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ARTIKEL/1443: Interview - Entwurf zur Neuordnung der Hochschulmedizin muss überarbeitet werden (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2017

Hochschulmedizin
Keine Weisung durch Vorstand!

Interview Dirk Schnack mit Dr. Henrik Herrmann


In ärztlichen Belangen darf es keine Weisungsbefugnis durch den Klinikvorstand geben, fordert Dr. Henrik Herrmann.


In wenigen Tagen kommt es im Bildungsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags zum Anhörungsverfahren über das Gesetz zur Neuordnung der Hochschulmedizin. Dr. Henrik Herrmann wird als Vorsitzender des Landesverbandes Marburger Bund (MB) dazu Stellung beziehen und seine schon im Vorwege geäußerten Bedenken deutlich machen. Im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt erläutert Herrmann, warum der Entwurf aus ärztlicher Sicht auf jeden Fall überarbeitet werden muss. Mit Herrmann sprach Dirk Schnack.

SHÄB: Der MB hat frühzeitig Alarm geschlagen gegen einzelne Formulierungen im Gesetzentwurf - was ist Ihr zentraler Kritikpunkt?

Dr. Henrik Herrmann: Zentraler Kritikpunkt ist eine Formulierung im Gesetz, die eine Weisungsbefugnis des Klinikvorstands Ärzten gegenüber in der Ausübung ihres ärztlichen Berufes ermöglichen würde. Dies ist nach der ärztlichen Berufsordnung, die auch im Heilberufe-Kammergesetz hinterlegt ist, ausgeschlossen. Denn der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe, er ist seiner Natur nach ein freier Beruf. Der Arzt darf hinsichtlich seiner ärztlichen Entscheidung keine Weisungen von Dritten entgegennehmen. Ein solches Direktionsrecht ist somit in keinster Weise mit dem ärztlichen Berufsrecht und der ärztlichen Berufsausübung als freier Beruf vereinbar.

Was würde sich mit dem Direktionsrecht in der täglichen Arbeit von Klinikärzten ändern?

Herrmann: Es würde dem Vorstand die Möglichkeit eröffnen, aktiv in das Handeln der Ärzte in der Krankenversorgung einzugreifen, indem er vorschreibt, welche Diagnostik oder Therapie durchgeführt werden sollte. Natürlich kann ein Vorstand organisatorische Angelegenheiten im ärztlichen Bereich, wie Einsatzorte auf den Stationen einer Abteilung, Urlaube und andere direkte Arbeitgeberbelange regeln - das war schon immer möglich. Ein direkter Eingriff in ärztliche Belange der Patientenversorgung eröffnet die Möglichkeit einer Einflussnahme und wäre durch die Gesetzesänderung damit legitimiert.

Welche Auswirkungen hätte das auf die Patientenversorgung?

Herrmann: Wenn der Vorstand vorschreiben darf, welche Untersuchungen durchzuführen und welche zu unterlassen sind und welche therapeutischen Maßnahmen durchgeführt oder nicht angewendet werden dürfen, drohen Nachteile für die Patienten - gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Ökonomisierung. Für das Arzt/Patientenverhältnis ist es unverzichtbar, dass Entscheidungen nicht vor dem Hintergrund ökonomischer Interessen getroffen werden.

Politiker mehrerer Parteien und auch Wissenschaftsministerin Kristin Alheit (SPD) haben deutlich gemacht, dass Ärzte auch nach der Neuausrichtung der Hochschulmedizin nicht dem Direktionsrecht der Klinikvorstände unterliegen sollen. Warum genügt Ihnen diese Zusage nicht?

Herrmann: Wenn Ärzte nicht dem Direktionsrecht der Klinikvorstände unterliegen sollen, warum wird es dann im Gesetz so reingeschrieben? Dann kann man auf diesen Satz verzichten oder klarstellen, dass sich das Direktionsrecht nur auf organisatorische Arbeitgeberbelange bezieht. In der jetzigen Gesetzesvorlage wird unzweifelhaft legitimiert, dass ein solches Direktionsrecht ohne Einschränkungen auch in die ärztliche Berufsausübung hineingreift.

Ein anderer Kritikpunkt von Ihnen betrifft die Beteiligung von Arbeitnehmerinteressen im Aufsichtsrat. Sie sehen darin ein starkes Signal, sind aber trotzdem nicht zufrieden. Warum?

Herrmann: Eine Stärkung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ist ein wichtiges und starkes Signal. Für den Krankenhausbereich ist festzuhalten, dass der Marburger Bund als Interessenvertretung der angestellten und beamteten Ärzte Tarifverträge mit den Arbeitgebern abschließt; im Bereich der nichtärztlichen Mitarbeiter erfolgt dies durch die Gewerkschaft Verdi. Wenn man nun im Aufsichtsrat nur einen Sitz an die Arbeitnehmerinteressenvertretung vergibt, wird immer eine Gruppe von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat nicht vertreten sein.

Sind die Ärzte an den Unikliniken zu weit von den Interessen der übrigen Beschäftigten entfernt, um hier zu einer einheitlichen Linie zu finden?

Herrmann: Nein, auch Ärzte an den Unikliniken arbeiten eng mit den anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen und an den Kliniken zusammen. Allerdings gibt es auch besondere Belange, die nur Ärzte betreffen, sodass hier eine Interessenvertretung im Aufsichtsrat notwendig ist, um diese spezifischen ärztlichen Belange einbringen zu können.

Birgt das Pochen auf diese Position nicht die Gefahr, dass andere Beschäftigte den Ärzten unterstellen, eine Sonderbehandlung einzufordern?

Herrmann: Es wird hier keine Sonderbehandlung eingefordert, sondern eine Gleichbehandlung, da die ärztliche Berufsgruppe im Krankenhausbereich eine recht große darstellt und im Marburger Bund einen hohen Organisationsgrad aufweist. Aus diesem Grund möchten wir zusammen mit den Interessenvertretungen der anderen Beschäftigten dazu beitragen, dass für alle Beschäftigten möglichst gute Bedingungen bestehen und dass die Leistung eines Krankenhauses immer eine Gesamtleistung aller Beschäftigten darstellt.


§ 68 (1) - Neu angefügt werden soll laut Entwurf hier der Satz 5: "Bei der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung unterliegen die Mitarbeiter dem Direktionsrecht des Vorstandes des Klinikums". In der Begründung zu dieser geplanten Gesetzesänderung wird deutlich, was der Gesetzgeber damit meint: "Es wird klargestellt, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Hochschulen, zu deren Aufgaben die Krankenversorgung im Klinikum gehört, in Fragen der Krankenversorgung dem Direktionsrecht des Vorstandes unterliegen. Damit wird sichergestellt, dass der Vorstand den Ärzten und weiteren Wissenschaftlern im Klinikum Weisung in Fragen der Krankenversorgung erteilen kann, um so auch seiner Verantwortung im Bereich der Krankenversorgung gerecht werden zu können".


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201701/h17014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2017, Seite 14
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
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Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2017

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