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ARTIKEL/1475: Unterstützung und Entlastung des Arztes durch einen Physician Assistant (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2018

Physician Assistant
"Wir beide machen das"

von Dirk Schnack


Das WKK Heide setzt auf Physician Assistants und findet Unterstützung bei Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg. Gut besuchtes Symposium.


Der Physician Assistant (PA) allein wird die Personalprobleme im deutschen Gesundheitswesen nicht beheben können - hierüber waren sich die Teilnehmer eines Symposiums im Bildungszentrum des Westküstenklinikums (WKK) Heide weitgehend einig. Besteht also keine Notwendigkeit, sich näher mit diesem in anderen Ländern längst etablierten Berufsbild auch in Deutschland zu beschäftigen? Wäre ein PA in deutschen Krankenhäusern bestenfalls "nice to have", wie es der Ärztliche Direktor aus dem Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, PD Dr. Ivo Heer, ausdrückte?

Heer vertrat keine Einzelmeinung. Sein Pendant aus dem Städtischen Krankenhaus Kiel, Dr. Andreas Hückstädt, blieb ebenso skeptisch wie eine Reihe anderer Ärzte und Pflegekräfte. Dass auch aufseiten der Pflege noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist, zeigte die Skepsis von Angela Seismann-Petersen aus der Sektion Pflege an der Uni Lübeck. Grundtenor der Skeptiker: Ein neues Berufsbild schafft noch keine neuen Mitarbeiter. Sinnvoller sei es, die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen attraktiver zu gestalten.

Es gab aber auch jede Menge Befürworter unter den rund 100 Teilnehmern des Symposiums. Dr. Henrik Herrmann, Chefarzt aus dem WKK Brunsbüttel und Vize-Präsident der Ärztekammer, ging auf die Bedenken aus der Ärzteschaft ein und erinnerte daran, dass der PA ein reiner Delegationsberuf ist, dessen Einsatz von Ärzten mitbestimmt wird. Dies bestätigte auch Martina Dichting, die im WKK Heide gerade ihre praktische Ausbildung zur PA erhält: "Alle Aufgaben werden immer in Rücksprache mit einem Arzt übernommen." Herrmann warb für Aufgeschlossenheit unter seinen Kollegen für den vergleichsweise jungen Beruf in Deutschland, weil er überzeugt ist, dass dieser Ärzte in ihrer täglichen Arbeit entlasten kann.

Auch Dr. Urs Nissen, Ärztlicher Direktor aus dem WKK Heide, machte mit seiner Pro-PA-Haltung deutlich, dass sich die unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Thema quer durch den 6 K-Verbund ziehen. Diese Meinungsvielfalt findet sich auch im Kieler Gesundheitsministerium, wie Minister Dr. Heiner Garg verriet. Er selbst zeigte sich aufgeschlossen für das Thema und bereit, das neue Berufsbild zu befördern. Er machte aber auch kein Geheimnis daraus, dass diese Haltung in seiner Fachabteilung nicht von jedem Mitarbeiter geteilt wird. Nachdem WKK-Geschäftsführerin Dr. Anke Lasserre ihr Ziel eines eigenen Studiengangs für PA an der schleswig-holsteinischen Westküste skizziert hatte, um Ärzte entlasten und weiterbildungswilligen Kräften an der Westküste eine Perspektive bieten zu können, sagte Garg spontan: "Wir beide machen das."

Ob dies am Ende auch durchsetzbar sein wird, ist offen - zu unterschiedlich sind derzeit noch die Haltungen. Zum Status quo: Bislang gibt es erst wenige 100 PAs in ganz Deutschland und eine einstellige Zahl von Standorten, die diese ausbilden. Eine der am besten etablierten Adressen hierfür ist die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Seit 2010 werden dort PA ausgebildet, pro Jahr stehen 30 Studienplätze zur Verfügung. Studiendekan in Karlsruhe ist Prof. Marcus Hoffmann, der in Heide von seiner neuesten Umfrage unter PA-Absolventen berichtete. Seine Ergebnisse zeigen u. a., dass die PA in ihrem beruflichen Alltag positive Erfahrungen sammeln und auf Akzeptanz bei Ärzten, Pflegekräften und Patienten stoßen. "Durch das Studium zum Physician Assistant können Kliniken hochqualifizierte Mitarbeiter halten und neue gewinnen und die Absolventen selber sind beruflich insgesamt zufriedener als zuvor", sagte Mediziner Hoffmann. Die anfangs geringen Zahlen an PA-Studenten sind in Karlsruhe zuletzt deutlich angestiegen.

