTIKEL/1067: Europäischer Kongreß für Immunologie, 13.-16.09.2009 in Berlin (3) (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Impfen gegen Krebs
→  Neue und alte Seuchen - Wächst die Gefahr?
→  Stammzellen - Zukunftshoffnung der Immunologie
→  Gefäßversorgung des Tumors modulieren: Eine neue Strategie der Krebsbekämpfung
→  Immunantwort entscheidend für Prognose bei Darmkrebs

Raute

Impfen gegen Krebs

Keine medizinische Erfindung der Neuzeit hat die modernen Gesellschaften so verändert wie die vorbeugende Impfung gegen Infektionskrankheiten. Die Entwicklung therapeutischer Impfungen jedoch, d. h. die Vakzinierung nach Ausbruch einer Erkrankung, erweist sich als sehr viel schwieriger. Impfungen gegen Krebs, schon seit mehr als 100 Jahren Gegenstand intensiver tumorimmunologischer Forschung, versuchen genau dies, und inzwischen zeichnen sich auch erste klinische Erfolge ab. Eine Zusammenfassung der interessantesten neuen Ansätze gab Professor Carmen Scheibenbogen, Institut für Medizinische Immunologie, Charité-Universitätsmedizin, im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin.

Ein Ansatz, der auf den neuesten Erkenntnissen der Peptid-Impfstoffentwicklung beruht, wird von Cees Melief, Leiden, auf dem ECI vorgestellt: Ein Kombinationsimpfstoff, bestehend aus Eiweißstoffen, sog. synthetischen langen Peptiden von Onkoproteinen des humanen Papillomviruses (HPV), wurde bei Patientinnen mit etablierten Vorstufen eines genitalen Karzinoms (sog. intraepitheliale Neoplasie der Vulva, Grad III) in einer klinischen Phase II-Studie geprüft. Nach 4-maliger Impfung mit dieser Vakzine ließen sich komplette Rückbildungen aller Läsionen bei einem beträchtlichen Teil der behandelten Patientinnen erreichen. Diese ermutigenden klinischen Ergebnisse bestätigen experimentelle Untersuchungen, die zeigten, dass die Eiweißstoffe von dendritischen Zellen, den Profis der Antigen-Präsentation, aufgenommen und nach entsprechender Aufbereitung den T-Lymphozyten so effektiv präsentiert werden, dass diese die Tumorzellen anschließend zerstören können (C Melief et al, 2008).

In ähnlicher Weise versucht die Berliner Arbeitsgruppe um Carmen Scheibenbogen selbst und Anne Letsch ein Peptid (Eiweißstoff) des Transkriptionsfaktors WT1 zur Impfung bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) zu entwickeln. Der Transkriptionsfaktor WT1 ist in seiner Expression besonders stark assoziiert mit der Malignität (Bösartigkeit) bzw. dem Wachstumsverhalten vieler Tumorzellen. In Vorstudien konnten die Autorinnen zeigen, dass T-Lymphozyten von AML-Patienten in der Lage sind, über WT1 Leukämiezellen anzugreifen. Die Ergebnisse einer ersten klinischen Studie werden von Anne Letsch vorgestellt. Mit Unterstützung der Jose-Carreras-Leukämie Stiftung wurde ein Impfstoff entwickelt, der ermutigende Ergebnisse bei durch Chemotherapie nicht mehr ausreichend behandelbaren Formen von Leukämie zeigt (Keilholz et al. 2009). Diese Ergebnisse sind Grundlage für eine Multicenter-Studie, die in Deutschland durchgeführt werden wird.

Licia Rivoltini vom Instituto Nazionali Tumori in Mailand beschäftigt sich ebenfalls seit vielen Jahren mit der Impfstoffentwicklung, insbesondere gegen Melanom und Darmkrebs. Sie stellt aktuelle Studien vor über die Bedeutung immunregulatorischer Mechanismen bei der Immunantwort gegen Krebszellen und wie diese Erkenntnisse in verbesserte Konzepte zur Impfstoffentwicklung umgesetzt werden können (Filipazzi P, 2007).

