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ARTIKEL/1463: Ärztlicher Bereitschaftsdienst - Krankheiten kennen keine Sprechzeiten (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2017

Ärztlicher Bereitschaftsdienst
Krankheiten kennen keine Sprechzeiten

von Sophia Mach


Die KVSH will die Bekanntheit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes für akute, nicht lebensbedrohliche Beschwerden außerhalb der Sprechzeiten von Arztpraxen erhöhen.


Viele Patienten gehen außerhalb der Öffnungszeiten von Arztpraxen direkt in die Notfallambulanz eines Krankenhauses, weil ihnen der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 nicht bekannt ist. Bei akuten, nicht lebensbedrohlichen Beschwerden ist jedoch der Bereitschaftsdienst und nicht die Notaufnahme eines Krankenhauses die richtige Anlaufstelle. Das Problem: Circa 70 Prozent der Bevölkerung kennen die bundesweit geltende Rufnummer nicht, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Studie herausfand.

Nicht zuletzt um die Notaufnahmen zu entlasten, will die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) dies jetzt ändern. Sie schnürte deshalb ein Informationspaket, um ihren ärztlichen Bereitschaftsdienst bekannter zu machen. Dazu gehören Plakate fürs Wartezimmer in Arztpraxen und ein Radiospot, der vom 9. bis 15. Oktober auf verschiedenen Radiosendern in Schleswig-Holstein lief. Außerdem lud die KVSH Medienvertreter zum "Tag des ärztlichen Bereitschaftsdienstes" ein und öffnete hierfür die Anlaufpraxen am Westküstenklinikum Heide, am Städtischen Krankenhaus in Kiel, am Regio Klinikum Elsmhorn und am UKSH in Lübeck sowie die Leitstelle in Bad Segeberg. "In allen Praxen haben sich Medienvertreter informiert", freut sich Marco Dethlefsen, Pressesprecher der KVSH.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist vor allem nachts und am Wochenende Anlaufstation für Patienten mit akuten Beschwerden wie beispielsweise starken Bauchschmerzen oder unerwartet hohem Fieber. Kompetentes medizinisches Personal steht montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 8 Uhr, freitags von 13 bis 8 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags ganztägig unter der Rufnummer 116 117 zur Verfügung. Die Telefonnummer gilt bundesweit, funktioniert ohne Vorwahl und kann aus dem Mobil- und Festnetz kostenfrei gewählt werden.

In Schleswig-Holstein kommen Anrufe über die 116 117 in der Leitstelle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Bad Segeberg an. Rund 60 Mitarbeiter sind hier tätig, darunter viele Minijobber. Es sind vor allem Medizinische Fachangestellte, die die Anrufe entgegennehmen. So auch Bianca Thude, Schichtleiterin in der Leitstelle in Bad Segeberg. Sie hat bereits in einer allgemeinmedizinischen Praxis, in einer Pflegeeinrichtung und einem Behindertenpflegeheim in der Nähe von Kiel gearbeitet und ist seit 20 Jahren beim ärztlichen Bereitschaftsdienst tätig, seit einigen Jahren hauptberuflich.

Das Einschätzen von Dringlichkeit und Handlungsbedarf bei den anrufenden Patienten ist für sie Routine geworden. An die 1.000 Anrufe kommen an einem normalen Samstag hier in Bad Segeberg in der Leitstelle an. "Das geht dann im Minutentakt. Wir bekommen alles Mögliche an Anfragen. Von Husten, Schnupfen bis hin zum Infarkt ist alles dabei", berichtet die ausgebildete Krankenschwester. "Manchmal möchten Patienten auch nur wissen, welche Apotheke noch Dienst hat. Dann helfen wir selbstverständlich auch gerne weiter." Andere Anrufer wiederum seien psychisch angeschlagen und bräuchten Beistand und Zuspruch, zum Beispiel, wenn sie nachts alleine sind, berichtet Disponentin Christl Huß.

Unabhängig vom Grund des Anrufes nimmt das medizinische Fachpersonal die Beschwerden auf und entscheidet dann, ob der Patient eine der 43 Anlaufpraxen in Schleswig-Holstein aufsuchen sollte, ob ein Arzt zu ihm nach Hause fährt (der sogenannte "Fahnendienst"), ob gar der Rettungsdienst oder die Polizei verständigt werden müssen oder ob am besten der "Arzt im Hintergrund" weiterhelfen kann.

Arzt im Hintergrund ist zum Beispiel Dr. Torsten Bartels, der das Team in der Leitstelle in Bad Segeberg ein bis zwei Mal im Monat mit ärztlichem Fachwissen unterstützt. Der Allgemeinmediziner mit Praxis in Groß Grönau war bereits im Studium in Lübeck beim Bereitschaftsdienst tätig.

