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INTERNATIONAL/015: Millionen warten noch immer auf medizinischen Durchbruch bei vernachlässigten Krankheiten (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 13. Dezember 2012

Millionen Patienten warten noch immer auf medizinischen Durchbruch bei vernachlässigten Krankheiten

Analyse der Forschungs-Pipeline vorgestellt



Berlin/New York City, 13. Dezember 2012. Trotz wichtiger Fortschritte der Forschung und Entwicklung (F&E) im Bereich der globalen Gesundheit sind in den Jahren 2000 bis 2011 nur wenige neue Medikamente für vernachlässigte Krankheiten entwickelt worden. Eine neue Analyse von Ärzte ohne Grenzen und der Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi) belegt dieses Ungleichgewicht zwischen Krankheitslast und Medikamentenentwicklung. Die Analyse wird heute auf der Konferenz "Lives in the Balance: Delivering Medical Innovations for Neglected Patients and Populations" in New York City (USA) vorgestellt.

Zu den Ergebnissen zählt: 3,8 Prozent der zwischen 2000 und 2011 neu zugelassenen Medikamente eignen sich für tropische Krankheiten, Tuberkulose und andere vernachlässigte Infektionskrankheiten. Auf diese Krankheiten entfallen jedoch 10,5 Prozent der globalen Krankheitslast. Die meisten Fortschritte für Patienten wurden durch neue Darreichungsformen von Wirkstoffen und eine Umnutzung von bestehenden Medikamenten für die Behandlung von vernachlässigten Krankheiten erzielt. Jedoch sind nur 4 der 336 auf tatsächlich neuen Wirkstoffen beruhenden Medikamente, die zwischen 2000 und 2011 entwickelt wurden, für die Behandlung von vernachlässigten Krankheiten gedacht.

"Die Menschen sterben immer noch an diesen uralten Krankheiten", sagt Dr. Unni Karunakara, Internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. "Ärzte und Pfleger sind gezwungen, Medikamente zu verwenden, die Jahrzehnte alt sind und oft brutale Konsequenzen für den Menschen haben. Derzeit müssen Patienten mit medikamentenresistenter Tuberkulose eine drastische zweijährige Behandlung überstehen. Sie verursacht Übelkeit, Schmerzen, Depressionen, Hörverlust und sogar Psychosen - und das sind nur einige der Nebenwirkungen."

Einige Einzelerfolge sind der zunehmenden Zahl von F&E-Akteuren im vergangenen Jahrzehnt zuzuschreiben. Zum Beispiel zeichnen Produktentwicklungspartnerschaften für mehr als 40 Prozent der zwischen 2000 und 2011 zugelassenen Produkte für vernachlässigte Krankheiten verantwortlich. Auch die deutsche Bundesregierung beteiligt sich seit 2011 an der Finanzierung solcher Non-Profit-Forschungsnetzwerke. Aus Sicht von Ärzte ohne Grenzen jedoch mit einem viel zu niedrigen Betrag.

"Produktentwicklungspartnerschaften und ad-hoc F&E-Initiativen sind nicht die Lösung gegen den systematischen Mangel an Innovationen", warnt Dr. Bernard Pécoul, Geschäftsführer von DNDi. "Regierungen müssen ein politisches Rahmenwerk für F&E schaffen, um medizinische Innovationen nachhaltig zu koordinieren, finanzieren und zu stimulieren." Erst kürzlich haben Mitgliedsstaaten einen von der WHO geführten Prozess für ein neues politisches Rahmenwerk verzögert. Seit zehn Jahren wird daran gearbeitet. Das Rahmenwerk soll dabei helfen, Prioritäten zu setzen, und die Koordination sowie die Finanzierung für F&E zu stärken. Das heutige System für medizinische F&E ist fehlerhaft, da es hauptsächlich von kommerziellen Gewinnmöglichkeiten und nicht von den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen getrieben wird.

Mehr Informationen und Link zum Webcast der Konferenz (Beginn 15h CET):
http://ow.ly/g3Yum

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Pressemitteilung vom 13.12.2012
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Telefon: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2012