Über einen weiteren Ansatz, T-Lymphozyten gegen Tumorzellen zu engagieren, berichtet G. Riethmüller, München. Mit Hilfe eines neuartigen, synthetischen, bispezifischen Antikörpermoleküls, das Januskopf-artig an zwei unterschiedlichen Antigenbindungsstellen ankoppelt, lassen sich kompakte Brücken zwischen T-Lymphozyten und Tumorzellen schlagen. Aufgrund der ausgewählten Zielmoleküle auf der Zellmembran von Tumorzelle und T Lymphozyt, über die das Antikörpermolekül die beiden Zellen in allerengsten Kontakt bringt, werden T-Lymphozyten unabhängig von ihrem spezifischen Antigenrezeptor zur Zerstörung der kontaktierten Tumorzellen animiert. Bei fortgeschrittenem Non-Hodgkin-Lymphom und bei akuter lymphatischer Leukämie führte dieser bispezifischen Antikörper bei über 90 % der behandelten Fälle zur kompletten bzw. partiellen Abstoßung der malignen Zellen (Bargou et al. 2008). Bemerkenswert ist, dass diese klinischen Ergebnisse sich durch Dauerinfusionen erzielen ließen, bei denen nur 15 - 60 Mikrogramm pro Patient und Tag verabreicht wurden.

• Tumorimmuntherapie-Symposium am 16.09.2009:
"Mobilizing T Lymphocytes for Cancer therapy"
Unter der Schirmherrschaft der International Society for Biological Therapy, iSBTc
Vorsitzende: Carmen Scheibenbogen, Berlin und Licia Rivoltini, Mailand

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Neue und alte Seuchen - Wächst die Gefahr?

Im Zuge der dominanten Berichterstattung in den Medien zu neuen Seuchengefahren wie der Schweinegrippe geraten andere Infektionsrisiken in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht in den Hintergrund. "Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass die folgenschwersten Infektionskrankheiten nach wie vor alte Bekannte wie Tuberkulose, HIV/AIDS, Malaria oder Hepatitis C sind. Weltweit sterben an diesen Krankheiten pro Jahr rund sechs Millionen Menschen", betont Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan H. E. Kaufmann, Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, Berlin, beim 2nd European Congress of Immunology ECI 2009. "Gegen diese großen Seuchen benötigen wir dringend Impfstoffe!"

Neue Risiken werden meist schlimmer empfunden als altbekannte, die gerne verdrängt werden. "Die Schweinegrippe ist für Deutschland derzeit eine empfundene Bedrohung, während Tuberkulose, HIV/AIDS, Malaria und Hepatitis C reale Bedrohungen darstellen", betont der Infektionsexperte, der gleichzeitig Präsident der European Federation of Immunological Societies EFIS* und Vizepräsident der International Union of Immunological Societies IUIS ist. Der Wissenschaftler will mit dieser Aussage verzerrte Wahrnehmungen zurechtrücken, aber keineswegs die Schweinegrippe herunterspielen, die weltweit bislang etwa 3500 Todesopfer gefordert hat. "Denn auch diese Grippe kann durch weitere Mutationen gefährlicher werden, so wie die Spanische Grippe 1918. Aber: Die Immunologie bietet heute die Möglichkeit, Impfstoffe dagegen zu entwickeln."

Tuberkulose: Impfstoff dringend gebraucht

Im Gegensatz zur Grippe ist dies bei den genannten großen Seuchen bislang nicht hinreichend gelungen. Die Impfstoffentwicklung ist äußerst aufwendig und bringt zumindest für die vernachlässigten Krankheiten geringe Renditen für die Investitionen in Forschung und Entwicklung. Eine dieser vernachlässigten Krankheiten ist die Tuberkulose. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts war sie noch Todesursache Nummer 1 in Deutschland und Europa. In den 1960er Jahren galt die Krankheit als besiegt. Heute ist sie, begünstigt durch die Ausbreitung von AIDS, vor allem in Afrika, Asien und Osteuropa wieder aufgeflammt. Und sie hat neue Formen entwickelt, die gegen herkömmliche Medikamente resistent sind. Über neun Millionen Menschen erkranken jährlich an Tuberkulose, zwei Millionen sterben daran.