Hoffmann verwies in seinem Vortrag u. a. auf den Wissenschaftsrat, der gemahnt hatte: "Erforderlich ist ... eine den veränderten Anforderungen angepasste Qualifikation ... der Gesundheitsberufe sowie eine ... kooperativ organisierte Gesundheitsversorgung." Der Wissenschaftsrat hatte aber auch zu bedenken gegeben, dass die Aufteilung von Aufgaben und Verantwortungen im Gesundheitswesen derzeit noch von Rechtsunsicherheiten geprägt ist. Hoffmann stellte in Heide die Chancen des Einsatzes von PA in den Vordergrund. Hierzu gehören nach seiner Auffassung:

  • Unterstützung und Entlastung des Arztes und weiterer Berufsgruppen.
  • Verhinderung weiterer Zersplitterung und stattdessen eine verbesserte Kooperation der Gesundheitsberufe.
  • Entwicklungsmöglichkeiten für Angehörige der Gesundheitsberufe.
  • Nachhaltige Patientenversorgung.

Nach den Ergebnissen der Evaluation ist das PA-Studium offenbar in hohem Maße praxisorientiert und sind theoretische und praktische Teile gut miteinander verzahnt. Die Akzeptanz im beruflichen Alltag, dies zeigt die Evaluation ebenfalls, ist hoch. Am stärksten ist sie nach Einschätzung der Absolventen bei den Patienten, am geringsten beim nicht-ärztlichen OP-Personal ausgeprägt. Nach den Patienten ist die Akzeptanz unter Chef- und Oberärzten übrigens am höchsten - glauben die PA. Befragt man die Partner, fällt die Akzeptanz immer noch gut, aber nicht ganz so stark aus. Unter dem Strich ist die Gesamtzufriedenheit der Physician Assistants mit ihrer beruflichen Situation hoch, ganz anders, als dies nach eigener Einschätzung einiger Ärzte auf dem Symposium bei den Medizinern der Fall ist.

Von positiven Erfahrungen mit PA berichteten in Heide auch Chefärztin Dr. Angela Grote-Reith und ihre PA Steffi Kösters-Stroers aus dem Klinikum Rheine. Als wichtigsten Pluspunkt nannten sie die Entlastung der Ärzte durch PA; insgesamt vier arbeiten in Grote-Reiths Klinik für Geriatrie und Palliativmedizin. "Ich kann mich durch die PA viel stärker auf meine ärztliche Tätigkeit konzentrieren", sagte Grote-Reith. Kösters-Stroers übernimmt etwa Vorgespräche zur Patientenaufklärung, erhebt die Krankengeschichte und dokumentiert. Ein weiterer nach Erfahrungen Grote-Reiths wichtiger Punkt für die Krankenhäuser und ihre Patienten: Die PAs sind dauerhaft auf der Station und damit verlässliche Ansprechpartner, anders als Assistenzärzte, die zwischen den Abteilungen rotieren. Grote-Reith berichtete aber auch, wie schwer es war, im Management für die Einstellung von PA zu werben und davon zu überzeugen, dass die Schaffung von PA-Stellen nicht zu weniger Arztstellen führen darf.


PA

Der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg hat im vergangenen Jahr das Delegationsmodell Physician Assistant gebilligt. Bekannt ist das Berufsbild u. a. aus den USA, den Niederlanden und Großbritannien. Der PA bekommt vom Arzt Aufgaben übertragen und sorgt damit für dessen Entlastung. Beobachter gehen davon aus, dass sich die Zahl an Ausbildungsstandorten zum PA in den kommenden fahren deutlich erhöhen könnte. Auch Heide zeigt Interesse daran, solche "Arztassistenten" vor Ort auszubilden.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201804/h18044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, April 2018, Seite 10
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2018

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