In vielen Fällen werden die Patienten in eine Anlaufpraxis geschickt. In Schleswig-Holstein gibt es 31 allgemeinmedizinische und zwölf kinderärztliche Anlaufpraxen, die sich an Krankenhäusern befinden. Sie können auch ohne Voranmeldung aufgesucht werden. Darüber hinaus gibt es augenärztliche und HNO-Bereitschaftsdienste, die in den Praxen diensthabender Ärzte stattfinden, und zwar mittwochs und freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 10 bis 12 Uhr.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst erfüllt eine wichtige Filterfunktion bei der Lenkung der Patientenströme in die richtige Richtung, zumindest außerhalb der Sprechzeiten der Arztpraxen. Dennoch geschieht es immer öfter, dass in Notfallambulanzen Schlaganfall-Patienten konkurrieren müssen mit an Husten, Schnupfen oder einem steifen Nacken Erkrankten. In die Notaufnahme eines Krankenhauses gehören jedoch nur echte Notfälle.

Dieses Problem hat die Ärztekammer Schleswig-Holstein u. a. in der Kammerversammlung am 20. September 2017 thematisiert. Die Kammer strebt wie berichtet eine Änderung des Berufsordnungsparagrafen zur Fernbehandlung an. Die Bundesärztekammer prüft aktuell den eingereichten Änderungsvorschlag, der die Fernbehandlung per Telefon oder anderen zeitgemäßen Kommunikationsmitteln auch während der Sprechzeiten ermöglichen soll. Sollte sich auf Bundesebene keine ausreichende Mehrheit zur sinnvollen Änderung der Berufsordnung finden, bleibt der Ärztekammer Schleswig-Holstein noch die Möglichkeit, in hoheitlicher Zuständigkeit ihre eigene Berufsordnung zu ändern.


ZAHLEN, DATEN, FAKTEN ZUM ÄRZTLICHEN BEREITSCHAFTSDIENST

Starke Bauchschmerzen oder unerwartet hohes Fieber-Patienten mit akuten Beschwerden gehen in der Regel zu ihrem Hausarzt. Was aber, wenn die Praxis geschlossen ist? Außerhalb der normalen Sprechzeiten können Patienten den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVSH nutzen. Er ist unter der kostenlosen Rufnummer 116 117 zu erreichen, auch nachts, an Wochenenden und an Feiertagen.

270.000 Patienten werden jedes Jahr im ärztlichen Bereitschaftsdienst in Schleswig-Holstein behandelt.

245.000 Anrufe über die 116 117 nimmt die Leitstelle der KVSH in Bad Segeberg jedes Jahr entgegen. Kompetentes medizinisches Fachpersonal schätzt die Situation des Patienten ein und leitet ihn an eine geöffnete Anlaufpraxis des Bereitschaftsdienstes in seiner Region weiter. 30.000 Hausbesuche führen die schleswig-holsteinischen Ärzte jedes Jahr im Bereitschaftsdienst durch.

43 allgemeinmedizinische und kinderärztliche Anlaufpraxen gibt es in Schleswig-Holstein.

20 Kilometer beträgt die durchschnittliche Entfernung, um die nächstgelegene Anlaufpraxis zu erreichen.

1.450 Ärzte nahmen im Jahr 2016 am Bereitschaftsdienst in Schleswig-Holstein teil.


(Plakat des KVSH)
Praxis zu. Und nun?
Abwarten und Tee trinken

Es könnte Ihnen zwar besser gehen, aber Sie kennen die Symptome und wissen damit umzugehen. Sie haben die nötigen Hausmittel oder Medikamente zu Hause und können sich damit eine Weile über Wasser halten.

In einem solchen Fall genügt es meist, sich bis zum nächsten Werktag Ruhe zu gönnen und erst dann zum Arzt zu gehen.

Jetzt ein Arzt

Sie haben starke Beschwerden, die Sie mit Hausmitteln oder der Hausapotheke nicht in den Griff bekommen. Bis zum nächsten Werktag können Sie nicht warten. Sie brauchen einen Arzt - noch heute.

Für dringende Fälle gibt es außerhalb der Sprechzeiten die deutschlandweite Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes: 116 117

Jede Minute zählt

Sie haben plötzlich heftige Beschwerden oder hatten einen Unfall. Und fürchten ernste bis lebensbedrohliche Folgen, wenn Sie nicht sofort behandelt werden. Zum Beispiel bei Anzeichen eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder in einem ähnlich dringenden Notfall.

Jetzt gilt es, keine Zeit zu verlieren. Wählen Sie sofort den Notruf 112.

Plakate wie dieses sollen in Wartezimmern von Arztpraxen die Bekanntheit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erhöhen.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201711/h17114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, November 2017, Seite 14 - 15
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2018

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