Auf der Weltgesundheitskonferenz im April dieses Jahres in Peking warnte die Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan: "Die Lage derzeit ist alarmierend. Sie droht sehr schnell noch viel schlimmer zu werden ... Wenn wir gegen das neue Problem nicht mit aller Kraft angehen, werden wir es bald in 95 Prozent der Fälle mit resistenten Erregern zu tun haben." Zu den Faktoren, die die Entwicklung multiresistenter Erreger begünstigen, gehören vorzeitig abgesetzte Antibiotika im Krankheitsfall sowie der massenhafte Einsatz dieser Medikamente in der landwirtschaftlichen Tierhaltung.

Zwar gibt es gegen die Tuberkulose bereits seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts einen Impfstoff: Bacille-Calmette-Guérin (BCG). Dieser schützt aber nur gegen die heftig verlaufende Tuberkulose des Kleinkinds und nicht gegen die häufigste Form dieser Krankheit, die Lungentuberkulose des Menschen. Seit einigen Jahren arbeiten weltweit mehrere Gruppen an einem verbesserten Impfstoff gegen Tuberkulose. Am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie hat das Team von Kaufmann einen Impfstoff entwickelt, der eines Tages BCG ersetzen soll. Dieser verbesserte Impfstoff zeigt in präklinischen Modellen deutlich bessere Wirkung und höhere Sicherheit. Derzeit befindet sich dieser Impfstoff in Deutschland in einer klinischen Studie der Phase I, die von der "Vakzine Projekt Management" durchgeführt wird. "Die Arbeiten über Tuberkulose sind aber zeitaufwendig, so dass mit einem neuen Impfstoff gegen Tuberkulose frühestens in ca. 10 Jahren gerechnet werden kann", betont Kaufmann.

Strategien für die globale Seucheneindämmung hat der renommierte Wissenschaftler bereits im Rahmen eines Buchs* in allgemein verständlicher Weise formuliert. Dabei macht ihm die Entwicklung im eigenen Land durchaus Sorgen: "Obwohl Impfungen zu den kosteneffizientesten Maßnahmen der Medizin gehören, findet die Impfstoffentwicklung in der Öffentlichkeit häufig nicht die ihrem gesellschaftlichen Wert entsprechende Beachtung", kritisiert er. "In vielen Industrieländern macht sich sogar eine zunehmende Impfmüdigkeit bemerkbar, die dazu führt, dass z. B. in Deutschland immer wieder Masernausbrüche zu verzeichnen sind."

Globale Philanthropen gesucht

Aufgrund der aufwendigen Arbeiten sollten neue Impfstoffe in Partnerschaften entwickelt werden, schlägt Kaufmann vor. Hierbei sollten bereits sehr früh Strategien entwickelt werden, die eine Verteilung der Impfstoffe zu erschwinglichen Preisen in armen Ländern ermöglichen, z. B. durch garantierte Abnahme von Impfstoffen und globale Zugangsstrategien. Bislang gelang es einmal, eine Infektionskrankheit - die Pocken - zu eliminieren. Berechtigte Hoffnung besteht, dass dieses Ziel auch für Kinderlähmung und Masern erreicht wird. Obwohl technisch machbar, stehen diesem Ziel politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe entgegen. In den letzten Jahren haben multidisziplinäre Organisationen, insbesondere die Global Alliance for Vaccination and Immunization durch breit angelegte Programme die Grundimpfung in zahlreichen Ländern der Erde, unabhängig von deren wirtschaftlichen Lage, ermöglicht. "Dies ist ein großer Erfolg von 'Public-Private-Philanthropic Partnerships'", unterstreicht der Wissenschaftler.

Bislang wurde die Impfung ausschließlich zur Kontrolle von Infektionskrankheiten eingesetzt. In neuerer Zeit werden weitere Anwendungsbereiche durch die Erkenntnisse der modernen Immunologie erschlossen, so Impfungen gegen Allergien, Autoimmunerkrankungen und Krebs.

