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ARTIKEL/1356: European Health Forum Gastein (1) (idw)


European Health Forum Gastein
Creating a better future for health in Europe
Pressemitteilungen vom 1. Oktober 2014

17. European Health Forum Gastein vom 1. bis 3. Oktober 2014

→ MEP Peterle: Gesundheitssysteme brauchen Trendwende zur Prävention
→ Experten fordern gesundheitspolitische Maßnahmen gegen Hörverlust
→ Vermeidbare Blindheit ist milliardenschwere Belastung für Europas Volkswirtschaften


MEP Peterle: Gesundheitssysteme brauchen Trendwende zur Prävention

Gesundheitssysteme müssen vom kostspieligen ineffektiven Ansatz abkommen, sich mit großem Aufwand vor allem um späte Erkrankungs-Phasen zu kümmern, und sich stattdessen mehr auf ergebnisorientierte, kosteneffektive Präventionsmaßnahmen und frühe Interventionsstrategien konzentrieren, sagte der Slowenische Europa-Parlamentarier Alojz Peterle beim European Health Forum Gastein. Hier sei eine klare Trendwende erforderlich, denn Gesundheitsförderung und Prävention seien Schlüsselfaktoren für die langfristige Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme.

Bad Hofgastein, 1. Oktober 2014 - "Mit den letzten Europawahlen haben die europäischen Institutionen eine klare Botschaft erhalten: Die EU muss die Belange und Erwartungen der Bürger/-innen stärker ansprechen", sagte Dr. Alojz Peterle, Mitglied des Europaparlaments (MEP, Slowenien) heute bei der Eröffnung des 17. European Health Forum Gastein (EHFG). "Wir brauchen eine starke Führung und eine mutige Zukunftsvision, um europäische Bürger/-innen stärker in die Entscheidungsprozesse der EU einzubinden, und um die europäische Politik wieder mit der Bevölkerung zusammenzubringen."

Dieser Ansatz sei, so Dr. Peterle, im Gesundheitsbereich von besonderer Bedeutung. "Die Gesundheit ist einer der wichtigsten Werte im Leben der Menschen und ein essentieller Bestandteil des wirtschaftlichen und sozialen Erfolgs", sagte er. "Besorgniserregende Gesundheitstrends, vor allem die ansteigenden Raten von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Adipositas bedeuten, dass dieser Wert trotz aller therapeutischen Fortschritte zunehmend bedroht ist. Zusätzlich haben Sparmaßnahmen wie Leistungskürzungen im Sozial- und Arbeitslosenbereich ihren Tribut gefordert: von Menschen, ihrer Gesundheit und ihrem Vertrauen in politische Vorgänge."

Gesundheitssysteme müssen von ihren derzeitigen kostspieligen, ineffizienten und späten Reaktionen auf Krankheiten abkommen und sich stattdessen mehr auf ergebnisbasierte, kosteneffektive Präventionsmaßnahmen und frühzeitige Interventionsstrategien konzentrieren, betonte Dr. Peterle, Präsident der "MEPs Against Cancer"-Gruppe (MAC) und Co-Chair der Arbeitsgruppe für Gesundheit des Europäischen Parlaments. "Angesichts einer rasch alternden Bevölkerung und der steigenden Inzidenz von Lebensstil-Erkrankungen wie Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten haben Verhaltensinterventionen eine hohe Priorität für Gesundheitssysteme."

Gesundheitsförderung und Prävention seien Schlüsselfaktoren für die langfristige Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme und auch der richtige Weg hin zu einer gesünderen Gesellschaft, betonte Dr. Peterle. "Gesundheitsförderung sollte positiv verstanden werden, als Möglichkeit, den Anstieg von Erkrankungszahlen zu verringern. Auf lange Sicht gesehen ist die Prävention die kosteneffektivste Maßnahme zur Verbesserung der Gesundheit in Europa."

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Experten fordern gesundheitspolitische Maßnahmen gegen Hörverlust

Hörbeeinträchtigungen werden mittlerweile sogar mit Demenz in Zusammenhang gebracht und betreffen Millionen älterer Menschen in Europa, betonten Experten auf dem European Health Forum Gastein. Eine neue Studie zeigt erstmals, dass Hörhilfen den kognitiven Abbau verlangsamen können

Bad Hofgastein, 1. Oktober 2014 - Hörverlust, ein Problem dass allein in Frankreich 10 Millionen ältere Menschen betrifft, "kann verhindert, diagnostiziert und kompensiert werden", betonte Dr. Pierre Anhoury, Vorstand der französischen Organisation "Agir Pour l'Audition" (Handeln für das Hören), auf dem European Health Forum Gastein (EHFG). Er plädierte für neue ökonomische Lösungen, um die Versorgung älterer Menschen mit Hörgeräten sicherzustellen, und stellte einen 10-Punkte-Plan vor, mit dem das Problem angegangen werden soll: "Es ist höchste Zeit, dass auf EU-Ebene reagiert wird."