* Buchtipp:
Kaufmann, S.H.E.:
Wächst die Seuchengefahr? Globale Epidemien und Armut: Strategien zur Seucheneindämmung in einer vernetzten Welt (Klaus Wiegand, ed.)
ISBN 978-3-596-17664-9
Fischer Taschenbuchverlag Frankfurt (2007)

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Stammzellen - Zukunftshoffnung der Immunologie

Stammzellen sind die Alleskönner des Immunsystems. Mit ihnen verbindet sich die Hoffnung, künftig Autoimmunerkrankungen, Krebs oder angeborene Gendefekte heilen zu können. Was heute schon möglich ist, wo noch Barrieren zu überwinden sind und wie sich die Forschung in diesem Gebiet gerade entwickelt, skizzierte Professor Fritz Melchers, Altmeister der Immunologie und Ehrenpräsident des 2nd European Congress of Immunology, bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Seit Jahrzehnten benutzt die experimentelle und klinische Immunologie Zelltransplantationen zu Vermehrung und Wiederherstellung des blutbildenden Systems unseres Körpers, also der roten Blutkörperchen sowie der Zellen des angeborenen und die des adaptiven Immunsystem. Eine klinisch erfolgreiche, jaehrlich mehr als 30 000 mal praktizierte Zelltherapie ist die Knochenmarkstransplantation. Sie findet insbesondere bei Krebspatienten weite Anwendung, bei denen nach Chemotherapie und Bestrahlung das tötlich geschädigte blutbildende System lebenslang wiederaufgebaut werden kann.

Auch bei schwer immundefizienten Kindern wird das defekte System durch Knochenmarkszellen eines geeigneten, gesunden Spenders repariert. Das geht deshalb, weil das Mark der Knochen in geringen Mengen sogenannte Stammzellen des blutbildenden Systems enthält. Experimentell konnte gezeigt werden, dass im Prinzip eine einzige Stammzelle das gesamte System von über 2000 Milliarden Blut- und Immunzellen wieder aufbauen kann.

Ein immer noch großes Problem bei solchen Transplantationen ist die sogenannte Gewebeunverträglichkeit, bei der das Immunsystem des Empfängers (Patienten) - auch in den defekten Zuständen, in denen es in Krebspatienten und immundefizienten Kindern manchmal noch existiert - die Zellen des Spenders, also die Stammzellen und ihre daraus entwickelten Blut- und Immunzellen abstößt und zerstört. Umgekehrt können auch die Zellen des Spenders den Patienten angreifen. In der Praxis der klinischen Transplantationen unterdrückt man diese Abstoßungsreaktionen mit chemischen Mitteln, also mit immunsuppressiv wirkenden Pharmaka, die lebenslang nach Transplantation gegeben werden müssen, und die natürlich die Abwehrkraft des wiederaufgebauten Immunsystems bei Infektionen schwächen und die Kontrolle autoimmuner, also gegen den eigenen Körper gerichteter Reaktionen des Systems beeinträchtigen.

"Wir suchen also nach gewebeverträglichen Formen von Transplantationen. Am besten wäre es, der Krebspatient bekäme seine eigenen, gesunden Stammzellen - weil er diese tolerieren und nicht abstoßen würde", so Melchers. "Da das Knochenmark von Krebspatienten mit Krebszellen "verunreinigt" ist, kommt eine 'eigene' Knochenmarkstransplantation jedoch nicht in Frage."

Bei schwer immundefizienten Kindern sind auch die Stammzellen defekt. Schon Professor Alain Fischer vom Hôpital Necker in Paris hat versucht, die defizienten Stammzellen dieser Kinder durch eine Reparatur des defekten Gens zu korrigieren, und anschließend solche Gen-therapierten Stammzellen den immundefizienten Kindern wieder zu transplantieren. Das war auch in etwa 10 Fällen erfolgreich - nur entwickelten sich in einigen dieser transplantierten Kinder Blutzelltumoren, die durch die "mutagene" Wirkung des retroviralen Gen-Vehikels entstanden. Retroviren werden als "Gen-Fähren" benutzt, die das reparierte Gen in das Genom der Stammzellen einschleusen. Die Tumoren ließen sich zwar heilen, aber die schwere Immundefizienz blieb.

Als Ursache für den mangelnden Erfolg dieser Gen-Therapie zeichnete sich ab, dass Retroviren die reparierten Gene nicht gezielt, sondern irgendwo im Genom der Stammzellen einbauen, wo sie wie Mutagene wirken und daher Krebs auslösen können. Eine intakte Form des defekten Gens sollte also kopiegenau an die richtige Stelle, d. h. an die Gedefektstelle im Genom eingebaut werden, und dabei das defekte Gen ersetzen. Eine solche sogenannte "homologe Rekombination" geht allerdings nur in einem einzigen Typ von Zellen; den embryonalen Stammzellen (ES-Zellen).

Was sind ES-Zellen? Sie entstehen einmal, 3.5 Tage nach der Befruchtung der Eizelle als 64 sogenannte Blastozysten. Es ist seit längerer Zeit möglich, diese Blastozysten als ES-Zelllinien in Gewebekultur zu vermehren, und in ihnen durch homologe Rekombination gezielt gewünschte Gene im Genom auszutauschen, also auch z. B. das defekte Gen eines immundefizienten Kindes zu reparieren, ohne dass es die Gefahr einer Krebsauslösung birgt. Leider aber sind die ES-Zellen des Kindes längst verschwunden; aus ihnen ist der gesamte Organismus entstanden.

Durch die vor zwei Jahren besonders in den Laboren von Yamanaka in Kyoto und Jaenisch in Boston entwickelten Gewebekulturmethoden wurde es erstmals möglich, solche ES-Zellen, von Yamanaka vorsichtig "induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)" genannt, auch aus differenzierten Zellen des eigenen Körpers, also z. B. aus Hautzellen, zu entwickeln. Also wird es wohl bald gelingen, aus den Hautzellen des immundefizienten Kindes iPS-Zellen zu machen und den Gendefekt des Kindes durch homologe Rekombination, also durch Ersatz des defekten mit einer funktionierenden, normalen Form des Gens zu ersetzen. Desgleichen ist damit zu rechnen, dass man aus nicht krebsbefallenen Hautzellen eines Krebspatienten "seine" individuellen gewebeverträglichen iPS-Zellen herstellen können wird. Anschließend können in Gewebekultur mit kürzlich erst entwickelten Methoden aus diesen reparierten iPS-Zellen blutbildende Stammzellen generiert werden, die dann dem Kind oder dem Krebspatienten zur Reparatur seines blutbildenden Systems transplantiert werden.

Es ist klar, dass es noch einige Jahre dauern wird, bevor dieser prinzipiell jetzt gangbare Weg der Knochenmarkstransplantation zur Reparatur von Immundefekten bei Kindern klinisch umsetzbar wird. Aber die experimentellen Vorleistungen sind bereits erbracht.

EFIS (European Federation of Immunological Societies) ist der Dachverband der nationalen immunologischen Fachgesellschaften in Europa. Zu EFIS zählen 28 nationale Fachgesellschaften in 31 europäischen Ländern mit insgesamt 13.000 Mitgliedern. Gemeinsame Plattform ist der European Congress of Immunology, der all drei Jahre stattfindet - in diesem Jahr unter dem Motto: "Immunity for Life - Immunology for Health" vom 13. bis 16. September in Berlin. Der Kongress bietet über vier Tage ein umfassendes Programm zum aktuellen Wissensstand in der Immunologie. Das Themenspektrum in den mehr als 30 Symposien und 60 Workshops reicht von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Immunologie. Im Mittelpunkt stehen die Erkenntnisse zur angeborenen und erworbenen Immunität, die verschiedenen Aspekte immunologischer Erkrankungen sowie die neuesten Möglichkeiten von Immun-Interventionen. Kongresspräsident Professor Reinhold E. Schmidt, Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover, lädt Journalisten sehr herzlich dazu ein.