Dass zwischen Hörverlust und kognitivem Abbau ein Zusammenhang besteht, wurde unter anderem in einer 2011 publizierten Untersuchung1 nachgewiesen. Eine neue französische Studie, deren Veröffentlichung für 2015 geplant ist, soll nicht nur die Korrelation zwischen Hörverlust und Demenz bestätigen, sondern erstmals auch Hinweise darauf geben, dass Hörgeräte den kognitiven Abbau bremsen. "Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Maßnahmen gegen die Unterdiagnose und Unterversorgung des Hörverlusts, vor allem bei älteren Menschen", sagte Dr. Anhoury.

Während die wissenschaftlichen Grundlagen des Zusammenhangs zwischen Hörverlust und Demenz noch nicht vollständig geklärt sind, geht man derzeit davon aus, dass bei zunehmender Taubheit mehr kognitive Ressourcen der auditiven Verarbeitung gewidmet werden, womit weniger Ressourcen für andere Vorgänge wie das Arbeitsgedächtnis verfügbar sind 2.

Hörverlust betrifft auch Junge

Dr. Anhoury betonte, dass das Risiko sozialer Isolation und anderer Probleme aufgrund eines Hörverlusts - der zunehmend auch jüngere Leute betrifft - unbestritten seien. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts IPSOS im Jahr 2012 unter jungen Menschen in Frankreich zeigte, dass 52 Prozent länger als eine Stunde täglich Musik über Kopfhörer hören, 43 Prozent mit ihren Kopfhörern einschlafen und 84 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln die Lautstärke erhöhen. "Hörverlust betrifft nicht nur die Ohren, sondern auch das Gehirn", so Dr. Anhoury.

Notwendig seien das Erheben epidemiologischer Daten, Maßnahmen zur Früherkennung von Hörverlust in allen Altersklassen und die Identifizierung der Probleme, die durch Hörverlust entstehen. Gefragt seien neue Lösungen zur Finanzierung rehabilitativer Hörtechnologien, sagte der Experte. Der 10-Punkte-Plan seiner Organisation fordert EU-weite Maßnahmen, unter anderem eine Kampagnen zur Aufklärung junger Menschen über Hörschäden, Früherkennung vor allem bei Über-60Jährigen, frühere und bessere Rehabilitation, Implementierung der EU Qualitätsnorm EN 15927 für Dienstleistungen in der Hörakustik in allen EU-Ländern, die Verbreitung evidenzbasierter Leitlinien, Industriepartnerschaften für leistbare Hörgeräte, neue Modelle, um mehr Menschen den Zugang zu Hörhilfen zu ermöglichen, etwa durch Preiskontrollen, und angemessene finanzielle Unterstützung.

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Vermeidbare Blindheit ist milliardenschwere Belastung für Europas Volkswirtschaften

50 Prozent der Erblindungen in Europa wären vermeidbar, berichteten Experten auf dem European Health Forum Gastein. Eine neue Studie zeigt, dass Augenerkrankungen nicht nur die Lebensqualität Betroffener beeinträchtigen, sondern auch eine milliardenschwere Belastung für die europäischen Volkswirtschaften darstellen.

Bad Hofgastein, 1. Oktober 2014 - Augenkrankheiten beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sie stellen auch eine milliardenschwere Belastung für die europäischen Volkswirtschaften dar. Das zeigt eine neue Studie, die vom European Forum Against Blindness (EFAB) in Auftrag gegeben und deren Ergebnisse auf dem European Health Forum Gastein (EHFG) präsentiert wurden. "Blindheit führt alleine in den von uns untersuchten Ländern zu einer jährlichen ökonomischen Belastung von mehr als sieben Milliarden Euro. Dabei wären laut WHO europaweit 50 Prozent und weltweit sogar 80 Prozent aller Erblindungen vermeidbar", betonte Glendon Harris vom European Forum Against Blindness und der AMD Alliance.

Die von Deloitte Access Economics durchgeführte Studie nahm die durch Blindheit verursachten gesamtökonomischen Kosten in sieben europäischen Staaten Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, der Slowakei, Spanien und Großbritannien ins Visier. "Die enorme gesamtgesellschaftliche und ökonomische Belastung durch Augenkrankheiten und Blindheit könnte durch die gezielte Förderung von Screening-Programmen sowie eine Ausweitung präventiver, frühdiagnostischer und therapeutischer Angebote erheblich reduziert werden. Maßnahmen wie der Ausbau systematischer Testverfahren, die Behandlungen von Katarakten, diabetischer Retinopathie oder Glaukomen sowie der Einsatz der Anti-VEGF-Therapie bei feuchter altersabhängiger Makula-Degeneration (AMD) können nicht nur das Erblindungsrisiko für Betroffene minimieren, sondern auch die gesamtgesellschaftliche Last und deren Produktivitätseinbußen dämpfen", so Harris.

Hohe Kosten durch informelle Pflege

Angesichts des hohen Anteils vermeidbarer Augenkrankheiten und deren massiver Auswirkungen müsse das europäische Gesundheitswesen dem Kampf gegen Blindheit eine hohe Priorität einräumen, forderte Harris. Rund 56 Prozent der gesundheitsökonomischen Belastungen durch Blindheit entfallen auf informelle Pflegeleistungen, ein Viertel auf Produktivitätsverluste. Die direkten Kosten für das Gesundheitssystem infolge des Behandlungsaufwandes einschließlich Krankenhausaufenthalte, Praxis- und Medikamentenleistungen umfassen knapp ein Fünftel der Gesamtbelastung. Der Studie zufolge beträgt die ökonomische Belastung pro erblindete Person annähernd 10.000 Euro.

120 Millionen verlorene Arbeitstage pro Jahr

"Die demografische Entwicklung mit einer zunehmenden Alterung der europäischen Gesellschaften wird die Zahl der von Augenkrankheiten und Sehverlust betroffenen Menschen deutlich ansteigen lassen. Investitionen in Präventions- und Screening-Programme, in frühdiagnostische Angebote und neue Behandlungsmethoden für Netzhaut-Erkrankungen sind unerlässlich, nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die Produktivität der Bevölkerung", betonte Harris. Wie aus der von EFAB beauftragten Studie hervorgeht, führen Augenkrankheiten alleine in den sieben untersuchten Ländern zu einem Ausfall von mehr als 120 Millionen Arbeitstagen pro Jahr.

Rasanter Anstieg von Augenkrankheiten

Weltweit leiden rund 314 Millionen Menschen an Beeinträchtigungen des Sehvermögens, davon sind 45 Millionen erblindet. Knapp 48 Prozent aller weltweiten Sehbehinderungen gehen auf den "Grauen Star" bzw. Katarakt zurück, von dem alleine in Deutschland, Frankreich, Italien, der Slowakei, Spanien und Großbritannien mehr als 26 Millionen Menschen betroffen sind. Rund 3,8 Millionen Menschen sind in den genannten Ländern am "Grünen Star" (Glaukom) erkrankt, 2,8 Millionen an feuchter altersbedingter Makula-Degeneration und rund 1,8 Millionen leiden an diabetischer Retinopathie.

Die WHO geht davon aus, dass sich die weltweite Prävalenz von Augenkrankheiten bis zum Jahr 2020 verdoppeln wird - die Initiative "Vision 2020: The Right to Sight" soll dieser Entwicklung mit der Aufforderung gegensteuern, der Augengesundheit in nationalen Gesundheitssystemen mehr Gewicht einzuräumen. "Die in unserer Studie aufgezeigten sozioökonomischen Implikationen von Augenkrankheiten verdeutlichen, dass es sich Europa nicht leisten kann, Investitionen in innovative und effektive Programme für die Augengesundheit zu vernachlässigen", so Harris.

Raute

"Electing Health - The Europe We Want" ist das Motto des diesjährigen EHFG. Rund 600 Teilnehmer/-innen aus mehr als 50 Ländern nutzen Europas wichtigste gesundheitspolitische Konferenz in Bad Hofgastein zum Meinungsaustausch über zentrale Fragen europäischer Gesundheitssysteme. Die zukünftige Richtung der europäischen Gesundheitspolitik ist das Schwerpunktthema des Kongresses.

EHFG Press Office
Dr. Birgit Kofler
B&K Kommunikationsberatung GmbH
Email: press@ehfg.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1762

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
European Health Forum Gastein, Dr. Birgit Kofler, 01.10.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2014

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