Weitere Informationen unter:
www.eci-berlin2009.com

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Gefäßversorgung des Tumors modulieren: Eine neue Strategie der Krebsbekämpfung

Lebensbedrohliche Tumoren gedeihen durch das unkontrollierte Wachstum von Blutgefäßen, die gleichzeitig den Eintritt von Immunzellen in den Tumor erfolgreich abwehren. Eine Normalisierung oder Aktivierung dieser Blutgefässe, gepaart mit speziellen Immunstrategien gegen den Tumor, ist ein vielversprechender neuer Ansatz zur Krebsbehandlung, den Prof. Dr. Ruth Ganss, Western Australian Institute for Medical Research, Perth, beim 2nd European Congress of Immunology ECI 2009 in Berlin präsentiert.

Bisher konzentrierte sich das Forschungsinteresse vor allem darauf, Tumorgefäße zu zerstören. Man weiß, dass nach Zerstörung der Gefäße die Tumoren langsamer wachsen. Ganss beschreitet einen ganz neuen Weg. Ihr Ziel ist die Entwicklung einer Kombinationstherapie, bei der Immunzellen aktiviert und gleichzeitig die Tumorgefäße so verändert werden, dass die Immunzellen in den Tumor eintreten und ihn dann zerstören können.

"Unser Labor hat verschiedene Wege gefunden, um mit der so genannten Angiogenese, dem unkontrollierten Wachstum neuer Blutgefäße im Tumor, interferieren zu können", sagt Ganss. Die Wissenschaftler haben beispielsweise ein Master-Gen beschrieben, das in den Blutgefäßen innerhalb eines Tumors eine zentrale Rolle spielt. Durch Entfernung dieses Gens bei Mäusen war es möglich, den Prozess der Angiogenese umzukehren, so dass die Tumorgefäße anschließend normal erschienen. "Das Besondere dabei war, dass diese Normalisierung das Tumormilieu in einer Weise verändert, die den Eintritt von Immunzellen wieder ermöglicht", betont Ganss. In Versuchen an Mäusen resultierte dies in einer Tumorzerstörung und dramatisch verbesserten Überlebensraten der Tiere.

Darüber hinaus machten sich die Wissenschaftler besondere Charakteristika der abnormen Tumorgefäße zunutze, um gezielt Entzündungsfaktoren in den Tumor einzuschleusen. Diese Faktoren verändern und aktivieren die Tumorgefäße in einer Weise, dass Immunzellen die vorhandenen Barrieren durchbrechen und in den Tumor hineingelangen, um dort ihr zerstörerisches Werk wirksam verrichten zu können.

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Immunantwort entscheidend für Prognose bei Darmkrebs

Der Krankheitsverlauf bei Patienten mit Darmkrebs wird maßgeblich von der lokalen Aktivität der Körperabwehr im Tumor und in seiner unmittelbaren Umgebung bestimmt. Dies gilt unabhängig von der lokalen Ausbreitung und Metastasierung, wie Dr. Jérôme Galon, INSERM Forschungsdirektor, Paris, und sein Team herausgefunden haben. Die Analyse der lokalen Immunantwort sollte daher unbedingt in den Prozess des Stagings und der Therapieentscheidung einbezogen werden, betont Galon beim 2nd European Congress of Immunology ECI 2009.

Tumoren des Dickdarms und Enddarms gehören mit etwa einer Million Neuerkrankungen pro Jahr weltweit zu den häufigsten Krebserkrankungen. Die Prognose ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 55 % unbefriedigend. Bei lokal begrenzten Tumoren ohne Metastasen ist die chirurgische Entfernung zwar prinzipiell in der Lage, eine Heilung herbeizuführen. Eine zusätzliche Chemotherapie erhalten nur Patienten, die bereits Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasen aufweisen. Doch auch von den Patienten mit lokal begrenztem Tumor (UICC-Stadium I/II) erleiden viele einen Rückfall oder sterben an ihrer Erkrankung. "Daher brauchen wir dringend neue Instrumente, mit denen wir Patienten mit hohem Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung identifizieren können", betont Galon.

Bisher wird die Prognose der Patienten - und damit die Entscheidung über die Aggressivität der Therapie - am Tumorstadium festgemacht. Dieses "Staging" orientiert sich vor allem an der lokalen Ausbreitung des Tumors und am Ausmaß der Fernmetastasierung. Galon und Mitarbeiter konnten zeigen, dass die detaillierte Analyse der lokalen Immunantwort ein viel besserer Prädiktor wäre, der auch bei kleinen Tumoren die besonders gefährdeten Patienten zuverlässig identifiziert.

In seinen Arbeiten hat Galon die Infiltration der Lymphozyten, der wichtigsten Zellen der Körperabwehr, in den Tumor und seine Ränder bei 415 Patienten mit Darmkrebs quantitativ und qualitativ evaluiert. Er wertete Art, Dichte und Verteilung der Immunzellen aus, bestimmte spezielle Immunparameter und ermittelte typische Genexpressionsmuster, die mit der Tumorentwicklung einhergehen. Die so gewonnenen Daten wurden dann nochmals an zwei unterschiedlichen Patientenkohorten mit 60 bzw. 119 Patienten in geblindeter Weise nachgeprüft und bestätigt.

Die statistischen Auswertungen belegen den starken Einfluss der Immunabwehr auf den klinischen Verlauf in allen Stadien der Erkrankung. Eine hohe Dichte von Immunzellen im Tumor als Ausdruck einer starken Immunreaktion korrelierte mit einer günstigen Prognose, und zwar unabhängig von der Größe des Primärtumors und der Tumorausbreitung. Umgekehrt war eine schwache Immunantwort das Zeichen einer schlechten Prognose, auch bei Patienten im Frühstadium. "Dieser Zusammenhang wurde noch nie für einen menschlichen Tumor gezeigt", erklärt Galon. Als Konsequenz sollte die bisherige Klassifikation der kolorektalen Tumoren als Grundlage für die Prognosebestimmung überdacht werden. Verändern wird sich insbesondere die Identifikation von Hochrisikopatienten, die eventuell von einer adjuvanten Chemo- oder Immuntherapie profitieren.

Galons jüngste Daten von 602 Patienten der Stadien I und II aus zwei unterschiedlichen Kohorten belegen darüber hinaus die Schlüsselrolle von zwei T-Lymphozyten-Subgruppen - den zytotoxischen CD8-T-Zellen und den Gedächtnis-T-Zellen. Offenbar kontrollieren die Gedächtniszellen die frühen Schritte der Metastasierung. Von ihnen hängt es ab, ob sich der Tumor entlang der Blut-, Lymph- und Nervenbahnen weiter im Körper ausbreiten kann oder nicht. Die Funktion dieser Immunzellen bestimmt maßgeblich das Rezidivrisiko und das Überleben der Patienten, auch bei sehr kleinen Tumoren. Galon und Kollegen habe bereits einen einfachen "Immunscore" entwickelt, der möglicherweise für die klinische Praxis der Identifikation von Hochrisikopatienten von großem klinischem Nutzen sein wird.

EFIS (European Federation of Immunological Societies) ist der Dachverband der nationalen immunologischen Fachgesellschaften in Europa. Zu EFIS zählen 28 nationale Fachgesellschaften in 31 europäischen Ländern mit insgesamt 13.000 Mitgliedern. Gemeinsame Plattform ist der European Congress of Immunology, der all drei Jahre stattfindet - in diesem Jahr unter dem Motto: "Immunity for Life - Immunology for Health" vom 13. bis 16. September in Berlin. Der Kongress bietet über vier Tage ein umfassendes Programm zum aktuellen Wissensstand in der Immunologie. Das Themenspektrum in den mehr als 30 Symposien und 60 Workshops reicht von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Immunologie. Im Mittelpunkt stehen die Erkenntnisse zur angeborenen und erworbenen Immunität, die verschiedenen Aspekte immunologischer Erkrankungen sowie die neuesten Möglichkeiten von Immun-Interventionen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.eci-berlin2009.com

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1331

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Immunologie
Dr. Julia Rautenstrauch, 09.09.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2009

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